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Tiere und Pflanzen

FINGER WEG VOM „GRÜNEN TAFELSILBER“ IN ASCHAFFENBURG!

BUND Naturschutz kämpft um Rettung eines bedeutenden Streuobstwiesenkomplexes vor geplantem Baugebiet

05.09.2014

Nach den Plänen der Stadt Aschaffenburg soll der in der Mainschleife bei Nilkheim gelegene Streuobst-/Grünkomplex einem über 20 ha großen Baugebiet geopfert werden.

Verloren gingen damit nicht nur wertvolle Biotope und Lebensräume seltener Arten, sondern auch ein einzigartiges Naherholungsgebiet.

Die vorgesehenen Kompensationsmaßnahmen genügen nicht annähernd den gesetzlichen Vorgaben, ihre Wirksamkeit ist vielfach höchst ungewiss.

Der BUND Naturschutz erwartet deshalb von der Stadt Aschaffenburg den sofortigen Stopp des laufenden Genehmigungsverfahrens und die Unterschutzstellung ihres "Grünen Tafelsilbers" als geschützten Landschaftsbestandteil.

... ein "grüner Edelstein" mit Patina

Wovon andere Städte nur noch träumen können, findet sich in Aschaffenburg quasi vor der Haustüre - ein 27 ha großer Streuobstwiesen- und - brachenkomplex mit eingestreuten Magerwiesen, Feldgehölzen und Kleingärten.

Nur ein einziger Asphaltweg ("Anwandeweg") Weg führt diagonal durch dieses Gebiet, so dass es zwar für die (Nah-) Erholung genutzt werden kann, trotzdem auch nahezu ungestörte "Wildnisareale" aufweist.

Auch aufgrund des kleinräumigen Biotopmosaiks und der auf vielen Flächen nur mehr extensiven bzw. ganz aufgegebenen Nutzung, des hohen Totholzanteils und der höhlenreichen Obstbaumveteranen ist das Gebiet am Anwandeweg zu einem einzigartigen Refugium für 35 Vogel - und mindestens 2 Fledermausarten geworden - darunter bayernweit seltene Arten wie Wendehals, Grünspecht und Gartenrotschwanz. Sogar Grauspecht, Pirol, Klappergrasmücke und Feldschwirl konnten dort schon beobachtet werden.

Schon 1999 hatte das Arten- & Biotopschutzprogramm Bayern dieses Gebiet als "landesweit bedeutsamen Lebensraum" eingestuft!

Naturgenuss quasi vor der Haustüre

Auch lt. Grünordnungsplan wir diese "unbebaute Enklave" fast noch als "freie Landschaft" wahrgenommen. Leicht erreichbar und doch fern aller städtischen Betriebsamkeit finden dort Jung & Alt jede Menge Erholungsmöglichkeiten - stille Genießer ebenso wie actionverliebte Freizeitsportler.

Gerade die verwilderten Flächen bieten in unmittelbarer Nachbarschaft zu dicht bebauten Wohnquartieren entdeckungsfreudigen Kindern und Jugendlichen schier unerschöpfliche Möglichkeiten

zur Naturerfahrung und - erkundung und damit einen von der Natur quasi geschenkten und von ihr überreich ausgestatteten Abenteuerspielplatz.

Erst im Frühjahr 2014 wurde diesem Gebiet im Grünordnungsplan eine sehr hohe Bedeutung für die Naherholung attestiert!

Arten- & Flächenschutz sichert Lebensqualität!

Für den BN ist es völlig unverständlich, dass die Stadt Aschaffenburg ihr "grünes Tafelsilber" ohne zwingenden Grund einem neuen Baugebiet opfern will.

Dies umso mehr, als schon heute absehbar ist, dass die Wohn - und Lebensqualität in diesem neuen Wohngebiet aufgrund der Lärmbelastung und der fragwürdigen Luftqualität nicht sonderlich attraktiv wäre und auch die Stadt Aschaffenburg insgesamt an Attraktivität verlieren würde.

Nach Überzeugung des BN steht dieses Vorhaben im Widerspruch zu Vorgaben der bayerischen Verfassung und zu Bestimmungen des Bundesnaturschutzgesetzes, aber auch zu klaren politischen Zielsetzungen beim Flächenschutz.

So verpflichtet Art. 141 Bayerische. Verfassung auch die Städte und Gemeinden ausdrücklich dazu,

  • "die Landschaft zu schützen und zu pflegen" sowie
  • "kennzeichnende Orts- und Landschaftsbilder und die heimi-
  • schen Tier - und Pflanzenarten zu schonen und zu erhalten"

Auch mehrseitige Rundbriefe des früheren bayerischen Innenministers Günther Beckstein aus 2002/2003 beinhalteten für bayerische Kommunen klare Vorgaben u. a.

  • Zum sparsamen Umgang mit vorhandener Fläche
  • Zum Vorrang von Innenentwicklung, Umnutzung & Nachverdichtung anstelle der Neuausweisung von Baugebieten

Der BN ist davon überzeugt, dass im Stadtgebiet von Aschaffenburg längst nicht alle Potentiale dazu ausgeschöpft sind und für den verbleibenden Bedarf konfliktärmere Standorte gefunden werden könnten.

"Russisches Roulette" zulasten der Natur!

Nicht zuletzt aufgrund der Größe der zur Rodung und Bebauung vorgesehenen Biotopflächen, ihrer besonderen ökologischen Bedeutung und der tlw. Sehr speziellen Standortansprüche vertreibungsgefährdeter Arten entsprechen die mit großem Aufwand geplanten Maßnahmen zur Eingriffsminimierung und zur Eingriffskompensation vielfach auch nicht annähernd den natur - und artenschutzrechtlichen Vorschriften.

So nützt es dem Wendehals, einem besonders standorttreue Zugvogel, herzlich wenig, wenn sein Höhlenbaum nur während seiner Abwesenheit gerodet werden soll.

Ebenso ist nicht nachvollziehbar, wie auf weit verstreut liegenden Klein - und Kleinstparzellen, die keine Verbindung zum bisherigen Lebensraum seltener Vogel - oder Fledermausarten haben, ein vor Ort wirksamer Ausgleich für großflächige Lebensraumverluste erreicht werden soll.

Vollends fragwürdig erscheint dem BN u.a. auch, dass auf kilometerweit entfernten Ökoflächen erst 3- 15 Jahre alte Baumjünglinge für Höhlenbrüter den Verlust ihrer großdimensionierten Quartierbäume kompensieren und dort aufgehängte Nistkästen so lange als Ausweich- bzw. Ersatzquartier dienen sollen, bis nach Jahrzehnten diese Baumjünglinge das Zimmern einer Bruthöhle verkraften.

Niemand kann aber garantieren, dass die betroffenen Vögel (z.B. Wendehals) von deren Existenz überhaupt erfahren und bereit sind, diese Kästen auch zu beziehen.

Hier wird in unverantwortlicher Weise "russisches Roulette" mit ohnehin schon gefährdeten Tierarten betrieben, zumal es ganz offensichtlich nirgends einen "Plan B" für den Fall des Scheiterns bei der Kompensationsplanung gibt.

Nachhaltig statt kurzsichtig!

Zusammen mit zahlreichen Naturliebhabern appelliert der BUND

Naturschutz an die Stadt Aschaffenburg, der besonderen Bedeutung dieses einzigartigen Gebietes Rechnung zu tragen und ihr "Grünes Tafelsilber" nicht vorschnell einem fragwürdigen Baugebiet zu opfern.

Nimmt die Stadt im Sinne einer echten und nachhaltigen Zukunftsvorsorge ihre Verpflichtungen aus Art. 141 Bayerische Verfassung wirklich ernst, kann sie nicht länger an diesem Baugebiet festhalten.

Sie wäre nach Meinung des BN gut beraten, für ihren "grünen Edelstein" die Ausweisung als "geschützten Landschaftsbestandteil" zu beantragen, mit engagierten Fachleuten ein differenziertes Pflegekonzept dafür zu entwickeln und sich damit in die wachsende Schar von Gemeinden einzureihen, die sich vom ungebremsten Flächenverbrauch verabschiedet haben, um mit gezielten Maßnahmen zur Sicherung der biologischen Vielfalt auch künftigen Generationen einen hohen Wohn -, Freizeit- und Erholungswert bieten zu können.

gez. Helmut Schultheiß

Regionalreferent für Unterfranken