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Hitzewelle - ALARMZUSTAND BEIM BAUMSCHUTZ IN BAYERNS STÄDTEN UND GEMEINDEN

Die globale Erwärmung sorgt für immer häufiger auftretende Hitzesommer. In den Städten können Bäume für Abkühlung sorgen, doch immer mehr dieser „natürlichen Klimaanlagen“ verschwinden aus dem Stadtbild. Baumschutzverordnungen könnten die Bäume retten. Der BUND Naturschutz in Bayern e.V. hat eine umfangreiche Studie zur Verbreitung und Effektivität von Baumschutzverordnungen erstellt.

28.06.2019

Das Ergebnis ist ernüchternd: nur 94 der 2.056 bayerischen Kommunen haben eine Baumschutzverordnung erlassen, 83 Prozent davon wurden noch im letzten Jahrhundert erlassen, nur sieben Prozent seit 2010. „Die Staatsregierung und der Bayerische Landtag müssen als Konsequenz des erfolgreichen Volksbegehrens „Rettet die Artenvielfalt“ und als Klimaschutzsofortmaßnahme den Baumschutz gesetzlich verankern“, fordert BN-Landesvorsitzender Richard Mergner.

Der Hitze-Rekordsommer von 2018 setzt sich 2019 nahtlos fort. Besonders fatal ist die Situation in den Städten: die hohe Wärmespeicherfähigkeit von Beton und Asphalt und der hohe Versiegelungsgrad führen zu einer Stauung der Hitze. So ist es in Städten bis zu fünf Grad wärmer als im unbebauten Umland. Grünflächen und Bäume spielen für die Klimatisierung einer Stadt eine wichtige Rolle. Ein ausgewachsener Laubbaum verdunstet an einem heißen Sommertag bis zu 400 Liter Wasser und kühlt somit seine Umgebung ab. Ein Laubbaum mit 15 m Kronendurchmesser kühlt zusätzlich eine Fläche von 160 m² mit seinem Schatten.

"Studien prognostizieren bis zum Ende des Jahrhunderts eine deutliche Zunahme der Hitzetage mit Tagestemperaturen über 30° C. Auch die Zahl der Hitzenächte, in denen es nicht unter 20° C abkühlt, steigt an, was neben der großen Belastung, der die Menschen tagsüber ausgesetzt sind, zusätzlich zu einer fehlenden Regeneration in der Nacht führt", mahnt Mergner. "In Zeiten der Klimakrise mit steigender Hitzebelastung in den Stadtzentren sind Stadtbäume und innerstädtische Grünflächen als natürliche Klimaanlagen überlebensnotwenig für die Bevölkerung. Dennoch haben wir jedes Jahr dramatische Verlustzahlen bei Bäumen in Bayerns Städten. Wir brauchen aber mehr statt weniger Bäume und fordern das auch von unseren Kommunen".

Die Kommunen verfügen in Form von Baumschutzverordnung über ein Instrument, das zum Schutz der Bäume beitragen kann. Der BUND Naturschutz hat im Rahmen des Projektes "Neue Chance für alte Bäume", gefördert vom Bayerischen Naturschutzfonds, eine umfangreiche und bundesweit einmalige Kommunalbefragung unter allen bayerischen Kommunen durchgeführt, um deren Verbreitung, Ausgestaltung und Effektivität zu untersuchen.

Baumschutzverordnungen landesweit einführen

Demnach haben nur 94 der 2.056 Städte und Gemeinden eine Baumschutzverordnung erlassen, obwohl von den Kommunen mit erlassener Baumschutzverordnung 83,1% diese für ein "eher wichtiges" oder "sehr wichtiges" Mittel zum Baumschutz halten, nur 4,6% schätzen sie als "eher unwichtig" oder "völlig unwichtig" ein.

"Insgesamt können Baumschutzverordnungen ein sinnvolles Instrument zum Schutz von Bäumen darstellen", merkt Martin Geilhufe, Landesbeauftragter des BUND Naturschutz, an. "Wir fordern daher landesweit die Einführung kommunaler Baumschutzverordnungen verbunden mit einem Zonierungskonzept. So sollten in stark verdichteten Zonen - der Wichtigkeit der Bäume für die Lebensqualität entsprechend - Baumfällungen nicht oder nur gegen hohe Ausgleichszahlungen bzw. erhebliche Ersatzpflanzungen, möglich sein." In Zonen mit sehr hohem Durchgrünungsanteil, könnten hingegen geringere Ansprüche an den Baumschutz angelegt werden und die Ersatzpflanzungen lediglich im Verhältnis 1:1 durchgeführt werden.

"Ein alter, klimabedeutsamer und stadtbildprägender Baum ist keine Privatangelegenheit", sagt Daniel Mühlleitner, Koordinator des Projekts "Neue Chancen für alte Bäume". "Neben den vielfältigen gesundheitlichen Wirkungen von Stadtbäumen haben sie auch einen enormen - und ganz nebenbei kostengünstigen - Effekt auf das Stadtklima. Deshalb müssen wir sie schützen! Baumschutzverordnungen können hierfür ein geeignetes Instrument sein."

Der BUND Naturschutz bietet Bürger*innen mit weiterem Informationsbedarf und auch bei anderen Fragen rund um das Thema Stadtbäume eine Baumsprechstunde unter der kostenfreien Telefonnummer 0800 / 78 23 822 (0800/STADTBAUM) an, Montag bis Donnerstag von 9 Uhr bis 13 Uhr sowie unter der Emailadresse: stadtbaum@bund-naturschutz.de.

Vermeintliche Kontraproduktivität von Baumschutzverordnungen

Kritiker von Baumschutzverordnungen unterstellen diesen häufig eine kontraproduktive Wirkung in zweierlei Hinsicht: Erstens würden alte Bäume mit Schutzanspruch noch rasch gefällt, bevor die Verordnung eingeführt wird. Besteht die Verordnung bereits, würden Bäume zweitens aufgrund des Mindeststammumfangs vor dem "Hineinwachsen" in die Verordnung gefällt werden. Von denjenigen Kommunen, die hierzu Einschätzungen abgeben konnten, antworteten auf die Frage nach ihren Erfahrungen, dass vor Rechtskraft der Einführung einer Baumschutzverordnung Bäume noch rasch gefällt würden: 73,9% mit "ist nicht oder selten passiert", 21,7% mit "ist einige Male passiert und 4,3% mit "ist häufig passiert".

Das zweite häufig geäußerte Argument gegen die Effektivität von Baumschutzverordnungen ist, dass die Bäume nicht mehr alt werden können, da die Eigentümer sie rechtzeitig fällen würden bevor sie unter die Verordnung fallen. Tatsächlich meint keine einzige Kommune, dass dies "nie" passieren würde. Allerdings gaben nur 2% an, es würde "sehr häufig" passieren. Ein Drittel der Kommunen machen die Erfahrung, solche präventiven Fällungen würden "immer wieder" passieren. Der Großteil der Kommunen, die hierzu Angaben machen konnten, nämlich beinahe Zweidrittel (65%) gab an, es würde eher selten passieren. Die Befürchtung, Bäume hätten durch eine Baumschutzverordnung keine Chance mehr alt zu werden, lässt sich anhand dieser Zahlen nicht halten.

Ausgleichsmaßnahmen und die Kontrolle ihrer Umsetzung

Bayernweit werden durchschnittlich 72% aller Fällanträge bewilligt. Dass Bäume bei einer Fällung zumindest ersetzt werden müssen, gilt vielen Befürworter*innen von Baumschutzverordnungen als wichtiges Argument. Tatsächlich erfolgen allerdings durchschnittlich nur in 73,5% der Fällmaßnahmen Ersatzpflanzungen. Wird anstelle einer Ersatzpflanzung ein Ausgleich durch Geldzahlung vom Baumeigentümer verlangt, liegt diese durchschnittlich bei 486 €. Zur Einordnung: Für diese Summe lässt sich eine Stiel-Eiche mit einem Stammumfang von 10-12cm pflanzen, darüberhinausgehende Kosten wie Jungbaumpflege oder Bewässerung sind hierbei noch nicht berücksichtigt. Kaum ein Ersatz für die Fällung teils mächtiger alter Bäume.

Ob die geforderten Ersatzmaßnahmen überhaupt durchgeführt werden, wird nur in 26% der Kommunen bei jeder Maßnahme überprüft. 58% kontrollieren stichprobenartig, 10% lediglich formal, z.B. durch Vorlage einer schriftlichen Zusage, 6% der Kommunen verlangen nicht einmal eine solche Zusage.

Wird bei Kontrollen festgestellt, dass die Ersatz-/Ausgleichsmaßnahmen nicht durchgeführt wurden, drohen lediglich in 68% der Kommunen Sanktionen - 32%, also fast ein Drittel, hat für diesen Fall keine Sanktionen vorgesehen. Von denjenigen Kommunen, in denen Sanktionen verhängt werden, werten wiederum 72% das Vergehen als Ordnungswidrigkeit und verhängen ein Bußgeld. Die übrigen 28% fordern den Eigentümer lediglich ein weiteres Mal auf, der Ausgleichsverpflichtung nachzukommen. Bei weniger als der Hälfte der Fälle (49%), bei denen eine Missachtung der Auflagen festgestellt wurde, haben die Eigentümer mit finanziellen Konsequenzen in Form eines Bußgeldes zu rechnen.

Schwächen von Baumschutzverordnungen und Verbesserungsvorschläge

Gefragt nach den Schwächen ihrer Baumschutzverordnungen gaben 51,4% der Kommunen an, dass das Hauptproblem in der mangelnden Kontrolle und Durchsetzung liege. Die Baumschutzverordnung wäre nicht das Problem, vielmehr die schlechte Personalsituation, die die Umsetzung erschwere. Der Aufwand für die Durchsetzung einer Baumschutzverordnung liegt laut der Untersuchung in etwa bei einer Stunde pro Monat und 1.000 Einwohner*innen, bei den Großstädten ist ein degressiver Effekt erkennbar. 14,3% sehen das Hauptproblem in der Tatsache, dass im Fall von bestehendem Baurecht die Baumschutzverordnung faktisch Makulatur werde. 11,4% kritisieren, dass nur bestimmte Bäume geschützt seien, häufig keine Nadel- und Obstbäume. 5,7% sehen Akzeptanzprobleme bei der Bevölkerung.

Für Rückfragen

Dr. Daniel Mühlleitner
Projektkoordinator Stadtbäume
BUND Naturschutz in Bayern e.V.
Tel. 09 11 / 575 294 18
daniel.mühlleitner@bund-naturschutz.de