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Tiere und Pflanzen

Donaustaufer Altwasser: Biotop verpflanzt – Natur zerstört

"Dass das so scheußlich aussehen könnte, hätte ich nicht gedacht."  So betroffen war der Leiter des Neubauamtes Donau-Ausbau, dass ihm dieser Satz sogar vor den Ohren des Naturschützers und Biologen Dr. Peter Streck rausrutschte. Gemeinsam betrachteten sie von der Burgruine Donaustauf aus die Baustelle der Biotopverpflanzung des Donaustaufer Altwassergebiets. Und waren sich gänzlich uneinig, ob diese Natur aus zweiter Hand erfolgreich sein würde. 

Man muss es als wesentlichen Fortschritt für den Naturschutz und als einen Erfolg für den Bund Naturschutz in Bayern betrachten, dass es überhaupt zu dieser gemeinsamen Beobachtung des Donau-Ausbauers und des Donauschützers kommen konnte: Zum ersten Mal in dem jahrzehntelangen Ausbau der Donau hatte "der Naturschutz" den Kanalbauern Zugeständnisse für das Leben in den Flussauen abgerungen.  Und das, obwohl zu Beginn der Planung für den Abschnitt zwischen Regensburg und Geisling der damalige Regierungspräsident noch nicht einmal den Naturschutzbeirat anhören wollte, "… weil sonst das Planfeststellungsverfahren gar nicht durchführbar sein könnte". 

Aber der Bund Naturschutz mischte sich auf eine ganz neue Weise ein: Mit Öffentlichkeitsarbeit und mit wissenschaftlich fundierten Argumenten machte er Druck auf die Betonlobby und auf die damit verbandelten Behörden und Politiker. Peter Streck, der ehemalige Vorsitzende der Kreisgruppe Regensburg war aus einer industrialisierten Umgebung nach Regensburg gekommen. Hier hatte er die wunderbare Altwasserlandschaft bei Donaustauf kennengelernt. Die wollte er noch länger genießen und vor Zerstörung schützen. Und als Wissenschaftler und Mitglied der Fakultät für Biologie gelang es ihm, dass auf seinen Antrag hin die Donaukommission eingerichtet wurde, deren Vorsitzender er dann auch wurde.

So konnte er "mit zweierlei Hüten auftreten", wie er es selbst nennt. Mit der Donaukommission konnte er sich mit Stellungnahmen an alle Ämter und Stellen wenden, die sich mit der Planung befassten. Als Wissenschaftler wurde er dort akzeptiert. Als Vertreter des BN wurde er kompetenter und glaubwürdiger Gesprächspartner für die regionale und überregionale Presse. Er wandte sich aber auch direkt an die Menschen in der Region. In Ausstellungen, Exkursionen und Vortragsreihen machte er der interessierten Öffentlichkeit bewusst, welche Lebensvielfalt und landschaftliche Schönheit mit der Kanalisierung der Donau verloren gehen würde.

Nach jahrelangem Kampf verstärkte sogar die bayerische Staatsregierung den Druck auf die Kanalbauer: Der damalige Kultusminister Hans Maier bat die Planfeststellungsbehörde, die Stellungnahme der Donaukommission stärker zu berücksichtigen. Und das Umweltministerium drohte sogar, "das Einvernehmen mit der Planfeststellungsbehörde zurückzustellen, wenn nicht mehr für den ökologischen Ausgleich getan werde". 

Die langen und intensiven Auseinandersetzungen zwischen Naturschutz und Kanalbauern führten am Ende zu dem Beschluss, das Biotop umzusetzen. Das heißt nicht weniger, als dass die Vegetation stückweise aus dem Altwassergebiet ausgebaut und an neu gestalteter Stelle wieder eingebaut wurde. 

Aber ließ sich die Natur auf diese Weise an der Nase herumführen? Konnten – vom strömenden Grundwasser abgeschnitten und auf viel zu kleiner Fläche – die Pflanzen weiter wurzeln und sich auch ausbreiten? Fanden Vögel, Insekten und Amphibien noch genügend unveränderten Lebensraum?  Freilich ist die damalige Mond- und Kraterlandschaft heute wieder grün. Aber eine Nachuntersuchung dreißig Jahre nach der Fertigstellung ergab: "Eine große Zahl der wertvollen und bedrohten Pflanzenarten und -gesellschaften (…) konnte nicht oder nur mehr rudimentär wiedergefunden werden." So das Resümee, das in der Zeitschrift der Regensburgischen Botanischen Gesellschaft veröffentlicht wurde.

Man muss wohl einräumen: Die Natur hat beim Donauausbau zwischen Regensburg und Geisling eine weitere Niederlage hinnehmen müssen. Aber was dort angefangen wurde, sich laut einzumischen, kenntnisreich zu argumentieren, die Vielfalt und Schönheit der Natur und ihre Existenzberechtigung zu zeigen und sie zu feiern, das konnte beim Kampf um die frei fließende Donau zwischen Straubing und Vilshofen erfolgreich weitergeführt werden.  

Ulrike Rohm-Berner


Zeitzeugen berichten: Abschied vom Donaustaufer Altwasser

An einem klirrend kalten, klaren Wintersonntag noch vor Sonnenaufgang schnallte sich Brigitte West ihre Schlittschuhe an. Sie lief auf das Eis des Donaustaufer Altwassers hinaus, das ihr wie vielen Donaustaufern über viele Jahre ein Wintervergnügen gewesen war, um Abschied zu nehmen. 

Brigitte West ahnte, dass dieser Winter 1983 auf dem Eis der letzte sein würde: Im kommenden Herbst sollte das Altwasser, das damals noch bis an den Ortskern von Donaustauf heranreichte, von einer Umgehungsstraße zerschnitten und teilweise zugeschüttet werden.

Ihr Leben war buchstäblich von Beginn an durch die Donau geprägt, erzählt sie: "Dass ich eine Hausgeburt bin, lag am Wasser. Im Winter davor hatte es einen schweren Eisstoß gegeben, und danach kam das Hochwasser." Infolgedessen konnte ihre Mutter nicht ins Krankenhaus gebracht werden. Die Hebamme musste sich über Waldwege der Hohen Linie, also durch den Regensburger Vorwald, nach Donaustauf durchschlagen.

Ganz allein lief Brigitte West an diesem Wintersonntag das Altwasser ab. Und hatte ihren Fotoapparat dabei. Wenigstens ein paar Erinnerungen wollte sie für die Zeit festhalten, wenn es diese Wildnis nicht mehr geben würde. Auch das nebenstehende Foto stammt von ihrer wehmütigen letzten Schlittschuhfahrt. 

Danach mied sie das Gebiet jahrelang. Einige Jahre später, gegen Ende der Bauzeit, als sie ihren kleinen Sohn auf dem Arm hielt, wurde ihr bewusst: Er würde die ursprüngliche Schönheit des Altwassers nicht mehr kennenlernen. Und deshalb auch nicht vermissen.

Gründung der Ortsgruppe

Auch Hartmut Schmid hat die Ruinen der einstigen Pracht lange nicht mehr betreten, und er geht nur noch mit Unbehagen dorthin. Er, der zu Schulzeiten den Spitznamen "Sumpfi" trug, weil er immer in den "Sümpfen" unterwegs war, hatte das Donaustaufer Altwasser wie seine Westentasche gekannt. Über viele Jahre hatte er dort Vogelfedern gesammelt und Amphibien und Vögel beobachtet. 

Zusammen mit Michael Hollersbacher und einigen anderen hatten die beiden 1981 eine BN-Ortsgruppe gegründet, in dem, wie West heute sagt, naiven Glauben, die drohende Zerstörung noch verhindern zu können. Sie versuchten alles, was ihnen einfiel, demonstrierten, schrieben Briefe, organisierten eine Fotoausstellung, hatten aber gegen wirtschaftliche Interessen und behördliche Planungsmaschinerie keine Chance.

Trotzdem zeigten sie unbeirrt Flagge: Kein Spatenstich, keine Baustellenbegehung und kein Presetermin, bei dem nicht eine kleine Gruppe von Protestierern mit ihrem Transparent zugegen war. Trotzdem war das Verhältnis unverkrampft, erzählt Schmid: "Man kannte sich ja."

Befreiung von Durchgangsverkehr und Mücken

Das Verhältnis der Donaustaufer zu ihrem Altwasser war zwiespältig. Da das Feuchtgebiet bis an den Ortskern heranreichte, zwängte sich der gesamte Verkehr, der auf der nördlichen Donauseite von und nach Regensburg unterwegs war, durch den engen Ortskern und erfüllte ihn mit Lärm und Gestank. Vor allem für Kinder und ältere Leute war es gefährlich, die Straße zu überqueren.

Zudem war der Ort im Sommer für seine Steckmückenplage gefürchtet. Die wechselnden Wasserstände der Donau hinterließen in den Auen Tümpel – das ideale Brutgebiet für die kleinen Plagegeister. Brigitte West erinnert sich noch genau an die Abzweigung nach der alten Donaubrücke auf den Reitdamm, an der sie von einem Mückenschwarm empfangen wurde, wenn sie mit dem Fahrrad vom Baden am Sarchinger Weiher auf der anderen Donauseite zurückkam. 

Nur im Winter war der ganze Ort auf dem Eis vereint. Auf alten Fotos sind die vielen blanken Flächen zu erkennen, die zum Eisstockschießen freigeräumt worden waren.

Der verzweifelte Kampf der Möwen

Doch das Unheil war nicht mehr abzuwenden. Als Erstes wurde, wie auf Fotos von der Baustelle zu sehen ist, quer durch das Altwasser ein Fahrdamm für die Umgehungsstraße aufgeschüttet, mitten durch eine Möwenbrutkolonie, die in dem Röhricht angesiedelt war. 

Über Wochen hinweg flogen die verzweifelten Möwen Angriffe auf Bagger und Laster. Und obwohl Bauarbeiter gemeinhin nicht zu den besonders zart besaiteten Menschen zählen, hatten manche Mühe, ihren Job zu machen: Der ebenso ausdauernde wie vergebliche Kampf der Vögel ging ihnen doch zu Herzen.

Als schließlich auch noch drei schöne alte Pappeln gefällt werden sollten, die dickste mit einem Stammumfang von sechseinhalb Metern, richtete die Ortsgruppe ein Schreiben an den damaligen Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß – und erhielten, mit höchstpersönlicher Unterschrift, die nüchterne Antwort, dass die Fällung leider wegen der Stabilität des Hochwasserdammes unvermeidlich sei. 

Spektakuläre Baumbesetzung

Doch ganz so leicht wollten sich Schmid und seine Freunde nicht geschlagen geben. Sie bekamen Wind davon, wann die große Motorsäge anrücken sollte – ausgerechnet an dem Tag, an dem Schmid sein Praktikum an der Höheren Naturschutzbehörde antreten sollte. Kurzerhand verschob er seinen ersten Arbeitstag und organisierte zusammen mit Peter Herzig, Mirek Brunner und einigen anderen eine spontane Demonstration und eine Baumbesetzung.

Die war allerdings mit Hindernissen verbunden, denn die untersten Äste der Pappeln befanden sich in einer Höhe von acht bis zehn Metern. Also beschlossen sie, eine Strickleiter zu basteln. Mit ihr wollten sie am Vorabend eine "Generalprobe" machen und dann morgens in aller Frühe zurückkehren, um den Baum zu besetzen, bevor die Arbeiter eintrafen. 

Doch auch das Basteln von Strickleitern erfordert Erfahrung, und die hat man beim ersten Mal nicht. Es wurde Mitternacht, bis die Leiter fertig war, und zu einer Zeit, als sie eigentlich schon längst im Bett liegen wollten, hatten sie sie noch nicht einmal am Baum befestigt, geschweige denn erprobt und in luftiger Höhe einen einigermaßen sicheren Platz verankert.

Dafür war die Aufregung umso größer, als am anderen Morgen erst die Arbeiter anrückten und bald danach Polizei, Bürgermeister, Medien und zahlreiche Schaulustige. "Hartmut, du kommst sofort herunter, ich sag's deiner Mutter", drohte der Bürgermeister. "Nein, erst Mittag", schallte es ihm von oben entgegen. Denn für eine mehrwöchige Baumbesetzung waren die jungen Wilden dann doch nicht eingerichtet. 

Hat ihm diese Aktion keinen Ärger in der Behörde eingebracht? Nein, im Gegenteil, meint Schmid, die haben gejubelt und fanden es klasse.

Verhindern konnten die Donaustaufer Naturschützer die Fällung der Bäume und die weitgehende Zerstörung des Altwassers mit ihrer Aktion natürlich nicht. Trotzdem war ihnen das Symbol wichtig: Zumindest hatten sie deutlich gemacht, dass nicht alle Donaustaufer mit dem unfreiwilligen Tausch Altwasser gegen Umgehungsstraße einverstanden waren.