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Beweidung für die Artenvielfalt muss sich lohnen

Der BUND Naturschutz fordert, ausgehend von den Erfahrungen des Hutangerprojektes des Naturschutzzentrums Wengleinpark, der BN Ökostation im Landkreis Nürnberger Land, die Überarbeitung der staatlichen Förderprogramme für die Beweidung besonders artenreicher Standorte unter erschwerten Bedingungen.

28.06.2017

Dadurch sollen die für den Naturschutz und die Kulturlandschaft einzigartigen Hutanger, die durch eine jahrhundertealte Hirtenkultur im Nürnberger Land geprägt wurden, langfristig über Beweidungskonzepte gesichert werden.

Im Landkreis Nürnberger Land gibt es noch 120 "Hutanger" mit insgesamt 500 Hektar (ha) Fläche. Hutanger sind uraltes Weideland, die in Form der Allmendewirtschaft beweidet wurden und sich durch besondere Artenvielfalt und kulturlandschaftliche Schönheit auszeichnen. Sie haben damit einen hohen gesellschaftlichen Wert, und ihre Bewirtschaftung wird staatlich gefördert. Im Jahr 2015 wurden bayernweit etwa 23.000 Hektar artenreiche Weideflächen über das Vertragsnaturschutzprogramm sowie Landschaftspflegegelder gefördert. Trotzdem sind einige dieser besonderen Nutzungsformen in Gefahr, wenn die Landwirte nicht eine zuverlässige und an den Aufwand angepasste Förderung bekommen.

"Schützen durch Nützen braucht die Ergänzung durch gut ausgestattete staatliche Förderprogramme und muss sich für die Landwirte auch lohnen", erläutert Hubert Weiger, BN Landesvorsitzender, "denn sonst verliert unsere Kulturlandschaft unwiederbringlich einige ihrer größten Schätze, und das Artensterben nimmt seinen Lauf. Das muss verhindert werden."

"Die Förderung der Beweidung extremer Standorte ist kostengünstiger als jede andere Form der Landschaftspflege", so Rainer Wölfel, Leiter des Hutangerprojekts und Landwirt. "Doch leider wird der Aufwand für die Beweidung schwieriger Standorte im Gegensatz zur maschinellen Pflege im Vertragsnaturschutzprogramm nicht ausreichend entlohnt. Wir fordern deshalb eine neue Förderkategorie im Vertragsnaturschutzprogramm, damit der tatsächliche Aufwand einer Beweidung nach einem Pflegekonzept auch angemessen entlohnt werden kann", so Wölfel.

Hutangerbewirtschaftung muss erhalten bleiben

Bei den Hutangern in der Hersbrucker Alb handelt es sich um historisch belegte, artenreiche Gemeinschaftsweiden, die die regelmäßige Beweidung brauchen. Doch naturschutzorientierte Beweidung mit Tiertransport zu Einzelflächen, Zäunen und tägliche Betreuung der Tiere braucht viel Zeit und bedeutet einen hohen Aufwand für die Landwirte. Ohne eine zielorientierte Förderung droht diesen Flächen das "Aus".

Denn die Landwirtschaft zieht sich verstärkt auf ackerfähige Standorte und leicht zu bewirtschaftende Flächen zurück. Restflächen wie Hutanger, Hutungen, Blockschutthalden und Steillagen bleiben zunehmend unbewirtschaftet. Oft sind diese Standorte aber Rückzugsgebiete für seltene Arten, die auf offene Flächen angewiesen sind.

Um die Artenvielfalt und das Landschaftsbild zu erhalten, muss dann entweder gemäht oder beweidet werden.

Diese beiden Verfahren stehen sich wirtschaftlich gegenüber. Für beide Bewirtschaftungsweisen wird es zunehmend schwieriger Landwirte zu finden, die diese Arbeiten übernehmen. Derzeit werden die mechanischen Landschaftspflegearbeiten im Nürnberger Land noch vom Maschinenring abgedeckt. Landwirte bekommen dafür einen Stundenlohn von 15,- €, zusätzlich wird noch ein Stundensatz für das jeweils eingesetzte Gerät gezahlt. Dies ergibt im Extremfall Zahlungen von über 2000 €/ha, wogegen die "nicht landwirtschaftliche" Pflege mit Rindern auf Extremstandorten lediglich mit 360 € entgolten wird. Nach Berechnungen des Naturschutzzentrums können - nach Abzug der Vermarktungseinnahmen durch den Rindfleischverkauf - im Hutangerprojekt bis zu 810 €/ha/Jahr an Aufwand durch die Weideführung entstehen.

"Die Berechnungen des Naturschutzzentrums zeigen, dass es sehr große Unterschiede in der Kostenstruktur der einzelnen Flächen gibt. Eine einheitliche Flächenprämie, die auf die Besonderheiten der Flächen nicht abgestimmt ist, wird den Erfordernissen nicht gerecht", erläutert Karl Heinlein, Vereinsvorsitzender des Naturschutzzentrums Wengleinpark.

Zusammenfassende Forderungen

  • Einführung einer Flächenkategorie "Landwirtschaftlich genutzte Naturschutzfläche" im Vertragsnaturschutzprogramm
  • Auf schwierigen, naturschutzfachlich wertvollen Flächen Entlohnung der Pflege auch für die Beweidung nach Stundensätzen wie bei der mechanischen Pflege
  • Planungssicherheit für Landwirte für mindestens fünf Jahre (wie bei Flächenprämien)

Anlage 1: Berechnungsgrundlagen und Erläuterungen

Die Beweidung landwirtschaftlicher Flächen wird über Flächenprämien gefördert. Diese setzten sich zusammen

  • aus der Betriebsprämie, die nach Flächengröße gezahlt wir (derzeit ca. 275, €/ha),
  • einer Ausgleichzulage, um gebietsspezifische schwierige Boden- und Klimabedingungen auszugleichen von ca. 100,-€/ha und
  • einer am Umweltnutzen orientierten, leistungsbezogenen Prämie, entweder aus dem Kulturlandschaftsprogramm (KULAP), z.B. für die ökologische Bewirtschaftung (Landwirtschaftsministerium) oder dem Vertragsnaturschutzprogramm (VNP) (Umweltministerium).
  • Eine Doppelförderung ist ausgeschlossen. Die Prämien für landwirtschaftliche Nutzflächen liegen dann für einen Biobetrieb bei knapp ca. 700 €/ha (Kulap B10 ökologischer Landbau 273,-€/ha)

Die Betriebsprämie, leistungsbezogene Umweltprämien und Ausgleichszulage entfallen für Naturschutzflächen, die nicht als landwirtschaftliche Nutzflächen anerkannt sind, weil beispielsweise der Baumbestand mehr als ein Drittel der Fläche bedeckt, Blockschutthalden wenig Aufwuchs zulassen, Steillagen, frisch entbuschte Flächen oder Magerrasen keine gewinnbringende landwirtschaftliche Nutzung erwarten lassen. Dann erhält auch ein landwirtschaftlicher Betrieb nur einen Grundbetrag von 360,- € pro ha aus dem Vertragsnaturschutzprogramm, obwohl die Beweidung der mechanischen Pflege vorzuziehen ist, je schwieriger die Flächenstruktur ist und je schlechter die Flächen anfahrbar sind.

Anlage 2 : Hintergrundinfos zum Hutangerprojekt

Begriffsklärung Hutanger

Der Begriff "Hutanger" bezeichnet uraltes Weideland, das in Form der Allmendewirtschaft beweidet wurde. Er ist typisch für das Nürnberger Land und die angrenzenden Gebiete. Hier waren die Hutanger Rinderweiden, auf denen der Hirte die Tiere der Dorfgemeinschaft hütete. Diese Hirtenkultur war noch bis in die sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts lebendig.

Das Hutangerprojekt wurde 1985 von der Ortsgruppe Hersbrucker Land des Bund Naturschutz zusammen mit dem Bezirk Mittelfranken ins Leben gerufen. Seit 1987 ist das Naturschutzzentrum Projektträger (www.hutanger.de ).

Naturschutzzentrum Wengleinpark e.V.

Das Naturschutzzentrum wurde 1987 gegründet und ist eine Ökostation des Bund Naturschutz in Bayern e.V., seit 2003 ist es ein eigenständiger Verein. Die Tätigkeitsschwerpunkte liegen im praktischen Naturschutz, sie umfassen Landschafts- und Biotoppflege, Naturschutzbildung, sowie naturschutzorientierte Regionalentwicklung und Regionalvermarktung. Für die Regionalentwicklungsarbeit bekam das Naturschutzzentrum 2012 den Nachhaltigkeitspreis der Neumarkter Lammsbräu verliehen (www.naturschutzzentrum-wengleinpark.de ).

Für die Umsetzung modellhafter, kooperativer Naturschutzprojekte hat der Verein 2012 u.a. einen land- und forstwirtschaftlichen Zweckbetrieb gegründet. Der Biobetrieb ist ein reiner Weidebetrieb mit Mutterkuhhaltung und umfasst mittlerweile 35 Hektar mit 33 Einzelflächen. Die eingesetzte Rinderrasse sind die Hinterwälderrinder. Durch Einkreuzung mit dem Oberpfälzer Rotvieh wird eine Zucht auf Qualitätsfleischerzeugung und Landschaftspflegeleistung durchgeführt.

Das Hutanger- und Kuhpatenschaftsmodell wurde 2012 ins Leben gerufen, mittlerweile unterstützen mehr als 70 Paten aus ganz Bayern das Projekt (www.hutangerblog.de).

Bei der Landschafts- und Biotoppflege wird weitgehend das Konzept "Weide und Wildnis" umgesetzt, d. h. die Verbindung von halboffener Weide mit Naturwald. Gerade die Übergänge vom Offenland zum Wald gehören zu den vielfältigsten Lebensräumen.

Die Mutterkuhherde des Naturschutzzentrums dient auch der Forschung. Auf ausgewählten Weideflächen werden seit vielen Jahren die Auswirkungen der Beweidung auf Flora und Fauna untersucht. Als faunistische Zielgruppen wurden die Heuschrecken und die Tagfalter ausgewählt.

Seit 2010 wird auch die betriebswirtschaftliche Seite der Landschaftspflegebeweidung untersucht, Grundlage dafür war ein Modellprojekt mit Norbert Bleisteiner, dem Leiter der Landmaschinenschule in Triesdorf. Ab 2010 liegen Aufzeichnungen über flächenscharfen Arbeitszeit- und Kapitalaufwand vor, so dass eine genaue Bewertung der Kosten möglich ist.

Hutanger im Nürnberger Land (siehe www.hutanger.de)

120 Hutanger gibt es im Nürnberger Land, davon liegen 92 in der Hersbrucker Alb:                      

Gesamtfläche:                                                  ca. 500 ha 

davon: Schafbeweidung:                            ca. 220 ha

Rinderbeweidung:                                         ca. 130 ha

Pferde:                                                                               ca.   4 ha

Mahd:                                                                 ca.  37 ha

Reine Waldflächen:                                       ca.  18 ha

Stark verbuscht:                                              ca.  30 ha

noch ungeklärt:                                                               ca.  83 ha