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Bti-Einsatz am Chiemsee: Bund Naturschutz fordert Beendigung der flächendeckenden Mückenbekämpfung

Am Chiemsee wurden 1997 erstmals Bti-Präparate zur Reduzierung der Stechmückenbestände großflächig per Hubschrauber ausgebracht.

14.06.2002

Eine messbare Reduktion der Mückenpopulationen konnte jedoch nicht nachgewiesen werden. Es liegen lediglich subjektive Aussagen, Beobachtungen und Einschätzungen vor. Bisher wurde in den direkt mit dem Chiemsee in Verbindung stehenden Überschwemmungsbereichen der Bti-Einsatz untersagt, um die Fischbruten nicht zu gefährden, und im vergangenen Jahr waren zumindest noch die naturschutzfachlich wertvollsten Teile des Chiemsees von der Genehmigung ausgenommen. Im März 2002 beantragte der "Abwasser- und Umweltverband Chiemsee" nun erstmals die Mückenbekämpfung sogar im Naturschutzgebiet (NSG) "Mündung der Tiroler Ache" sowie auf Wasser- und Schilfflächen. Die betroffenen Bereiche unterliegen zum großen Teil auch europäischem Naturschutzrecht, da sie als FFH-Gebiet bzw. EU-Vogelschutzgebiet (SPA) gemeldet sind.

Eine Entscheidung der Regierung von Oberbayern steht derzeit noch aus. Es ist jedoch zu befürchten, dass nach den nächsten stärkeren Regenfällen eine Eilentscheidung fallen wird. Der Bund Naturschutz fordert die Regierung daher auf, dem Druck seitens der Chiemsee-Gemeinden nicht nachzugeben und für den geplanten flächendeckenden Bti-Einsatz keine Genehmigung zu erteilen. Dies gilt insbesondere für die Ausbringung des Giftes auf Wasserflächen, im Schilfgürtel und in naturschutzfachlich besonders wertvollen Bereichen oder in geschützten Gebieten, wie dem NSG "Mündung der Tiroler Ache". Jede andere Entscheidung wäre nicht nachvollziehbar und als naturschutzrechtlicher Skandal zu bewerten. Darüber hinaus würde die Aufweichung der Schutzbestimmungen zugunsten eines Bti-Einsatzes eine Bresche für weitere Eingriffe in das NSG schlagen und zusätzlich ein Bezugsfall für andere Schutzgebiete geschaffen.

Der Bund Naturschutz (BN) hat sich generell und wiederholt gegen den flächendeckenden Bti-Einsatz ausgesprochen. Der geplante Eingriff in diese äußerst hochwertigen und durch mehrere Schutzkategorien gesicherten Lebensräume ist nicht zu rechtfertigen und würde in eklatanter Weise gegen die Erhaltungs- und Entwicklungsziele des Gebietes, bzw. den Schutzzweck der NSG-Verordnung verstoßen. Die negativen direkten sowie längerfristigen Auswirkungen sind bisher nicht ausreichend untersucht und daher nicht abschätzbar. Der großflächige Bti-Einsatz stellt insgesamt eine massive Gefährdung der komplexen Wechselwirkungen der betroffenen Ökosysteme dar, da neben den Stechmücken zahlreiche andere Arten direkt oder indirekt betroffen sind und erheblich beeinträchtigt werden. Stechmücken sind ein wichtiger Bestandteil der Nahrungskette, sowohl in ihrer Larvenform im Wasser (z. B. Fischnahrung) als auch in ihrer adulten Form (z. B. Nahrung für Vögel und Fledermäuse). Bti wirkt darüber hinaus tödlich auf andere Insektengruppen, wie z. B. Zuckmücken, die für den Menschen kein Problem darstellen, aber Hauptnahrungsbestandteil für andere Tiergruppen sind, wodurch die Fortpflanzungsrate bedrohter Arten beeinträchtigt werden kann. Außerdem sind die Bekämpfungsaktionen mit gravierenden Störungen verbunden.

Bisher gibt es keine Hinweise auf eine gesundheitliche Gefährdung des Menschen durch Mücken in unseren Breitengraden. Das Konfliktpotential ist primär durch das veränderte Freizeitverhalten in den vergangenen Jahren angewachsen, während gleichzeitig das Bewusstsein für die Eigenverantwortung der Menschen abnahm. Natürliche Phänomene, wie das zeitlich begrenzte Auftreten größerer Mückenpopulationen, die eine wichtige biologische Funktion haben, werden dann zu unerträglichen Zuständen oder gar Katastrophen aufgebauscht. In einem naturschutzfachlich derart hochwertigen und europaweit bedeutsamen Gebiet wie der Chiemseeregion muss die Erhaltung der natürlichen funktionalen Zusammenhänge jedoch absolute Priorität haben. Eine flächendeckende Mückenbekämpfung ist damit nicht zu vereinbaren. Derartige Maßnahmen stellen den Menschen und seine Freizeitansprüche überzogen und einseitig in den Mittelpunkt der Betrachtungen.


Kurt Schmid
Regionalreferent

Dr. Christian Magerl
Artenschutzreferent für Südbayern

Hermann Eschenbeck
1. Vorsitzender BN-Kreisgruppe Traunstein


Für Rückfragen:
Kurt Schmid oder Dr. Christian Magerl, Tel.: 089/548298-63



Ergänzender Hinweis:
Der Bti-Wirkstoff ist ein Eiweißkristall und wird aus dem Bakterium Bacillus thuringiensis israelensis (Bti) gewonnen. Aus wissenschaftlichen Untersuchungen ist bekannt, dass Bti innerhalb der Insektenordnung der Zweiflügler eine Breitbandwirkung besitzt. Es wirkt tödlich für alle Arten der Stech- und Kriebelmücken. Hinzu kommt eine letale Wirkung auf alle Zuckmückenarten, die für Menschen keine Störung darstellen, aber ein Hauptnahrungsbestandteil vieler Vogel-, Fledermaus- und Fischarten sind. Auch negative Auswirkungen auf räuberische Insekten wurden festgestellt. Tatsache ist weiterhin, dass die bisherigen Untersuchungen zur Wirkung von Bti auf Nichtzielorganismen nicht ausreichend sind. Sie wurden zudem meist von Interessengruppen, die den Bti-Einsatz propagieren, durchgeführt und sind daher nicht als unabhängig zu werten.