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Flächenverbrauch reduzieren! Eingriffe ausgleichen!

Bayernweites Projekt zu Ausgleichsflächen der Gemeinden startet

18.04.2018

Während der Flächenfraß für Siedlungen, Gewerbegebiete oder Straßenbau in Bayern auf höchstem Niveau weitergeht, drücken sich viele bayerische Gemeinden um den gesetzlich vorgeschriebenen Ausgleich. Die Folgen wie der Rückgang der Artenvielfalt werden damit forciert.

Der BUND Naturschutz wird deshalb den bayerischen Gemeinden auf den Zahn fühlen: Soeben startet beim BUND Naturschutz ein Projekt, bei dem in vielen Kommunen die Anlage und das Funktionieren der Ausgleichsflächen für die Ausweisung von Wohn- und Gewerbegebieten überprüft wird.

"Erst kürzlich hat eine Landtagsanfrage von Bündnis 90 - Die Grünen gezeigt, dass bis zu 50 % der Ausgleichsmaßnahmen von Gemeinden nicht umgesetzt oder nicht wirksam waren. Man kann davon ausgehen, dass so manche Gemeinde das vorsätzlich getan hat, schließlich kostet das ja auch Geld und man braucht die Fläche dazu. Hier versagt aber vor allem die Staatsregierung, die es den Gemeinden überlässt, sich selbst zu kontrollieren. Das muss ein Ende haben", so Richard Mergner, Landesbeauftragter des BN.

Grundsätzlich fordert der BN die Verringerung der Eingriffe, also weniger neue Gewerbegebiete, neue Wohnsiedlungen und neue Straßen. Der Neubau auf der grünen Wiese muss auch in Bayern endlich gestoppt werden.

"Es ist uns völlig klar, dass man mit den Ausgleichsflächen die Natur nicht retten wird, oft werden zum Beispiel Gewerbegebiete damit nur schöngerechnet. Deswegen unterstützen wir ja auch das Volksbegehren 'Betonflut eindämmen'. Aber wir haben auch den Trend festgestellt, dass die Ausweisung immer neuer Wohn- und Gewerbegebiete mit dem fehlenden Ausgleich zusammen hängt: Wo der Ausgleich 'eingespart' wird, wird auch mehr ausgewiesen, wo ausgeglichen wird, werden Flächen für Neubaugebiete knapp und die Bauern fangen an mit uns gemeinsam gegen Eingriffe zu kämpfen wie zum Beispiel in Coburg. So soll es ja auch sein", so Mergner.

"Mittlerweile summieren sich die fehlenden Naturflächen nach unseren Berechnungen auf mindestens 6.500 Hektar in Bayern, das entspricht einem halben Nationalpark", so Tom Konopka, Regionalreferent im BN.

"Wir werden zusammen mit unseren Basisgruppen Prüfungen durchführen. Erste BN-Modellprojekte haben gezeigt, dass hier ein großer Handlungsbedarf besteht. Im Raum Regensburg hatten wir 30 % fehlende Umsetzung und in einer Gemeinde bei München waren es sogar zehn von zwölf Flächen", so Konopka.

Der BN fordert von der Staatsregierung, eine Pflicht für Gemeinden und andere Eingriffsbehörden einzuführen, nach denen diese die Festsetzungen zum Ausgleich oder Ersatz an das Landesamt für Umwelt melden müssen und eine Pflicht, nach der sie regelmäßig über die Umsetzung und die Wirksamkeit der Maßnahmen berichten müssen. Die zuständigen Behörden müssen entsprechend personell verstärkt werden, um dies leisten zu können. Gefordert ist hier insbesondere das Innenministerium unter Joachim Herrmann (CSU).

Die bayerischen Gemeinden werden aufgefordert ihre Hausaufgaben zu machen und die festgesetzten Ausgleichsmaßnahmen umzusetzen.

Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen in Bayern

Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sind bei allen Eingriffen in den Naturhaushalt nach dem Naturschutzgesetz verpflichtend. Ob beim Autobahnbau, wenn z.B. Wald gerodet wird, bei Ortsumfahrungen, wenn z.B. Krötentümpel zugeschüttet werden, in der Flurbereinigung, wenn z.B. Hecken wegfallen, immer muss dem Ziel nach Ausgleich oder Ersatz geschaffen werden. Das sind dann neuangelegte Tümpel, die Umwandlung von Äckern in Wiesen, die Pflanzung von Hecken oder Obstwiesen. Viele Ausgleichsflächen lassen sich anschließend weiter landwirtschaftlich nutzen, wenn auch oft nicht so intensiv wie vorher. Ziel ist es, Lebensräume für gefährdete Arten herzustellen, den Bodenschutz und die Grundwasserneubildung zu gewährleisten und ein ansprechendes Landschaftsbild zu erhalten.

Die gesetzliche Pflicht, bei Eingriffen in Natur und Landschaft für einen Ausgleich zu sorgen gibt es bereits seit 1976 im Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG). Der BN hatte damals für diese Regelung gekämpft, um den Naturhaushalt dauerhaft zu sichern. Der Freistaat sorgte sich aber lange nicht um diese lästige Pflicht. In den 1990er Jahren wurde die Pflicht sogar für mehrere Jahre ausgesetzt. Die damalige Staatsregierung nutzte ein für die neuen Bundesländer geschaffenes Ausnahmegesetz und setzte zwischen 1998 und 2000 keine Ausgleichsmaßnahmen für Baugebiete um. Seit 2001 gilt aber die sog. Eingriffsregelung in Bayern auch im Baurecht.

Defizite in Bayern

Insbesondere bei der Ausweisung von Wohngebieten, die immerhin 50% des Flächenverbrauchs in Bayern ausmachen, und bei Gewerbegebieten (25%) wird der Ausgleich oft nicht umgesetzt. Hintergrund ist, dass sich die Gemeinden selbst kontrollieren sollen. Dass das schon bei Banken und der KFZ-Industrie nicht funktioniert hat, hält die Staatsregierung nicht davon ab es weiter so laufen zu lassen. Und das ganz bewusst: Schon 2014 musste die Staatsregierung zugeben "Es liegt keine Statistik über die angefallenen Kompensationsverpflichtungen aus ... Eingriffen vor." Seitdem hat sich nichts geändert.

Für die Planung ist die Gemeinde zuständig, für die Genehmigung des Bebauungsplanes ist die Gemeinde zuständig, für die Umsetzung der Ausgleichsmaßnahmen ist die Gemeinde zuständig und auch für die Kontrolle. Die Untere Naturschutzbehörde beim Landratsamt darf nur bei der Planung einmal mitreden. Fazit: Eine Gemeinde, die keine Lust auf Ausgleichsmaßnahmen hat, wird diese nicht umsetzen, solange sie nicht gezwungen wird.

Der BN schätzt, dass seit Inkrafttreten der Eingriffsregelung im Baurecht in Bayern (2001) bis Mitte 2016 allein aus der Wohnsiedlungsentwicklung (50.900 ha) ca. 16.300 ha Ausgleichsflächen festgesetzt worden sein müssen. Dazu kommen alle Ausgleichsflächen aus Gewerbegebieten (Ausweisung ca. 6.100 ha). Nach BN-Schätzungen wurden mindestens 6.500 ha Ausgleichsflächen aus der Bauleitplanung nicht umgesetzt. Aus den anderen Eingriffsbereichen dürfte noch eine unbekannte Fläche dazukommen.

Eine Landtagsanfrage von Bündnis 90-Die Grünen hatte am 26.10.2016 zur Folge, dass das Umweltministerium liefern musste: Am 30.10.17 wurde ein Projekt zur Prüfung der Ausgleichsmaßnahmen im Landkreis Ebersberg vorgestellt. 100 zufällig ausgewählte Flächen waren untersucht worden: "Die Ergebnisse ... legen nahe, dass die Kontrollen von Ausgleichs- und Ersatzflächen durch die dafür zuständigen Stellen vor Ort systematischer durchgeführt werden müssen." Man hatte festgestellt, dass 26% der Maßnahmen gar nicht umgesetzt worden waren und weitere 24% mit größeren Mängeln behaftet waren. Weitere 29% hatten geringe Mängel, nur 20% waren korrekt umgesetzt.

Mangelhafte Umsetzung auch in anderen Bereichen

Auch neben der Bauleitplanung werden Eingriffe nicht sachgerecht ausgeglichen:

Im Bereich der ICE-Ausbaustrecke bei Forchheim wurden sog. vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen nicht umgesetzt. Betroffen sind hier z.B. Kreuzkröte, Zauneidechse und Wiesenbrüter. Verantwortlich ist hier das Eisenbahnbundesamt. Der BN hatte dies Ende November 2017 öffentlich gemacht.

Auch neue Steinbrüche unterliegen der Pflicht zum Ausgleich. Der BN hatte bereits im Juli 2016 nachgewiesen, dass die festgesetzten Maßnahmen für einen 30 Hektar großen Kalksteinbruch bei Rothenstein (Lkr. WUG) nicht umgesetzt worden waren.

Für Rückfragen:

Tom Konopka, Regionalreferent, Telefon 0911 81878-24
tom.konopka@bund-naturschutz.de