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Geplanter Gipsabbau am NSG Sieben Buckel, Markt Nordheim: Tricks von KNAUF beim Genehmigungsantrag

Urteil im Klageverfahren steht unmittelbar bevor

04.09.2002

Die Fa. KNAUF möchte 40 Meter neben dem bestehenden Naturschutzgebiet "Sieben Buckel und Gipshöhle Höllern" zwischen Markt Nordheim und Herbolzheim im Landkreis Neustadt/Aisch-Bad Windsheim 300.000 t Gips abbauen. Das Naturschutzgebiet ist überregional wegen seiner seltenen Gipssteppenvegetation und -fauna und der größten bayerischen Gipshöhle bekannt und folgerichtig vom Freistaat Bayern als europäisches Schutzgebiet gemeldet worden.

Der Bund Naturschutz sieht den Bestand des Schutzgebietes bedroht. Damit würden nicht nur die berühmten gelbblühenden Frühlings-Adonisröschen und viele seltene Tierarten wie der Erd-Bock im Naturschutzgebiet gefährdet, auch ein Einsturz der als bedeutendes Fledermausquartier bekannten riesigen Gipshöhle Höllern durch Sprengungen in unmittelbarer Nähe wäre wahrscheinlich. Beeinträchtigungen der nur wenige hundert Quadratmeter (!) großen Gipssteppen durch Staubeinträge und Grundwasserabsenkungen sind nicht auszuschließen. Alle bisherigen Anstrengungen des BN - seit den 60er Jahren Eigentümer angrenzender Naturschutzflächen -zum Schutz und der Förderung der Naturkostbarkeiten wären in Frage gestellt.

Aus diesem Grund hat der BN gegen die Abbaugenehmigung durch das Bergamt Nordbayern bereits Ende 2001 Klage eingelegt. Nach Auskunft des zuständigen Verwaltungsgerichtes Ansbach ist mit einer Urteilsverkündung in Kürze zu rechnen.

Im Zuge der Auseinandersetzungen hat der Bund Naturschutz eine Reihe von Gutachten zur Gefährdungssituation von renommierten Büros erstellen lassen und dem Gericht zugeleitet.

Als wichtigstes Ergebnis dürften die Grundwasserstandsmessungen des geowissenschaftlichen Büros Dr. Heimbucher GMBH, Nürnberg, gelten. Messungen mittels dreier extra abgeteufter Pegel im Frühjahr und Sommer 2002 ergaben, dass die vom Gipskonzern KNAUF im bergrechtlichen Genehmigungsverfahren behauptete Grundwassersituation, nach der beim Gipsabbau kein Grundwasser angeschnitten würde, nicht zu halten ist. Tatsächlich steht das Grundwasser wesentlich höher und würde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durch die Sprengungen offengelegt. Offenbar wurde hier bei den Angaben über die Grundwasserabstände durch die Fa. KNAUF getrickst, um ein einfaches Genehmigungsverfahren nach Bergrecht zu bekommen. Im anderen Fall wäre ein Planfeststellungsverfahren nach Wasserrecht nötig gewesen. Dies hat Konsequenzen bis zu den Fragen, die bei einem Klageverfahren zu verhandeln sind. Die Schutzbehauptung der Fa. KNAUF, das Frühjahr 2002 sei sehr nass gewesen, sind durch die langjährigen monatlichen Niederschlagsaufzeichnungen des Marktes Nordheim widerlegt.

Das Bergamt Nordbayern verlässt sich dagegen auf "... langjährige Erkenntnisse und Erfahrungen" der Fa. KNAUF. Die staatliche Behörde muss sich zumindest den Vorwurf gefallen lassen, hier nicht genau genug geprüft zu haben, sondern die jahrelange enge Zusammenarbeit mit dem Gipskonzern über alle vorgebrachten Bedenken gestellt zu haben. Tatsache ist jedoch, dass ein bestehender Gipssteinbruch im gleichen Abbaufeld bei Markt Nordheim im Frühjahr unter Wasser stand und der Abbau zeitweilig eingestellt werden musste.

Damit lässt sich die zentrale Behauptung der Fa. KNAUF und des Bergamtes Nordbayern, das Grundwasser und damit das gesamte Wasserregime der Höhle und des Naturschutzgebietes seien nicht betroffen, nicht mehr aufrechterhalten.

Der Gipskonzern berief sich bei seinem Antrag auf bergrechtliche Genehmigung ausgerechnet auf den Naturschutz! Durch den Gipsabbau sollen offene Gipsböden zur Förderung der speziell angepassten Gipssteppenvegetation geschaffen werden, meint KNAUF und beruft sich dabei auf Unterstützung durch Fachleute aus dem Naturschutz. Tatsache ist, dass sich nicht nur der Bund Naturschutz gegen den Gipsabbau stemmen, sondern auch die Naturhistorische Gesellschaft Nürnberg, deren Abteilung Höhlen- und Karstkunde bereits vor vielen Jahren Kartierungen der Höhle vornahm. Auch ausgewiesene Fachleute der Vegetationskunde wie Prof. Dr. Werner Nezadal, Arbeitsgruppe Geobotanik der Universität Erlangen oder Dipl. Biol. Michael Bushart vom Institut für Vegetationskunde und Landschaftsökologie (Röttenbach), das seit Jahren Dauerbeobachtungsflächen im Naturschutzgebiet betreut, sprechen sich gegen das Vorhaben aus. Die ZoologInnen, die in den letzten Jahren Untersuchungen an den Sieben Buckeln vornahmen, Dr. Doris Heimbucher und der Vertreter der nordbayerischen Koordinationsstelle Fledermausschutz der Universität Erlangen, Dipl. Biol. Matthias Hammer, lehnen das Projekt von KNAUF ebenfalls aus fachlichen Gründen ab.

Der BN hat seit 1994 auf einem Acker mit Hilfe des Landratsamtes vorexerziert, wie die nur noch auf winzigkleiner Fläche vorkommende Trockenvegetation wieder vergrößert werden kann. Ein benachbarter Acker wurde angekauft, der Oberboden teilweise abgeschoben. Die Höhle und die typisch gewellte Landschaft blieben erhalten.

Durch die Fa. KNAUF würde eine grundsätzlich sinnvolle Naturschutzarbeit auf den Kopf gestellt. Angesichts der im Regionalplan bereits ausgewiesenen 2.200 ha Vorrangflächen für Gipsabbau in West-Mittelfranken besteht derzeit keine Not für KNAUF, Gips abzubauen. Hier in Markt Nordheim soll unter dem Deckmantel des Naturschutzes der ungezügelte Abbau in geschützten und europaweit bedeutenden Gebieten durchgesetzt werden. Ein absoluter Präzedenzfall. KNAUF will durch sein Schau-Projekt die bereits unter Schutz stehenden großen Gipssteppen im Südharz für den Abbau freibekommen. Der Konzern hat dort bereits große Flächen gekauft, erhält aber keine Genehmigung zum Abbau.

Derzeit kann der Bedarf nach Gips für Bauzwecke vollständig durch Gips aus der Rauchgasentschwefelung großer Kraftwerke gedeckt werden. An Kraftwerken in den neuen Bundesländern befinden sich derzeit riesige Halden sog. REA-Gips.

Der Bund Naturschutz hat in einem Schreiben an die Regierung Mittelfranken und das Bergamt Nordbayern angeboten, die Fläche als Erweiterung für das Naturschutzgebiet "Sieben Buckel" anzukaufen und damit der Nachwelt ein besonderes Kleinod zu sichern.

Der Bund Naturschutz bittet das Verwaltungsgericht Ansbach um eine Entscheidung zugunsten unverfälschter Natur und gegen den Gipsabbau am Naturschutzgebiet. Die Fa. KNAUF wird aufgefordert, das Vorhaben an dieser Stelle fallen zu lassen und in ausgebeuteten, nicht umstrittenen Gipsbrüchen durchzuführen und die vorgesehene Fläche dem Naturschutz zur Verfügung stellen.
"Hauptbetriebsplan für die Gewinnung von Calciumsulfat im Tagebau ,Markt Nordheim', Abbaubereich ,Markt Nordheim-Südost' in der Gemarkung Markt Nordheim, Gemeinde Markt Nordheim, Landkreis Neustadt a.d. Aisch-Bad Windsheim". Unter diesem etwas sperrigen Titel hat die Firma Gebr. Knauf Westdeutsche Gipswerke, Iphofen, im Januar 2000 einen Antrag auf Genehmigung eines Gipsbruches an das Bergamt Nordbayern mit Sitz in Bayreuth gerichtet. KNAUF baut nach eigenen Angaben Kalziumsulfatlagerstätten (= Gips) in den Landkreisen Kitzingen, Neustadt/A.-Bad Windsheim, Schweinfurt und Neustadt /Saale sowie in anderen Bundesländern und im Ausland ab.

Auf einer Fläche von 11,5 ha sollen nach dem Antrag 5,4 ha Gipslagerstätten ausgebeutet werden. Dafür sind Sprengarbeiten nötig. Die Fa. KNAUF rechnet mit der Gewinnung von 300.000 t Gipsgestein und einer Abbaudauer von zwei bis drei Jahren.

Nach dem Abbau soll der Steinbruch für die Entwicklung von Gipssteppen belassen bleiben, auf Nebenflächen sollen Maßnahmen zur Verbesserung durchgeführt werden.

Das Gelände liegt außerhalb eines Vorranggebietes nach dem Regionalplan Westmittelfranken. Es war bis 1995 Teil einer Vorrangfläche für Gips- und Anhydritgewinnung ("G6"). Im gültigen Regionalplan ist die Fläche jedoch herausgenommen worden, um das Naturschutzgebiet "Sieben Buckel und Gipshöhle Höllern" erweitern zu können. Im Anhörungsverfahren 1995 hatten sich das Landratsamt Neustadt/A.-Bad Windsheim, das Bay. Landesamt für Umweltschutz, die Regierung von Mittelfranken und der BN für die Herausnahme eingesetzt. Die Herausnahme wurde vom Regionalen Planungsausschuss beschlossen und ist am 16.09.98 rechtskräftig geworden.

Derzeit sind in Westmittelfranken ca. 2.200 ha Vorranggebiete und ca. 10.000 ha Vorbehaltsgebiete für Gips/Anhydritgewinnung ausgewiesen. Der Bund Naturschutz hat in allen Verfahren die Ausweisung dieser enormen Fläche kritisiert und einen sparsameren Umgang mit den endlichen Ressourcen gefordert.

Gipshügel und die darauf wachsenden Gipssteppen sind Relikte einer vergangenen Landschaft: Nachdem sich die Eismassen der letzten Eiszeit zurückgezogen hatten, konnten sich in der offenen Landschaft vor etwa 10.000 Jahren wärmeliebende Pflanzen und Tiere in Mitteleuropa ausbreiten. Ihre Heimat waren die Steppen Osteuropas und Asiens. Als das Klima später wieder gemässigter wurde, verschwanden die Steppen bis auf kleine Reste.

Die typischen Trockenrasen, Filetstücke des Naturschutzes in Nordbayern, zeichnen sich durch eine Vielzahl extrem gefährdeter Arten aus, z.B. das gelbblühende Frühlings-Adonisröschen, das Federgras, die Purpur-Schwarzwurzel. Heide-Grashüpfer oder der Erdbock sind hier zu Hause.

ErdbockFoto: Erdbock (J.Schmidl, Juni 2002)

In Nordbayern sind die vier Gipshügelgebiete bei Markt Nordheim und Külsheim solche Sonderstandorte und in Mittelfranken einzigartig. Im Windsheimer Becken herrschen klimatisch günstige Bedingungen für die Steppen. Es sind nur noch winzige Flächen: Der "Külsheimer Gipshügel", der "Külsheimer Hirtenhügel", der "Häfringsberg" bei Wüstphül und die "Sieben Buckel" bei Markt Nordheim.

Der Naturschutz bemüht sich bereits seit seinem Aufkommen zu Beginn des 20. Jahrhunderts um diese Kleinode der Natur: Um die Gipshügel vor drohenden Veränderungen zu bewahren, kaufte die jetzige Naturhistorische Gesellschaft Nürnberg bereits 1905 den Külsheimer Gipshügel. Der BN setzte diese Tradition fort und erwarb seit 1960 mit Spendengeldern und Mitgliedsbeiträgen insgesamt 3,6 Hektar der Sieben Buckel. Mittlerweile sind die Gebiete als Naturschutzgebiete ausgewiesen.

Weil durch Nährstoffeinträge über den Regen und die unmittelbar benachbarte Landwirtschaft Veränderungen in der Vegetation festzustellen sind, müssen die Gipshügel regelmäßig gepflegt -beweidet oder gemäht - werden. Um die Flächen etwas zu vergrößern, sollen benachbarte Äcker aufgelassen und der gedüngte Oberboden abgeschoben werden. Eine Maßnahme, die erfolgreich bei Markt Nordheim ausprobiert wurde.

Während über die Zielsetzungen unter ExpertInnen der Vegetationskunde Einigkeit besteht, gibt es seit Jahren einen Gutachterstreit über die besten Wege. Die Fa. KNAUF hat sich dies zunutze gemacht. "Gipsabbau mit der Natur" heißt ihr Konzept, mit dem ehemalige Steinbrüche renaturiert werden sollen. Was für den genehmigten Gipsabbau in Vorranggebieten sinnvoll sein kann, darf aber nicht zur Durchsetzung des Gipsabbaues außerhalb der Vorranggebiete führen. Zumal hier durch die einseitige Betrachtung der Steppenvegetation die anderen Schutzgüter Tierwelt, Landschaftsbild und Gipshöhle bedroht würden.

Der Bund Naturschutz hat in seiner Stellungnahme als anerkannter Naturschutzverband nach §29 BNatSchG und betroffener Grundstückseigner eigens Gutachten erstellen lassen, die eindeutig belegen, dass die Gipssteppen auf Dauer (!) besser erhalten werden können, wenn das natürliche Relief und v.a. der Gips in seiner sowieso nur geringen Mächtigkeit (max. sieben Meter) erhalten bleibt. Eine nach dem Gipsabbau durch KNAUF zurückgelassene dünne Gipsschicht am Boden des Steinbruches wäre in einigen Jahrzehnten verwittert, Dolineneinbrüche blieben aus, das Ende wäre besiegelt.

Die Gutachter empfehlen, statt des Gipsabbaues lediglich das Abschieben des Oberbodens in einigen Teilbereichen. Dies wäre auch über Mittel der Landschaftspflege finanzierbar, der nach und nach gewonnene Boden könnte zur Verbesserung der Landwirtschaft sinnvoll verwendet werden.

Darüber hinaus handelt es sich bei der Gipshöhle Höllern um eine "nicht touristisch erschlossene Höhle", die nach EU-Recht unter Schutz steht (FFH-Gebiet!). Ein Gutachten im Auftrag des BN zeigt, dass eine Zerstörung der Höhle durch die Sprengungen und eine Änderung des Wasserregimes nicht auszuschließen sind.

Die Gipshügel Sieben Buckel sind zudem steinerne Zeugen der Erdentwicklung. Erst am 09. März 2000 unterstrich der bay. Umweltminister Werner Schnappauf die Bedeutung des Geotopschutzes: "Geotope, steinerne Zeitzeugen, eröffnen den Einblick in die Erdgeschichte. ... Der Erhalt dieser Geotope liegt daher im besonderen Interesse der Forschung, des Naturschutzes und der Menschen."

Eine Unterstützung des Bay. Naturschutzfonds vorausgesetzt, wäre der BN bereit, die zur Debatte stehenden insgesamt 11 Hektar aufzukaufen, wie er das erst Ende 1999 bei den Muggenbacher Tongruben (23 ha, 1 Mio. DM) im Landkreis Coburg zum Schutz vor Verfüllung mit Müll getan hat.



gez.

Christine Wolf-Mutzke
1. Vorsitzende der Kreisgruppe
Neustadt/A.-Bad Windsheim

Tom Konopka
Regionalreferent