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Tiere und Pflanzen

Geplantes Industriegebiet Velden-Nord nicht FFH-konform

EU-Verträglichkeitsprüfung ohne Alternativenuntersuchung

19.08.2002

Seit Ende 2001 plant die Stadt Velden (Lkr. Nürnberger Land) die Ausweisung einer Industriefläche zur Ansiedlung eines Farbpigmentwerkes der Fa. Ecka-Granulate GmbH & Co inmitten der bei Touristen beliebten Dolomitkuppenalb. Nachdem der Bund Naturschutz im März 2002 auf den Präzedenzfall eines Industriegebietes in einem vom Freistaat gemeldeten europäischen Schutzgebiet nach der Flora-, Fauna-, Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) hingewiesen hatte und die Presse darüber berichtete, musste die Stadt eine Verträglichkeitsprüfung vornehmen lassen.

Das "Gutachten zur Verträglichkeitsprüfung der Änderung des Flächennutzungsplanes und Bebauungsplans Nr. 11 "Industriegebiet Velden-Nord" durch die Stadt Velden, Landkreis Nürnberger Land, bezüglich des FFH-Gebietes 6335-306 ,Dolomitkuppenalb'" liegt seit Mitte Juli 2002 vor. Es wurde vom Büro Dipl. Ing. Franz-Josef Kreuß im Auftrag der Stadt Velden erstellt und den im Baurechtsverfahren beteiligten Behörden und anerkannten Naturschutzverbänden wie BN und FAV zur Stellungnahme zugeleitet. Es kommt zu dem Ergebnis, der Eingriff in das gemeldete FFH-Gebiet sei nicht erheblich und der Bau damit unproblematisch.

Die intensive Prüfung durch Fachleute des fränkischen Albvereins und des Bundes Naturschutz ergab, dass hier neben wissenschaftlichen auch gravierende formale Fehler gemacht wurden. Die Vernichtung von Kalk-Trockenrasen stellt keineswegs nur einen "unerheblichen Verlust" dar, wenn man bedenkt, dass solche Lebensräume bayernweit auf ein Minimum zusammengeschrumpft sind und zu Recht nach dem Bay. Naturschutzgesetz geschützt sind. Die besonders gefährdeten und für die Einstufung als FFH-Gebiet wichtigen Schlingnattern wurden z.B. vom Gutachterbüro im Frühjahr gesucht, obwohl sie erst im August gut zu beobachten sind. Die für die Bewertung wichtigen Orchideen wurden z.B. gar nicht untersucht. Die Verbände widersprechen deshalb der Bewertung des Industriegebietes als unerheblich und fordern Landrat Reich auf, den Bebauungsplan zu beanstanden. Das Gutachten enthält entsprechend der Bewertung des Eingriffes als "unerheblich" auch keinerlei Alternativenprüfung. Art. 6, Abs. 4 der FFH-Richtlinie schreibt eine solche bei erheblichen Eingriffen zwingend vor. Die Verbände fordern entsprechend ihrer Bewertung die Durchführung einer Alternativenprüfung im Auftrag der Stadt Velden.

Da solche Gutachten nicht ohne Rückkoppelung mit den staatlichen Behörden erstellt werden, befürchten die Verbände, dass mit dem FFH-Verträglichkeitsgutachten offensichtlich Minimalstandards für den Umgang mit dem europäischen Schutzgebietsnetz Natura 2000 festgeschrieben werden sollen. Der Bund Naturschutz warnt seit einem Jahr vor dieser Entwicklung.

Damit würde sich der Trend des Freistaates Bayern bei der Umsetzung der FFH-Richtlinie fortsetzen: Nachdem man jahrelang die Umsetzung
blockierte und erst nach Einleitung eines Verfahrens vor dem EU-Gerichtshof durch die EU-Kommission im Jahr 2000 mit dem sog. Dialogverfahren versuchte, die Landwirte gegen den Naturschutz zu mobilisieren, wird nun der nicht mehr vermeidbare Vollzug torpediert.

FAV und BN fordern deshalb von der Regierung von Mittelfranken eine Prüfung des Gutachtens und die Weisung zur Durchführung der Alternativenprüfung z.B. bei einer Ansiedlung im Industriegebiet Hartenstein.

Mit einer Petition im Bayerischen Landtag wird der BN das Vorhaben nochmals prüfen lassen.

Der Bund Naturschutz appelliert nochmals an die Stadt Velden, die Pläne für eine Industrieansiedlung auf der Hochfläche nicht weiterzuverfolgen, sondern die Möglichkeiten des Agrarstrukturellen Entwicklungs-programmes im Rahmen der Kommunalen Allianz zu nutzen. Dieses Programm wird bekanntlich durch die EU mit LEADER+ - Mitteln gefördert und sieht u.a. die Ausweisung interkommunaler Gewerbegebiete vor, um "weitere Arbeitsplätze ... im Einklang mit dem Leitbild ,Gesundheitsregion Hersbrucker Land' zu schaffen".

Erst kürzlich hat Innenminister Beckstein in Feucht (Lkr. Nürnberger Land) dem Flächenverbrauch den Kampf angesagt und von den Kommunen die Schaffung interkommunaler Industrie- und Gewerbegebiete statt konkurrierender Ausweisungen allerorten gefordert.

Die Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie), kurz FFH-Richtlinie sieht die Bildung eines zusammenhängenden europäischen ökologischen Netzes von besonderen Schutzgebieten mit der Bezeichnung Natura 2000 vor. Die Bay. Staatsregierung hat Teile der Dolomitkuppenalb bereits als FFH-Gebietsvorschlag "Dolomitkuppenalb" in ihre Vorschlagsliste aufgenommen und mittlerweile auch an die EU-Kommission gemeldet.

Für FFH-Gebiete gelten besondere Schutzbestimmungen, v.a. ein Verschlechterungsverbot (Art. 6 Abs. 2 FFH-Richtlinie). Bei Planungen und Projekten ist nach Art. 6 Abs. 3 FFH-Richtlinie eine Prüfung auf Verträglichkeit mit den für das Gebiet festgelegten Erhaltungszielen und die Suche nach Alternativen verpflichtend. Pläne und Projekte können nur unter bestimmten, in der Richtlinie genannten Bedingungen, durchgeführt werden.

In ausführlichen Stellungnahmen hatten sich der FAV und der BN bereits im April 2002 entschieden gegen die Ausweisung des geplanten "In-dustriegebietes Velden-Nord" durch die Stadt Velden und die Ansiedlung einer Metallschmelze in der Dolomitkuppenalb ausgesprochen.

Sie haben dabei u.a. auf die Vorgaben und Ziele der übergeordneten Planung verwiesen, welche sämtlich die besondere Bedeutung des betroffenen Gebietes für Natur- und Landschaftsschutz unterstreichen. Des weiteren haben sie auch die Untersuchung von Alternativen gefordert. In der Stadtratssitzung am 17.04.02 hat die Stadt beschlossen, die Kritikpunkte abzuweisen und Alternativen nicht weiter zu untersuchen.

Bei der Dolomitkuppenalb handelt es sich um schönste Bereiche der Fränkischen Schweiz. Der besondere Reiz liegt in den lichten Kiefernwäldern, artenreiche und seltene Lebensgemeinschaften, die Touristen durch ihre eingestreuten Magerrasen, Wacholderbestände und trockene Waldränder beeindrucken. Allein vierzehn verschiedene Orchideenarten kommen in der Dolomitkuppenalb vor.

Das ca. sechs Hektar große Industriegebiet soll nördlich von Velden inmitten von Äckern, Magerrasen und lichten Kiefernwäldern entstehen und der Firma Ecka-Granulate, einer Abspaltung der Eckart-Werke aus dem benachbarten Güntersthal (Gde. Hartenstein) Platz für eine Metallschmelze schaffen. Die Fläche liegt auf einer Hochterrasse. die vorgesehenen 16 m hohen und mehr als 50 m langen Baukörper würden bis zum Ossingerberg hinüber sichtbar sein!

Täglich werden in Deutschland 129 ha Wald, Acker und Wiese überbaut. Alleine in Bayern gehen pro Tag 28 ha (40 Fußballfelder) für neue Bau- und Gewerbegebiete sowie Straßenbauprojekte verloren.

Bayern ist mit der Ausweisung von Wohn-, Gewerbe- und Verkehrsflächen derzeit Spitzenreiter in Deutschland. Die Landschaft wird zersiedelt und verschandelt, der Boden täglich mehr zubetoniert. Bayern verliert sein Gesicht und mit der Zerstörung der landwirtschaftlichen Flächen ein Potential für nachhaltig umweltverträgliche Entwicklung. Mit der kommunalen Konkurrenz bei der Flächenausweisung sind Fehlinvestitionen und weitere kommunale Verschuldung vorprogrammiert.


gez.
Tom Konopka
BN-Regionalreferent

gez.
Christiane Matern
1. Vorsitzende der BN-Kreisgruppe Nürnberger Land

gez.
Claus Bößenecker
2. Hauptvorsitzender Fränkischer Albverein