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Keine weitere „Vermaisung“ der Landschaft für Biogasanlagen im internationalen Jahr der biologischen Vielfalt

Bund Naturschutz (BN) warnt vor Folgeschäden durch zunehmenden Maisintensivanbau im Landkreis Rottal-Inn und fordert Änderungen beim Erneuerbare Energien Gesetz (EEG)

03.08.2010

Bayern ist mit einem Anteil von etwa einem Drittel aller landwirtschaftlichen Biogasanlagen Spitzenreiter in Deutschland. Bei Umweltschützern stoßen die Planung und der Betrieb neuer Biogasanlagen jedoch auf immer weniger Gegenliebe. Denn die Biogaserzeugung erfolgt zu mehr als 60 Prozent auf der Basis von Mais. In der Umgebung der Anlagen können es bis zu 100 Prozent werden. Das Landschaftsbild wird monoton, die Biodiversität geht zurück und es drohen Folgeschäden für Gewässer, Trinkwasser und Böden.


Richard Mergner, BN Landesbeauftragter: „Maismonokulturen dürfen nicht länger mit Steuergeldern unterstützt werden. Der Bund Naturschutz fordert daher eine verbesserte Förderung für ohnehin anfallende Reststoffe, zum Beispiel aus der Landschaftspflege, Vorschriften für die Fruchtartenvielfalt auf den Äckern und die Entwicklung einer verbesserten Verwertungstechnik für Biogaserzeugung aus Landschaftspflegegut“. Die regenerative Energieerzeugung mittels Biogas hat aber noch weitere Schattenseiten. „Futterbaubetriebe kommen regional stark unter Druck, da Biogasbetreiber meist höhere Pachtpreise zahlen können als die ohnehin von Preisrückgängen betroffenen Milcherzeuger“, so Mergner. Zudem besteht die Gefahr, dass der Einsatz gefährlicher Pestizide zunimmt und nachwachsende Rohstoffe für Biogasanlagen zum Einfallstor der Gentechnik werden, wie der aktuelle Genmais-Skandal zeigte.


Mit der Förderung von Biogasanlagen durch das EEG kam es auch im Landkreis Rottal-Inn zu einem Boom bei dieser Energieerzeugung und, damit verbunden, zu einer massiven Zunahme beim Maisanbau. „Neben den grundsätzlichen negativen Auswirkungen des Intensivmaisanbaus für Natur und Landschaft, sind davon sogar potentielle Auenstandorte am Inn betroffen“, erklärte Matthias Schmöller, der Vorsitzende der BN Kreisgruppe. „Der Mais frisst sich immer mehr in Gebiete hinein in denen solche Monokulturen nichts zu suchen haben“, betonte Schmöller. Die ökologischen Aspekte müssen deshalb auch beim Anbau von Energiepflanzen stärker berücksichtigt werden als bisher, beispielsweise bei der Fruchtfolge, standortangepassten Anbausystemen oder hinsichtlich der Wirkungen auf die Biodiversität. Schmöller stellte aber auch klar: „Die Landwirte sind unsere wichtigsten Partner im Naturschutz. Es geht nicht gegen sie, sondern nur mit Ihnen“.


Um einen Beitrag zur Verhinderung des Maisanbaus in naturschutzfachlich wertvollen Gebieten zu leisten, hat die BN-Ortsgruppe Simbach, vor vier Jahren einen Maisacker direkt am Inn bei Kirchdorf erworben. „Auf der renaturierten Fläche kommen inzwischen wieder viele typische Arten der Brennenstandorte in Auwäldern vor“, erklärte Marianne Watzenberger, die Geschäftstellenleiterin der Kreisgruppe und Ortsguppenvorsitzende von Simbach. Darunter sogar eine Schmetterlingsart der Bläulinge , die laut Walter Sage, dem Artenschutzreferent der Kreisgruppe, hier zum ersten mal für den Landkreis nachgewiesen werden konnte.


Bereits 2004 hatte der BN vor den Auswirkungen der hohen Vergütung im EEG für Nachwachsende Rohstoffe gewarnt. Die befürchtete Intensivierung der landwirtschaftlichen Produktion bis über die gesetzlich erlaubten Grenzen hinaus hat sich leider bewahrheitet. Der verstärkte Anbau des humuszehrenden und erosionsanfälligen Maisanbaus in unmittelbarer Umgebung der Biogasanlagen führt zu erheblichen Folgeschäden für Boden, Grundwasser und Artenvielfalt. Häufige Fahrten zur Beschickung der Biogasanlagen, zunehemend auch aus weiter Entfernung, sowie zur Ausbringung der vergorenen Rückstände als Biogasgülle stören Anwohner und belasten den Straßenverkehr.


Auch eine verstärkte Umwandlung von Wiesen in Ackerland  ist zu beobachten. Vermehrte Biogaserzeugung ist eine der Ursachen für dieser aus Sicht des Umwelt- und Klimaschutzes bedenklichen Verluste. So zeigte eine Auswertung des bayerischen Landwirtschaftsministeriums von 2008, dass in sensiblen Überschwemmungsgebieten in Bayern zwischen 2005 und 2008 über 600 ha Wiesen umgebrochen wurden, davon mehr als die Hälfte im Jahr 2008. In FFH-Gebieten wurden im gleichen Zeitraum weitere knapp 1.000 Hektar Wiesen umgebrochen, dazu noch 740 Hektar wertvoller Wiesen in Vogelschutzgebieten.

Biogas-Boom im Landkreis Rottal-Inn

Nach Angaben des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Pfarrkirchen sind im Landkreis Rottal-Inn derzeit 89 Biogasanlagen mit einer Durchschnittsleistung von 266 kWh in Betrieb oder in Bau. Damit können, bei einem Verbrauch von 4.500 kWh pro Jahr, 42.000 Vier-Personen-Haushalte versorgt werden. Dies entspricht lauf  AELF einer 140 prozentigen Versorgung der Landkreisbevölkerung (118.157 Einwohner, Stand: 31.12.2009). Rottal-Inn nimmt damit eine Spitzenposition im Vergleich der bayerischen Landkreise ein. Die „Futterfläche“ aller Biogasanlagen im Landkreis umfasst 9.750 Hektar. Dies sind 12,8 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche im Landkreis und die Hauptfutterpflanze ist Energiemais.

Projekt „Seibersdorfer Brenne“ – kein Maisanbau in der Innaue!

Wegen den vielfältigen negativen Auswirkungen auf den Naturhaushalt, muss der Maisanbau in ökologisch sensiblen Gebieten tabu sein. Hierzu gehören beispielsweise Flussauen. Auch aus diesem Grund hat die BN-Ortsgruppe Simbach bereits vor vier Jahren einen Maisacker erworben, der sich unmittelbar am Inn in der Gemeinde Kirchdorf befand. Das Grundstück umfasst einen Hektar und liegt neben einer noch erhaltenen „Brenne“. Dieser naturschutzfachlich hochwertige Bereich konnte dadurch fast verdoppelt werden. Der ehemalige Maisacker wurde in enger Zusammenarbeit mit der Unteren Naturschutzbehörde und deren Hilfe renaturiert. Als typische Auenbiotope wurden außerdem zwei flache Tümpel angelegt, die bei sinkendem Grundwasserspiegel austrocknen oder bei starkem Frost durchfrieren können. Schon nach kurzer Zeit haben sich auf der Fläche Neuntöter, Gelbbauchunken und das Helmknabenkraut wieder angesiedelt und ein besonderes Highlight war hier der Erstnachweis des Kurzschwänzigen Bläulings, einer stark gefährdeten Schmetterlingsart, für den Landkreis.

Weitere Risiken: Pestizideinsatz und Gentechnik

In den letzten Jahren häuften sich Berichte über Bienensterben in Folge des Pestizideinsatzes beim Maisanbau. Im Frühjahr dieses Jahres war dennoch das umstrittene Beizmittel „Santana“  mit dem Wirkstoff Chlothianidin, einem Nervengift, mit einer befristeten Ausnahmeregelung für insgesamt 2.400 Hektar Mais in Bayern zugelassen worden. In Niederbayern waren es rund 900 Hektar, davon 72 im Landreis Rottal-Inn. Der Drahtwurmbefall, der mit dem Beizmittel im Mais bekämpft werden soll, steht in klarem Zusammenhang mit der Umwandlung von Wiesen in Maisäcker. Clothianidin führt bei Bienen und Insekten aller Art schon in geringsten Mengen zum Tod und war 2008 für das katastrophale Bienensterben in Baden Württemberg und Teilen Bayerns verantwortlich.


Als weiteres Problem sieht der BN die schleichende Verunreinigung der Felder mit gentechnisch veränderten Pflanzen über das Saatgut, insbesondere bei nachwachsenden Rohstoffen. Der aktuelle Verunreinigungsskandal  von Biogasmais mit dem gentechnisch veränderten Mais NK 603 der Firma Pioneer war ein Wiederholungsfall, der 2009 ebenfalls auftrat und von dem 170 ha Hektar Mais in Baden Württemberg betroffen waren. „Die diesjährigen Saatgutverunreinigungen mit nicht zugelassenem Genmais machen erneut deutlich, dass der Energiemais ein gefährliches Einfallstor für die Gentechnik ist“, erklärte Kurt Schmid, BN-Regionalreferent für Niederbayern. In Bayern wurde das verschmutzte Saatgut auf rund 800 Hektar ausgebracht und knapp 100 Landwirte mussten ihre verunreinigten Maisbestände im Juni wieder unterpflügen, weil der Anbau von NK 603 verboten ist. Der Schadenersatz für die betroffenen Landwirte ist jedoch bis heute noch nicht geklärt. Der BN hatte von Anfang an gefordert, dass dafür die Herstellerfirma Pioneer aufkommen muss und den Bauern, die nichts von diesen Verunreinigungen wissen konnten, alle entstandenen Schäden und Kosten unbürokratisch erstattet werden.
Angesichts der erneuten gentechnischen Verunreinigungen liegt nach Ansicht des BN auch die Vermutung nahe, dass Gentechnikkonzerne absichtlich Vermischungen riskieren, um die Grenzwertdiskussion bei Saatgut zu führen. Das Reinheitsgebot beim Saatgut darf jedoch keinesfalls aufgeweicht werden und die staatlichen Kontrollen auf gentechnische Verunreinigungen im Saatgut müssen erhöht werden.  

BN Forderungen zum Erneuerbare Energien Gesetz, EEG:

  • Die Vergütung für Nachwachsende Rohstoffe muss mit Fruchtfolgeauflagen versehen werden, die den Maisanbau auf ein Drittel der eingesetzten Biomasse beschränkt. Weiterhin müssen Kriterien zur Förderung der Artenvielfalt, z.B. ein  Blühangebot für die Wildinsekten und Bienen, aufgenommen werden.
  • Der Anbau von Mais und Getreidemischungen zur Biogasproduktion auf Äckern, die vorher Wiesen waren, muss aus der Förderung im EEG ausgeschlossen werden.
  • Der Bonus für die Verwertung von Landschaftspflegematerial darf nicht für Mais ausbezahlt werden.
  • Die Verwertung von Landschaftspflegematerial in Biogasanlagen muss durch die Absenkung des vorgeschriebenen Prozentsatzes von 50 auf 30% Anteil erleichtert werden.


Für Rückfragen:
Kurt Schmid
BN Regionalreferent für Niederbayern
Tel.: 089/548298-88 oder -63
kurt.schmid@bund-naturschutz.de

Anlage:

Biogasanlagen in Deutschland und Bayern Zahlen und Fakten


Seit dem 1. April 2000, als das „Erneuerbare Energien Gesetz“ (EEG) in Kraft trat, hat die Vergärung von sog „Nachwachsenden Rohstoffen“ in Biogasanlagen kontinuierlich zugenommen. Bei der Novellierung 2008 wurde die Vergütung für „Nawaros“ weiter erhöht, ein Gülle- und ein Landschaftspflegebonus zusätzlich eingeführt.


Gemäß Pressemitteilung der bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft, Institut für Agrarökonomie, vom 15.4.2010 liegt Bayern bei der Stromerzeugung aus Biogas im Bundesvergleich mit 1.700 Anlagen und einer installierten Leistung von 424 Megawatt MW in der Spitzengruppe.


Die bayerischen Anlagen produzieren mit 3,4 Milliarden Kilowattstunden Strom 3,6 Prozent des bayerischen Bruttostromverbrauchs. Rein rechnerisch reiche dies aus, den Strombedarf jedes siebten Privathaushalts in Bayern zu decken, so die LfL. Rund 300 Anlagen mit einer Leistung von ungefähr 100 MWel wurden in den vergangenen zwei Jahren in Bayern neu errichtet. Das in der Region getätigte Investitionsvolumen im Anlagenbau wird auf mehr als 300 Mio. Euro geschätzt.


Nach Angaben der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR) waren vor Inkrafttreten des EEG im Jahr 1999 bundesweit insgesamt 850 Anlagen mit einer installierten elektrischen Leistung von etwa 49 MW in Betrieb. Im Jahr 2009 gab es bundesweit 4.780 Anlagen  mit 1600 MW elektrischer Leistung.