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Sündenbock Naturschutz: falsche Konzepte gegen den Flächenverbrauch

Bund Naturschutz appelliert an Bauernverband und Landwirt-schaftsministerium, gemeinsam die Ursachen des Flächen-verbrauchs anzugehen

15.09.2011

Das Bayerische Landwirtschaftsministerium und der Bayerische Bauernverband wollen bei Landschaftseingriffen seit Jahrzehnten geltendes Naturschutzrecht ändern. Dazu der Vorsitzende des Bund Naturschutz (BN), Hubert Weiger: „Wer zum Verzicht auf Biotopneuanlagen aufruft und stattdessen Ersatzgeldzahlungen und sogenannte „produktionsintegrierte Maßnahmen“ fordert, ändert gar nichts am Grundproblem des Flächenverbrauches. Im Gegenteil: er erleichtert sogar die Genehmigung von Eingriffen. Und er schafft sich zudem neue Probleme durch eine permanente weitere Verschlechterung der Natur, von der auch die Landwirte leben.“

Seit 1973 gilt im Bayerischen Naturschutzgesetz, dass für Eingriffe in Natur und Landschaft durch z.B. Straßen oder Gewerbegebiete ein Schadensausgleich insbesondere durch Neuanlage von Biotopen zu leisten ist. Obwohl davon die Landwirtschaft wenig betroffen ist (nur 0,1 % der Landesfläche) hat der Bayerische Bauernverband (BBV) nun eine Kampagne dagegen gestartet. In der Zielsetzung wird er dabei vom Bayerischen Landwirtschaftsministerium unterstützt, das eine entsprechende Anhörung durchführt, bei der der BN jetzt Stellung genommen hat. Unter dem Motto „Stopp dem Landfraß“ will der BBV landesweit keine neuen Naturschutzflächen mehr, weder Naturschutzgebiete, noch Nationalparke, noch Ausgleichsflächen. Allerdings hat er kein Problem damit, dass mittlerweile immer mehr Ackerfläche Bayerns der Lebensmittelproduktion entzogen wird für einen geradezu explodierenden Mais- und Getreideanbau für Agrargas.

Unter dem Ausgleich eines Eingriffs versteht man, dass z.B. nach Rodung einer Hecke oder Überbauung einer Feuchtwiese eine neue Hecke bzw. eine neue Feuchtwiese an benachbarter Stelle angelegt werden. Dafür werden auch landwirtschaftliche Flächen benötigt, wenn auch in einem landesweit geringen Umfang. Diese naturnahen Flächen haben gerade in der intensiv genutzten, strukturarmen Agrarlandschaft positive ökologische Funktionen für Artenschutz, Bodenschutz und Biotopverbund und damit auch für die Landwirtschaft.

Stattdessen wollen BBV und Landwirtschaftsministerium nun Geldzahlungen oder sogenannte „produktionsintegrierte Kompensationsmaßnahmen“ wie Blühstreifen in bestehenden Äckern. Den vom Eingriff verdrängten Arten hilft das nicht. „Was soll denn der Pirol, dessen Auwald durch eine Straße zerstört wird, mit einem irgendwo liegenden Acker-Blühstreifen anfangen?“ so Kai Frobel, der BN-Artenschutzreferent. Mit Ersatzzahlungen verkäme der auch in der Bayerischen Verfassung verankerte Ausgleichsgedanke zu einem Bußgeldkatalog, mit dem Investoren und Landschaftseingreifer sich freikaufen von Naturschutzverpflichtungen.

Nach den jahrzehntelangen Erfahrungen des BN mit der bayerischen Genehmigungspraxis für Landschaftszerstörungen würde der Ausgleich nur noch über Geld oder im Anbau „integrierter“ Maßnahmen dazu führen, dass Eingriffe und der galoppierende Flächenverbrauch weiter erleichtert würden. Die Hürden für den Flächenfraß würden gesenkt. Damit führen die Vorstöße von BBV und Landwirtschaftsministerium, die ja eigentlich dem Flächenverbrauch entgegenwirken wollen, zum gegenteiligen Effekt.

Jede Minute werden in Bayern über 100 Quadratmeter Boden überbaut. Mit dem Verlust von täglich über 22 Fußballfeldern bzw. 16 Hektar gehört Bayern zu den traurigen Spitzenreitern unter den Bundesländern. Vordringlich ist es daher, die Problemursache anzugehen: den ständig weiter zunehmenden Flächenverbrauch, der den Ausgleichsbedarf überhaupt erst auslöst und nicht eine Standardabsenkung im Naturschutzrecht, die weitere Flächenverbräuche nochmals erleichtern würde.

Der BN begrüßt die Zielaussage des BBV und von Landwirtschaftsminister Helmut Brunner, dass Eingriffe in Natur und Landschaft zu verringern sind und dass z.B. die Innenentwicklung von Siedlungsflächen Vorrang vor der sogenannten Außenentwicklung „auf der grünen Wiese“ haben muss. Anstatt jedoch Naturschutzflächen zum Sündenbock zu machen und die Diskussion auf Eingriffsfolgen zu verengen, hofft der BN darauf, dass künftig in den Genehmigungsverfahren nicht mehr nur der BN die Belange des Flächenverbrauchs einbringen muss. Bis heute ist es in vielen Genehmigungsverfahren oft allein der BN, der gerade bei Projekten der Verkehrsinfrastruktur gleichsam stellvertretend die Belange des Bodenschutzes und des Erhalts landwirtschaftlicher Nutzflächen vertritt.

Der BN appelliert daher sowohl an die landwirtschaftlichen Fachbehörden wie an den Bauernverband, dass sie ihr allgemeines Primat des Flächensparens nun endlich auch in den konkreten Genehmigungsverfahren, in den Gemeinderäten, Kreistagen und im Landtag umsetzen und offensiv gegen weitere Landschaftseingriffe vorgehen.

 

Für Rückfragen:

Dr. Christine Margraf, Leiterin der Fachabteilung München

Tel. 089-54829889, christine.margraf@bund-naturschutz.de

 

Dr. Kai Frobel, BN-Artenschutzreferent

Tel. 0911-81878-19, kai.frobel@bund-naturschutz.de