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Tschechisches Atomkraftwerk Temelin am Ende

EU-Parlament gefordert

24.09.2002

Tschechische, bayerische und österreichische Umweltschützer und Energieexperten diskutierten am Montag, 23.09.02, mit EU-Parlamentariern über den umstrittenen Atomreaktor Temelin, nahe der Grenze zu Deutschland und Österreich und forderten die umgehende Stillegung des Atomkraftwerks.
Bei einer Pressekonferenz am Dienstag, 24.09.02 in Straßburg, äußerten sich die Vertreter des Bundes Naturschutz in Bayern, der bayerischen und österreichischen Plattform gegen Atomgefahr und die Tschechischen Mütter, dass aus dem Parlamentarierabend wichtige Erkenntnisse gewonnen worden seien. BN Landesvorsitzender Prof. Dr. Hubert Weiger verlangte deshalb, die vom EU-Parlament beschlossene Ausstiegskonferenz endlich mit Tschechien durchzuführen.
Außerdem forderte er die neue Bundesregierung und die bayerische Staatsregierung, die vor einem halben Jahr ebenfalls die Stillegung Temelins gefordert hatte, zur finanziellen Unterstützung der Konferenz und des Ausstiegs auf.
Die ökonomischen Daten Temelins sind genauso alarmierend wie die ökologischen.


Unkalkulierbares Risiko

Bei den Inbetriebnahmeversuchen seit Oktober 2000 sind bereits über 40 Störfälle aufgetreten, darunter für die Sicherheit sehr gravierende.
Die urprünglich für Oktober 1992 geplante Inbetriebnahme musste Jahr für Jahr hinausgeschoben werden und ist auch heute noch nicht absehbar. Skandalös ist die jüngste Mitteilung der tschechischen Atombehörde, dass die international geforderten Sicherheitsnachrüstungen nicht durchgeführt werden. Der Atomreaktor in Temelin weist noch größere Risiken auf als vergleichbare Reaktoren. Nach einer Reaktorkatastrophe in Temelin wären große Teile Mitteleuropas für Jahrhunderte unbewohnbar.
Dieses Risiko kann von den Nachbarstaaten nicht hingenommen werden. Daher haben Österreich, Deutschland und sogar die ansonsten sehr atomfreundliche Bayerische Staatsregierung unisono die Stillegung Temelins gefordert.
Das Tschechische Atomkraftwerk Temelin ist ebensowenig gegen die Folgen eines SuperGAU haftpflichtversichert wie z. B. die AKWs Cattenom oder Brunsbüttel


Wirtschaftlich unnötig

Schon in den vergangenen Jahren exportierte Tschechien wachsende Strommengen nach Deutschland, inzwischen sind es 20 % der tschechischen Stromversorgung. Die aus Temelin erwarteten zusätzlichen 12 Mrd. kWh Strom werden für die tschechische Stromversorgung also gar nicht gebraucht. Der Strom muss weit unter den Herstellungskosten exportiert werden, da angesichts der hohen Überkapazitäten in Westeuropa immense Mengen an Überschussstrom den Preis drücken. Wegen dieser Situation ist Temelin ein Verlustgeschäft für den tschechischen Stromversorger CEZ und hat bereits dreimal dessen Privatisierung verhindert.
Da die tschechischen Privatkunden den Stromexport mit derzeit 150 Mio. EURO quersubventionieren müssen, würde CEZ nach dem EU-Beitritt Tschechiens massiv gegen die EU-Wettbewerbsregeln verstoßen. Temelin ist daher ein vom tschechischen Unternehmen CEZ aufgebauter Stolperstein für den EU-Beitritt.


Stromkennzeichnung und Ausstiegskonferenz

Die Umweltverbände aus Tschechien, Österreich und Deutschland begrüßten es daher sehr, dass auf Antrag der Grünen/EFA-Fraktion die Unterlagen für den EU-Beitritt durch die Forderung nach einer Ausstiegskonferenz ergänzt wurden. Bis heute wurde diese Konferenz allerdings nicht anberaumt. Die Zuspitzung der Situation in Tschechien und die zwischenzeitlich vorgenommene Aktivierung des 2. Atomreaktors in Temelin - der dieselben Sicherheitsdefizite wie der erste aufweist - macht diese Konferenz unter Beteiligung aller Seiten und Offenlegung aller aktuellen Daten besonders dringlich.
Wie in Österreich und einigen anderen Ländern üblich, soll auch in Deutschland, der Schweiz und den Niederlanden die Stromkennzeichnung eingeführt werden. Die EU wird aufgefordert, diese für den Verbraucher notwendige Informationen europaweit zur Verfügung zu stellen, denn nur so kann er die Herkunft seines Stroms beurteilen.


Nachhaltige Energiepolitik überfällig

Auch die Flutkatastrophen in Tschechien, Österreich und Deutschland erfordern eine beschleunigte Umorientierung der Energieversorgung weg von energieverschwendenden, zentralistischen Konzeptionen, hin zu mehr Energieeffizienz und Erneuerbaren Energien. Damit erhalten die von der EU auf dem Johannesburger Weltgipfel geforderten Fortschritte auch in Beitrittsländern wie Tschechien eine Chance.


Forderungen

Der Bund Naturschutz in Bayern, die Bayerische und die Österreichische Plattform gegen Atomgefahren und die Südböhmischen Mütter fordern die sofortige Stilllegung des Reaktors in Temelin. Damit können viele Folgekosten vermieden und die vom tschechischen Stromversorger CEZ aufgebauten Hindernisse zum EU Beitritt beseitigt werden.
Bund Naturschutz in Bayern, Bayerische und Österreichische Plattform und die Südböhmischen Mütter fordern das EU-Parlament auf, die geplante Stromkennzeichnung einzuführen und endlich die bereits im Juli 2001 beschlossene Ausstiegskonferenz unter Beteiligung der Tschechischen Staatsregierung sowie des Tschechischen Stromversorgers CEZ durchzuführen.
Des weiteren fordern wir die Regierungen in München, Wien und Berlin sowie die EU auf, Regelungen für den Umgang mit "stranded investments" zu treffen und namhafte Summen zur Verfügung zu stellen, die die Modernisierung der tschechischen Energieversorgung erleichtern.


gez.
Prof. Dr. Hubert Weiger
Landesvorsitzender des Bund Naturschutz in Bayern e.V., Nürnberg
gez.
Dana Kuchtova
Südböhmische Mütter gegen Atomkraft, Budweis
gez.
Mathilda Halla
Oberösterreichische Plattform gegen Atomgefahren, Linz
gez.
Bernd Scheibner
Bayerische Plattform gegen Atomgefahren, Passau


Für Rückfragen:
Bund Naturschutz Energiereferat
Tel. 00 49 - 951 - 5 19 06 09
Fax 00 49 - 951 - 5 19 06 10