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Umweltverbände informieren über die Aushebelung des Rechtsstaats durch die CSU-Landesregierung

Deutsche Umwelthilfe, Green City, BUND Naturschutz in Bayern und der Verkehrsclub Deutschland kritisieren die Aushebelung des Rechtsstaats durch die Staatsregierung: Gerichte entscheiden über das Recht, nicht die CSU - Bayerische Staatsregierung widersetzt sich seit vier Jahren einem rechtskräftigen Urteil für die „Saubere Luft“ und ignoriert die Notwendigkeit von Diesel-Fahrverboten in München.

12.10.2018

Bayerische Staatsregierung widersetzt sich seit vier Jahren einem rechtskräftigen Urteil für die „Saubere Luft“ und ignoriert die Notwendigkeit von Diesel-Fahrverboten in München – Deutsche Umwelthilfe, Green City, BUND Naturschutz in Bayern und der Verkehrsclub Deutschland informieren über die Aushebelung des Rechtsstaats durch die CSU-Landesregierung – Im Klageverfahren der Deutschen Umwelthilfe für „Saubere Luft“ in München sieht selbst der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Beugehaft gegen Spitzenpolitiker und Beamte des Freistaats, als einzig erfolgversprechendes Instrument, um in Bayern die Einhaltung von Recht und Gesetz durchzusetzen – Verbände fordern zur Landtagswahl am kommenden Sonntag: CSU muss erklären, ob sie im Falle einer Regierungsbeteiligung höchstrichterliche Urteile umsetzen wird.

München, 12.10.2018: Die Umweltvereine Deutsche Umwelthilfe (DUH), Green City, BUND Naturschutz in Bayern und der Verkehrsclub Deutschland (VCD) kritisieren in einer gemeinsamen Pressekonferenz unmittelbar vor der Landtagswahl am Sonntag, 14. Oktober 2018 die fortgesetzte Aushebelung des Rechtsstaats im Freistaat Bayern durch die CSU-Regierung. Nach Auffassung der Umwelt- und Verbraucherverbände agiert der Freistaat in Teilen auf dem Niveau der polnischen und ungarischen Regierungen, die ebenfalls rechtsstaatswidrig agieren.

München weist bundesweit die höchste NO2-Atemluftbelastung aller deutschen Städte auf – während die Dieselkonzerne ihren Profit maximieren. Die Verbände fordern die CSU dazu auf, noch vor der Wahl zu erklären, ob sie sich im Falle einer Regierungsbeteiligung nach den Landtagswahlen zum Rechtsstaatsprinzip bekennen und höchstrichterliche Urteile beachten wird. Gerade in Bayern sei derzeit eine besonders deutliche Erosion des Rechtsstaats zu beobachten. CSU-Spitzenpolitiker wie Alexander Dobrindt rühmten sich sogar damit, Gerichtsurteile zum Schutz der Gesundheit von hunderttausenden, unter giftigen Dieselabgasen leidenden Münchnern seit Jahren zu ignorieren und weiter nicht umsetzen zu wollen.

Seit Jahren werden die Grenzwerte für den Luftschadstoff Stickstoffdioxid (NO2) in München überschritten. Bereits 2012 hat die DUH ein Urteil gegen den Freistaat Bayern wegen Überschreitung des NO2-Grenzwertes erstritten, das seit 2014 rechtskräftig ist. Dennoch weigert sich die CSU-Staatsregierung, dieses rechtskräftige Urteil umzusetzen und Diesel-Fahrverbote für die saubere Luft in der schmutzigsten Stadt Deutschlands einzuführen. Auf Antrag der DUH bestätigte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, dass nach mehreren Zwangsvollstreckungen die Erzwingungshaft gegenüber Amtsträgern „allein erfolgversprechend erscheint“, ein rechtskonformes Verhalten der Staatsregierung herbeizuführen (AZ: 22 C 18.1718).

Dazu Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH: „Wenn eine Partei wie die CSU mit der Ankündigung, Gesetze zu missachten und Gerichtsentscheidungen zu ignorieren in die Wahl zieht, ist sie für einen Demokraten nicht mehr wählbar. Mit der Weigerung, ein rechtskräftiges Urteil anzuerkennen und umzusetzen, machten CSU-Ministerpräsident Markus Söder und sein Vorgänger Horst Seehofer deutlich, wie weit sie sich von den Menschen entfernt haben. Betrogene Besitzer von Euro 5+6-Diesel-Pkw erhalten keine Unterstützung bei der Hardware-Nachrüstung, hunderttausende von Bürgern werden mit dem giftigen Münchener Dieseldunst alleingelassen. Wir fordern die wahlberechtigten Bürger in Bayern dazu auf, am Sonntag für die Parteien zu stimmen, die sich zum Rechtsstaat bekennen. Eine neu zusammengesetzte Bayerische Staatsregierung muss sich aus dem Würgegriff der Autokonzerne befreien, die ihnen bisher diktieren, was zu tun ist. Zukünftig muss diese ihrer zentralen verfassungsgemäßen Aufgabe nachkommen: Sich für den Gesundheitsschutz ihrer Bürger einsetzen.“

Rechtsanwalt Remo Klinger, der die DUH im Verfahren für saubere Luft in München vertritt, ergänzt: „Der Rechtsstaat lebt davon, dass nicht die Politik, sondern die Gerichte das letzte Wort darüber haben, was Recht ist. Dieser Grundsatz erodiert, wenn das Primat der Justiz aufgegeben wird. Das Verfahren zur Luftreinhaltung in München hat daher Bedeutung über den Umweltschutz hinaus.“ Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof entscheidet demnächst darüber, ob der EuGH zu der Frage angehört wird, ob Zwangshaft zur Durchsetzung rechtskräftiger Urteile angeordnet werden kann und unter Umständen muss. Die DUH rechnet damit, dass der EuGH, sollte es zu einer Vorlage kommen, die Zulässigkeit der Zwangshaft als letztes Mittel zur Durchsetzung gerichtlicher Entscheidungen bei Verstößen gegen das Europarecht bestätigen wird.

Wie akut die Gefährdung durch das Dieselabgas NO2 in München aber auch an weiteren Orten in Bayern ist, zeigen die umfangreichen Messungen der Verbände mittels Passivsammlern sowie die Werte der 15 offiziellen Messstationen in Bayern. An der Landshuter Allee wurden 2017 erschreckend hohe 78 μg NO2/m³ ermittelt, der höchste Messwert aller bundesweiten Messstationen, am Stachus in München 53 μg NO2/m³. Auch in Augsburg, Nürnberg und Regensburg wird der Grenzwert an den offiziellen Stationen überschritten. Die Messungen der Verbände wiesen an 22 weiteren Orten in München Werte über 40 μg/m³ auf. In ganz Bayern weisen 144 Messstellen einen Wert von über 30 μg/m³ auf, die Verbände ermittelten davon 135. Darunter sogar 52 Hot-Spots der Luftbelastung, die den offiziellen Grenzwert von 40 μg/m³ überschreiten, die Verbände identifizierten 47 davon. Das Umweltbundesamt hatte im März 2018 eine Studie veröffentlicht, wonach jährlich 800.000 Menschen in Deutschland an der Belastung mit NO2 bereits bei einer Belastung oberhalb von 20 μg/m³ erkranken.

In Bayern hat der VCD eine bundesweite Kampagne für saubere Luft angestoßen und ebenfalls die NO2-Werte gemessen: Erste Ergebnisse zeigen, dass die Grenzwerte in weit mehr als den für 2017 bundesweit nur 65 vom Umweltbundesamt identifizierten Städten überschritten werden. So gilt dies in Bayern für Dachau, Freising, Bayreuth und Passau. Messungen in Nürnberg und Fürth zeigen, dass nicht nur an wenigen großen Straßen die Grenzwerte überschritten sind, sondern auch anderswo.

Messungen von Green City mit Passivsammlern im Rahmen der Kampagne #MucOhneMief zeigen ebenfalls, dass München ein flächendeckendes Problem mit NO2 hat. Bei den Messungen im Herbst 2016 waren an 15 von 50 stadtweiten Messpunkten die gesetzlichen Werte von NO2 von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft überschritten worden.

Andreas Schuster vom Verein Green City und Sprecher des Bündnisses für saubere Luft: „Die Zahlen sind lange bekannt, doch die Regierung von Oberbayern handelt noch immer nicht und gefährdet damit die Gesundheit der Münchnerinnen und Münchner wissentlich. Bricht man die deutschlandweiten Zahlen der vorzeitigen Todesfälle auf die Landeshauptstadt herunter, sind seit Inkrafttreten des gesetzlichen Grenzwertes für NO2 im Januar 2010 mindestens 5.000 Münchnerinnen und Münchner vorzeitig an den Folgen der Luftschadstoffbelastung gestorben.“

Die Verbände fordern die unverzügliche Aufnahme von Diesel-Fahrverboten als Sofortmaßnahme zum Schutz der Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger in den Luftreinhalteplan, wie es der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bereits am 27. Februar 2017 unter Setzung entsprechender Fristen, die längst abgelaufen sind, angeordnet hat.

Die hohe NO2-Belastung in vielen Städten ist in erster Linie auf den Straßenverkehr zurückzuführen, Hauptquelle sind wiederum Dieselfahrzeuge – allen voran Pkw. Mit der betrügerischen Manipulation der Abgasreinigung von Diesel-Pkw tragen die Autohersteller zu dieser Gesundheitsgefährdung maßgeblich bei.

Die Verbände fordern die Bayerische Staatsregierung auf, die Ignoranz gegenüber Recht und Gesetz sowie Umwelt- und Verbraucherschutzvorschriften zu beenden und die Hersteller endlich in die Pflicht zu nehmen, die Betrugs-Diesel auf deren Kosten technisch nachzurüsten. Diese Fahrzeuge könnten dann auch von Fahrverboten ausgenommen sein.

Richard Mergner, Landesvorsitzender des BUND Naturschutz sagt: „Die Bayerische Staatsregierung unter den Ministerpräsidenten Horst Seehofer und Markus Söder sowie die Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt, Christian Schmidt und Andreas Scheuer sind hauptverantwortlich dafür, dass die Automobilindustrie nicht für ihre Verbrauchertäuschung und die Umwelt- und Gesundheitsbelastung zur Rechenschaft gezogen wird.“ Das Setzen auf Flugtaxis und das Festhalten an milliardenschweren Straßenbauprogrammen sowie das sture Festhalten an der 3. Startbahn am Münchner Flughafen sei eine verheerende Sackgassenpolitik. „Der BUND Naturschutz hofft, dass sich die kommende Staatsregierung und Landtagsmehrheit nicht länger der Hardware-Nachrüstung der Betrugsdiesel auf Kosten der Hersteller verweigert. Zudem muss sie dringend die Weichen für eine zukunftsfähige Mobilität stellen. Wir müssen die Dominanz des Autos in der Gesellschaft beenden. Es reicht nicht aus, immer bessere Abgasreinigungssysteme einzuführen oder den Verbrennungsmotor einfach gegen einen Elektromotor auszutauschen und alles beim Alten zu belassen“, so Mergner weiter.

Christoph von Gagern vom Kreisverband München des VCD ergänzt: „Es ist enttäuschend und entwürdigend, wie ständig Arbeitsplätze in der Autoindustrie gegen Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität ausgespielt werden. Was helfen Arbeitsplätze, wenn die Luft krankmacht? Es hilft nicht nur die NO2-Werte zu ermitteln, es muss auch entsprechend gehandelt werden. Wir brauchen wirksame Maßnahmen und deren ständige Kontrolle. Unsere Atemluft muss jetzt sauberer werden, nicht erst irgendwann.“

Damit es nicht zu einem Verkehrsinfarkt kommt und den Anforderungen des Klimaschutzes und der Verbesserung der Lebensqualität in der Stadt gerecht zu werden, fordern die Verbände den Ausbau der kollektiven Verkehre sowie die Reduzierung des individuellen Verkehrs. Es bedarf einer nachhaltigen Mobilitätswende, die nicht nur die Luftverschmutzung verringert, sondern Flächenfraß eindämmt, klima- sowie sozialverträglich ist.

Mehr Informationen:

Übersicht NO2-Messergebnisse Bayern und München l.duh.de/p181012 

Übersicht NO2-Messergebnisse bundesweit: https://www.duh.de/abgasalarm/

Übersicht DUH-Klage für saubere Luft in München: l.duh.de/p181012

Stellungnahme der DUH zur Vorabentscheidung EuGH zur Beugehaft: l.duh.de/p181012

Pressemitteilung vom 27.8.2018 „Bayerischer Verwaltungsgerichtshof: Europäischer Gerichtshof soll Zwangshaft gegen Ministerpräsident Söder wegen Sauberer Luft in München prüfen“ l.duh.de/p180827 

Kontakt:

Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer DUH
0171 3649170, resch@duh.de

Prof. Dr. Remo Klinger, Rechtsanwalt, Geulen & Klinger Rechtsanwälte
030 8847280, 0171 2435458, klinger@geulen.com

Richard Mergner, Landesvorsitzender BUND Naturschutz in Bayern
und Bundesarbeitskreissprecher Verkehr des BUND
0911 81878 10, richard.mergner@bund-naturschutz.de

Andreas Schuster, Leitung Mobilität Green City und Sprecher
für das Bündnis für saubere Luft in München
089 890 668 319, andreas.schuster@greencity.de

Christoph von Gagern, Verkehrsclub Deutschland (VCD) Kreisverband München e.V.
089 75 96 83 21, christoph.vgagern@gmx.net

DUH-Pressestelle:
Andrea Kuper, Ann-Kathrin Marggraf
030 2400867-20, presse@duh.de
www.duh.de, www.twitter.com/umwelthilfe, www.facebook.com/umwelthilfe