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Natur im Nationalpark: wild und vielfältig

Wirtschaftsforste prägten über lange Zeit das Gebiet zwischen Rachel und Lusen. 1970 kam der Wendepunkt. Seit der Gründung des Nationalparks darf sich die Natur auf weiten Flächen wieder nach ihren eigenen Gesetzen entwickeln. Das ist ein Segen für die Artenvielfalt, deren Vielfalt für einen mitteleuropäischen Wald einzigartig ist. 

Und auch für den Menschen hat das neue alte Bild eines wilden Waldes eine tiefe Wirkung: Was ein Wald wirklich ist, wissen viele heute gar nicht mehr, weil sie nur vom Menschen bewirtschaftete Forste kennen. Wildnis gar kennen die meisten nur aus dem Fernseher, aus fernen Ländern. Doch alle Natur war ursprünglich wild. Im Nationalpark ist sie wieder auf dem Weg dorthin und schenkt dem, der sich hinein begibt neue Einblicke und Erkenntnisse.

Die Natur selbst kennt keine Grenzen. Sie einordnen will nur der Mensch. Wo also beginnt, wo endet der „Bayerische Wald“? Der Bayerische Wald bildet zusammen mit dem Oberpfälzer Wald in Deutschland, den Cesky Les und der Sumava in Tschechien und dem Böhmerwald in Österreich einen Naturraum: das auch in seiner Gesamtheit als "Böhmerwald" bezeichnete Waldgebirge, das Böhmische Massiv. Aufgrund seiner Mächtigkeit spricht man in der Region einfach nur von dem „Wald“ – da Woid.

Wo „der Wald“ beginnt und endet

Der Geologe Johann-Bernhard Haversath, der sich durchaus bewusst ist über das Einengende von derlei Definitorischem, schlägt für den Bayerischen Wald in Abgrenzung der anderen Teile des Böhmerwaldes folgende Grenzlinie vor: "Der Donaurandbruch markiert von Regensburg bis Pleinting die Grenze im Südwesten und Westen; es folgt die Donau über Passau bis Jochenstein; die deutsch-österreichische Grenze bildet den südöstlichen Abschluss bis zum Hauptkamm; daran schließt als nordöstliche Linie die deutsch-tschechische Grenze an; den Flussläufen von Chamb und Regen folgend, wird das Gebiet im Norden umgrenzt." Der Nationalpark Bayerischer Wald bildet mit 24.000 Hektar einen Teil dieses Großraums. Der erstreckt sich um die Grenzberge Rachel und Lusen und das Waldgebiet am Falkenstein.

Harter Gneis, alter Wald

Geologisch ist der Wald Kristallingebiet – mit viel Quarz, Gneis und Granit. Klimatisch ist er eine eher raue Gegend: eher niederschlagsreich und kalt. Aber zugleich birgt er wundervolle Frühlings-, Sommer-, Herbst- und Wintertage. Das Wetter ist im Bayerischen Wald immer eher eine Sensation als anderswo: Es ist, als ob die Gegend es noch einmal unterstreichen, ausmalen würde. Nationalparkchef Franz Leibl schwärmt vom Herbst.

Wald gibt es dort seit 10.000 Jahren, berichtet Haversath. Die Hauptrollen spielten in der Reihenfolge ihres Auftritts: Birken, Kiefern, Ulmen, Eichen, Fichten, Linden, Eschen, Tannen, Buchen. Es folgten die mitteleuropäischen Waldtiere, wie Rothirsch, Elch, Wildschwein, Dachs, Fuchs, Braunbär. Seitdem hat der Mensch beständig eingegriffen. Urwald gibt es heute so gut wie keinen mehr. Wirtschaftsforste prägten das Gebiet zwischen Rachel und Lusen, als der Nationalpark im Oktober 1970 gegründet wurde. 

Die Holzwirtschaft bevorzugte die schnell wachsende, gerade Fichte. Vor 2.500 Jahren war die Fichte in den Hochlagen zu 40 Prozent vertreten, in den Hanglagen zu 20, in den Tallagen zu zehn Prozent. Derzeit (2015) sind es 90 zu 58 zu 83. Dafür sind beispielsweise Tannen und Buchen in den Hochlagen von 30 Prozent vollends verschwunden und auch in den anderen Lagen rar geworden. 

Das ändert sich im Nationalpark: Die Natur stellt nach und nach ihr natürliches Gleichgewicht wieder her. In den Kammlagen findet sich – auch dank des Waldverjüngers Borkenkäfer - langsam statt eines Stangenwaldes aus gleichaltrigen Fichten ein natürlicher Fichtenwald unterschiedlichen Alters ein, durchsetzt mit Tannen und Ahorn. In den Hanglagen wachsen schon jetzt wieder prächtige Bergmischwälder vor allem mit Buchen, Tannen und Fichten.

Hochrechnung: 14.000 Arten

Es ist der Nicht-Urwald, der Fichtenwald, den manche Menschen verteidigen wollen, die sich für ein kontinuierliches Ausräumen der Wälder nach Borkenkäferbefall aussprechen. Der aber räumt seinerseits den Wald nur um, zerstört ihn nicht – und sorgt für Artenvielfalt. Eine Zählung im November 2011 ergab 3849 Tierarten, 1861 Pilzarten, 489 Moosarten, 344 Flechtenarten, 757 Gefäßpflanzenarten. Nach einer Hochrechnung gibt es wohl 14.000 Arten im Nationalpark Bayerischen Wald. 

Typisch für den Bayerischen Wald sind unter anderem die natürlichen Fichtenwälder der Bergkämme und Hochplateaus, die den Taigawäldern des Nordens verwandt und durchsetzt sind mit typischen Bodenpflanzen wie Gebirgsfrauenfarn, Berg-Soldanelle, Heidelbeere, Reitgras und Hainsimse. Charakteristisch sind auch die Hochmoore mit Rentierflechte, Moorbärlapp und fleischfressenden Pflanzen wie dem Sonnentau. Wichtig ist auch der – sich regenerierende – Bergmischwald, der seltenere Baumarten umfasst, so etwa Spitzahorn,Ulme, Linde, Esche und Eibe. 

In den Wäldern dominieren Moose und Farne. Auf Wiesen sind Pflanzen zu finden wie Arnika, Pechnelke, Glockenblume, Borstgras, Knabenkraut, Wollgras, Frühlingsknotenblume. Wiederum ganz eigene Vegetationwächst an den Bächen und Seen: Österreichische Gemswurz, Alpenmilchlattich, Eisenhut, Waldgeißbart, Bitteres Schaumkraut, Pestwurz, Sumpfdotterblume. Typische Tiere für die Region sind Fischotter, Rothirsch, Wildschwein, Braunbär, Wildkatze, Wolf, Baummarder, Habichts- und Raufußkauz, Auer- und Haselhuhn, Schwarzstorch und Spechtarten wie Weißrücken- und Dreizehenspecht. Bären gibt es in freier Wildbahn nicht mehr bzw. noch nicht wieder. Vereinzelte Wölfe durchstreifen das Gebiet aber schon seit Jahren immer wieder, bis sie weiterziehen.

Ein Symboltier und kennzeichnend für Bayerwald und Böhmerwald ist der Luchs. 20 bis 30 Tiere leben in Bayern, schwerpunktmäßig im Bayerischen Wald. Ihm gilt besondere Aufmerksamkeit, ebenso wie den Habichtskäuzen, von denen 50 Brutpaare im Bayerischen Wald und in benachbarten tschechischen Brutrevieren leben, und der Auerhahnpopulation. Im Zentrum des Interesses stehen aber nicht einzelne Arten, sondern deren Gesamtheit, Zusammenspiel, auch Wildheit, Rätselhaftigkeit. 

Dass und wie sich Natur erholen kann, beweist die Zahl der im Nationalpark im Jahr 2014 gefundenen Arten, die erstmals nachgewiesen, nach langer Zeit wiederentdeckt und an neuen Fundorten belegt werden konnten. Da sind die Waldbirkenmaus, der Weißrückenspecht, die Schlingnatter, die Alpine Gebirgsschrecke, Reitters Rindenkäfer, die Gewöhnliche Natternzunge, die Ästige und die Gewöhnliche Mondraute, der Gewöhnliche und Isslers Flachbärlapp und Brauns Schildfarn.