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Zeitzeugen berichten: "Unter einem Staudamm leben – niemals!"

Viele sind nicht mehr übrig von den Püttlacher Bürgern, die in den siebziger und achtziger Jahren das kleine Dorf am Ostrand der Fränkischen Schweiz vor einem überdimensionierten Stausee bewahrten. Zwei davon sind der hochbetagte Ludwig Körber, damals aktiver Landwirt und Müller an der Püttlach, und Herr Haas, der ein paar Jahre davor in den Püttlacher Gasthof Persau eingeheiratet hatte.

Körbers Mühle liegt am nördlichen Ortsende; kurz dahinter hätte der Staudamm 20 Meter hoch aufragen sollen – drei- bis viermal so hoch wie die Püttlacher Bauernhäuser. Die Vorstellung, mit ihrem ganzen Dorf direkt unter einem gewaltigen Staudamm zu leben, erschien den Püttlachern wenig verlockend, ja geradezu bedrückend und beängstigend. Ludwig Körber stand an der Spitze der Bürgerinitiative, aber auch die Haltung der meisten anderen war klar, erzählt Haas: "Wir bleiben auf jeden Fall nicht unter dem Damm!" Da hätte man schon das gesamte Dorf absiedeln und anderswo neu aufbauen müssen, aber daran dachte ernsthaft niemand.

Unrealistische Blütenträume

Mit Engelszungen versuchte die Politik, allen voran der langjährige CSU-Landrat Dr. Klaus-Günter Dietel, den Püttlachern den riesigen Stausee schmackhaft zu machen, schwärmte ihnen von Ruder- und Segelbooten vor, von Bootsstegen und Cafés, Hotels, Arbeitsplätzen und einem florierenden Tourismus, ja, man karrte die Püttlacher sogar mit dem Bus in die damals entstehende Fränkische Seenplatte, um sie für das Vorhaben zu begeistern, berichtet Haas. Doch ein einziges Argument genügte, um die Luft aus all den Blütenträumen zu lassen: "Die Urlauber wollen doch auf das Wasser schauen und nicht auf einen Staudamm."

In der Tat wäre Püttlach wohl der große Verlierer des Stausees geworden, denn die dortigen Bauern hätten nicht nur wesentliche Teile ihrer Flächen verloren, sondern auch viele Feriengäste: Wer will schon am Fuße eines Staudamms Urlaub machen? Auch der beliebte Gasthof Persau, ein Familienbetrieb in vierter Generation, wäre dann wohl vor dem Aus gestanden.

"Die ganze Ortschaft wäre umgekrempelt worden", erklärt Gastwirt Haas mit Schaudern in der Stimme. Die bisherige Hauptverbindungsstraße nach Norden wäre ja unter dem Stausee verschwunden, also hätte die kompette Straßenführung im Dorf und darum herum neu angelegt werden müssen; Zufahrten und Ortsdurchfahrten hätten völlig umgestaltet werden müssen: Viel Aufwand für weniger als Nichts.

Bürger, Naturschützer und Professoren

Mit großer Hochachtung spricht Haas auch heute noch von Hubert Weiger, dem damaligen BN-Beauftragten für Nordbayern, der immer wieder für wichtige Sitzungen und Versammlungen vor Ort war sowie von den Aktiven der Kreisgruppe Bayreuth, insbesondere von deren langjährigem Vorsitzenden Helmut Korn und ihrem Geschäftsführer Peter Ille: "Ich weiß nicht, ob wir das damals ohne den BN geschafft hätten." 

Auch die Professoren Zwölfer und Schulze von der Universität Bayreuth hätten damals mit ihrer fachlichen Expertise, ihren Gutachten und glasklaren Stellungnahmen eine wichtige Rolle gespielt. Ausführlich wurde das Püttlacher Talbecken auch vom Lehrstuhl für Ökologie und Angewandte Botanik der TU Berlin untersucht. Voller Stolz zeigt Haas eine über 500 Seiten starke Forschungsstudie, für die mehrere Berliner Professoren samt einem ganzen Rudel Studenten etliche Wochen vor Ort recherchierten: "Nur der Ludwig Körber und ich haben davon ein Exemplar, und das gebe ich auch nicht aus der Hand!"

Vorgeschobene Argumente

Je länger man mit Haas redet, desto sichtbarer werden die Ungereimtheiten in der Stauseeplanung. Angeblich sollte der Stausee unverzichtbar als Hochwasserschutz für das zehn Kilometer talabwärts gelegene Pottenstein sein. Aber ein voller Stausee eignet sich nicht als Rückhaltebecken. Also hätte man den See immer wieder ganz oder teilweise ablassen müssen – keine gute Basis für Tourismus, wenn die Boote auf dem Trockenen liegen und der "Restsee" von einem breiten, stinkenden Schlammkragen umsäumt ist.

Doch Körber und Haas halten das Argument des Hochwasserschutzes ohnehin für vorgeschoben: "Das sollte wohl nur dazu dienen, das Projekt durchzusetzen und Zuschüsse dafür zu bekommen."

Auch die Wasserzufuhr für den Stausee hätte kaum lösbare Fragen aufgeworfen. Denn die junge Püttlach ist oberhalb des Orts nur ein schmaler Bach, jedenfalls für den Großteil des Jahres. Es hätte wohl Jahre gedauert, mit ihrem Wasser einen Stausee von 42 Hektar Fläche und bis zu 18 Meter Tiefe zu füllen, meint Haas: "Und im Sommer wäre bei der großen Wasserfläche ein Großteil wieder verdunstet." 

Zudem hätte man die Püttlach gar nicht komplett in den Stausee einleiten können, sagt er, denn an deren Wasser hingen ja einige Mühlen und Sägewerke talabwärts, denen man sonst buchstäblich das Wasser abgegraben hätte.

Kurz vor Schluss ein Sprengstoffanschlag

Ja, in der Auseinandersetzung sei es schon teilweise sehr hitzig hergegangen, erzählt Haas, da seien schon auch scharfe Worte gefallen. Trotzdem ist er auch heute noch tief erschrocken und entsetzt über den Sprengstoffanschlag, der 1987 auf das Haus des damaligen Bürgermeisters von Pottenstein verübt wurde, welcher ein starker Befürworter des Stausees und eines weiteren heftig umstrittenen Vorhabens war: "Das Haus war doch bewohnt! Da hätten ja Menschen zu Schaden kommen können." Die Polizei ermittelte damals in alle Richtungen, doch der Anschlag wurde nicht aufgeklärt.

Damals ging die Auseinandersetzung schon ihrem Ende entgegen. Wenn die "sturen Püttlacher" nicht mitzögen, drohte Landrat Dietel, dann würden die Zuschüsse des Freistaats eben für ein anderes Projekt "irgendwo an der Donau" verwendet. Und erklärte verärgert, er werde die Gegend nie wieder besuchen. 

Als 1988 die Nachricht kam, dass tatsächlich keine Zuschüsse aus München zu erwarten waren, zog er die Reißleine und sagte das Vorhaben ab, während in Püttlach noch die Bodenuntersuchungen für den Staudamm liefen: "Die haben da draußen noch gebohrt", schmunzelt Haas, "da war die Sache schon vorbei."