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Tiere und Pflanzen

Waldnaab-Aue: vor dem Ertrinken gerettet

Einem Gewitter gleich zog Anfang der 1980er-Jahre über der Waldnaab-Aue ein „Unwetter“ auf, das eine der wertvollsten Naturlandschaften Bayerns für immer zerstört hätte: Gumpen, ein kleines Dorf im Landkreis Tirschenreuth in der Oberpfalz, sollte dem Erdboden gleich gemacht werden, um einem fast 500 Hektar großen Wasserspeicher zu weichen.

Schon Anfang der 60er Jahre begann die Bayerische Staatsregierung mit den Plänen dieses gigantischen Vorhabens. Am Ende sollte ein riesiger Wasserspeicher, größer als der Schliersee, den Wasserhaushalt bis ins etwa 40 Kilometer entfernte Weiden regeln und vor Hochwasser schützen. Die Planer hatten jedoch nicht mit dem Widerstand von Dr. Klaus Arbter gerechnet. Der Tirschenreuther Biologielehrer und passionierte Natur- und Landschaftsschützer nahm den Kampf gegen dieses Wahnsinnsprojekt auf und holte sich zur Unterstützung den Bund Naturschutz in Bayern. 

Damals noch als Landesverband kämpfte der BN gemeinsam mit engagierten Naturschützern aus dem Landkreis Tirschenreuth vehement gegen die Pläne der Bayerischen Staatsregierung. Maßgeblich daran beteiligt war Dr. Hubert Weiger, damals noch BN-Landesbeauftragter für Nordbayern und heute BN-Landesvorsitzender.

ÜBER 300 SELTENE TIER- UND PFLANZENARTEN GERETTET

Den ausführenden Ämtern vom Wasserwirtschaftsamt Weiden über die Bezirksregierung bis zur Obersten Baubehörde im Innenministerium zeigte der BN im Kampf gegen den Speicher hartnäckig die Zähne, so dass am Ende im Jahr 1981 das Verwaltungsgericht Regensburg den Klägern – dem Bund Naturschutz und 24 Landwirten – Recht gab. Unter anderem erkannten die Richter an, dass hier ein äußerst wertvolles Stück Natur und eine unverwechselbare alte Kulturlandschaft erhalten bleiben müssen.

Mit der Verhinderung des Speichers hat der BN das heutige Bundesnaturschutzgroßprojekt Waldnaabaue ermöglicht. Dort leben über 300 seltene Tier- und Pflanzenarten, die als besonders schützenswert gelten, unter anderem 126 Vogelarten, 38 Libellen-, 25 Fisch- 45 Tagfalter- und 110 Käferarten.
(Texte: Ulla Baumer)

Eine der wertvollsten Naturlandschaften Bayerns

Ohne die Rettung der Waldnaabaue vor dem Gumpen-Stausee würde es heute das Bundesnaturschutzgebiet Waldnaabaue im Landkreis Tirschenreuth in der Oberpfalz nicht geben, das 1999 von der Bundesregierung grünes Licht erhielt.

Die Waldnaabaue gehört zu den ökologisch wertvollsten Gebieten Bayerns und ist eines der vier Bundesnaturschutzprojekte in Bayern. 126 Vogelarten, 38 Libellen-, 25 Fisch-, 45 Tagfalter- und 110 Käferarten wurden dort schon früher entdeckt und inzwischen nach intensiven Forschungsarbeiten bestätigt. Die Rettung des Waldnaabtales vor der Überflutung war einer der größten Erfolge des Bundes Naturschutz. Damit konnte eines der wenigen noch vorhandenen großen, zusammenhängenden Naturgebiete Deutschlands bewahrt werden.

Vogelparadies

In zahllosen großen und kleinen Mäandern durchfließt die Waldnaab die geräumige Senke zwischen Tirschenreuth und Gumpen. Die zentrale Lebensader ist eng verzahnt mit den unterschiedlichsten Lebensräumen: Fließgewässer, Altwassertümpel, Teiche, Feuchtwiesen, Bruchwälder, Magerrasen und andere Biotope ergänzen sich zu einer Symbiose, die es unzähligen, selten gewordenen Insekten- , Amphibien- und Vogelarten ermöglicht, in einem geschützten Raum zu leben und sich fortzupflanzen. Das ruhige Teichgebiet lädt besonders Zugvögel ein, Rast zu machen und sich mit neuer Nahrung für die weiteren langen Reisen zu stärken. Unter anderem leben dort Raritäten wie die Schellente, der Waldwasserläufer, der Eisvogel, der Schwarzstorch, das Blaukehlchen und viele mehr. Allein 56 vom Aussterben bedrohte Pflanzenarten wurden festgestellt.

Die Waldnaab sammelt die Fluten ihrer Nebenbäche, setzt die weiten, flachen Wiesen bei Hochwasser unter Wasser und verwandelt sie in einen lang gestreckten See. So gesehen sorgt der Fluss selbst dafür, dass er sich in ein großes Gewässer verwandelt – doch mit diesem Hochwasser kann sich der natürlich entstandene Fluss „austoben“, ohne Schaden anzurichten und den Grundwasserspiegel wieder auffüllen. Damit erfüllt dieses großräumige, natürliche Feuchtgebiet die Funktion der Wasserstandsregulierung der Naab viel besser als der ehemals geplante „Mehrzweckspeicher“.

Einer der größten Tecihkomplexe Deutschlands

Die Waldnaabauen präsentieren sich als ein Mosaik aus Feuchtwiesen, feuchten Wäldern und Moorflächen, in deren Zentrum mit der Tirschenreuther Teichpfanne einer der größten und ältesten Teichkomplexe des Bundesrepublik liegt. Das Gebiet wird auf fast 10.000 Hektar von keinen öffentlichen Verkehrswegen durchschnitten und ist deshalb für die Öffentlichkeit, aber auch für Land- und Forstwirtschaft nur wenig erschlossen. Das Kerngebiet beträgt eine Fläche von 1600 Hektar, das Gesamtprojektgebiet umfasst insgesamt 3200 Hektar. 2195 Hektar davon wurden vom Land Bayern im September 2003 als FFH-Gebiet (Flora-Fauna-Habitat-Gebiet) für das europäische Schutzgebietssystem gemeldet.

4,5 Millionen Euro lässt sich der Bund das Projekt kosten, das zu 75 Prozent vom Bund, zu 15 Prozent vom Freistaat Bayern und zu zehn Prozent vom Landkreis Tirschenreuth finanziert wird. 80 Prozent des Kerngebietes sind Biotoptypen, die mindestens als „bedroht“ einzustufen sind. Zur Realisierung des Naturschutzgebietes Waldnaabaue hatte der Landkreis Tirschenreuth als ausführendes Organ einen Zeitrahmen von zehn Jahren angesetzt. Inzwischen wurde dieser Zeitrahmen verlängert.


Nein zum Gumpen-Stausee

"Falkenberg am See" - mit solchen Schlagworten versuchten die Vertreter der Wasserwirtschaft der Bevölkerung im Landkreis Tirschenreuth und insbesondere in Falkenberg ihr Großprojekt "Gumpener Niedrigwasserspeicher" zu versüßen.

Den Falkenbergern wurde weis gemacht, mit dem Bau des Stausees würden sie ein herrliches, touristisch wertvolles Freizeitgebiet bekommen. Eines Tages würden auf diesem Stausee - der doppelt so groß wie der Schliersee werden sollte – weiße Segel von Booten schon von Weitem zu sehen sein und Touristen in Scharen anziehen. Es war von zwei Campingplätzen, Hotels in Falkenberg und Freizeiteinrichtungen für einen Urlaub am See die Rede. Der Stausee sollte 470 Hektar Wasserfläche bei Maximalstau, 370 Hektar bei Normalstau und sage und schreibe nur 19 Hektar bei Minimalstau erreichen. Diese gewaltigen Wasserstandsschwankungen führten von vorneherein die Versprechungen der Regierungsbeauftragten ad absurdum.

Dafür wollten die Planer der Bayerischen Staatsregierung eine schutzwürdige Weiher- und Flusslandschaft im zentralen Teil der Waldnaab-Senke überfluten. Dieses Stausee-Projekt sollte in den 70er Jahren im Rahmen einer Serie von geplanten Wasserspeichern in ganz Bayern für einen geregelten Wasserausgleich sorgen.

Kette von 30 Stauseen geplant

Das Projekt „Gumpen-Speicher“ war Teil des ungebremsten Fortschrittsglaubens in den 60er und 70er Jahren, der in ganz Deutschland viel gewachsene Kultur und Natur rigoros zerstörte. Man beabsichtigte, in großem Umfang Wasser aus dem wasserreichen Südbayern über den Rhein-Main-Donau-Kanal, der damals ebenfalls heiß umstritten war, in den Ballungsraum Nürnberg zu pumpen, für den sein Wassermangel eine Wachstumsgrenze darstellte.

So sollten in Zusammenhang mit dem Rhein-Main-Donau-Kanalbau große Wassermengen aus dem süddeutschen Raum in das an Wassermangel leidende Mittelfranken mit dem Ballungszentrum Nürnberg gepumpt werden. Besonders das Einzugsgebiet der Naab sollte in Regensburg das fehlende Wasser in Trockenzeiten nachliefern.

Dazu waren circa 30 Speicher geplant. Als man Gumpen in Angriff nehmen wollte, waren der Liebensteiner Stausee im Landkreis Tirschenreuth sowie der Silber- und Perlsee bei Waldmünchen und der Eixendorf-Stausee bei Neunburg vorm Wald schon fertig gestellt. Um die Pläne ohne großen Widerstand aus der ländlichen Bevölkerung verwirklichen zu können, wurden von den Planern "landwirtschaftlich minderwertige Flächen" in ganz Bayern gesucht. Dass diese für den Naturhaushalt umso wertvoller waren, sah man damals nicht.

Eines der wertvollsten Naturreservate Bayerns

In Gumpen fand man eine Landschaft, die sich scheinbar hervorragend für einen Speicher eignete. Grund war eine Engstelle am Beginn des Durchbruchtales der Waldnaab durch die Falkenberger Schwelle etwas unterhalb von Gumpen, die als Standort der Staumauer günstig schien. Zudem bot sich die flache Naabsenke von Gumpen bis Tirschenreuth als extensiv genutzter Raum scheinbar regelrecht an. Die Zerstörung eines der wertvollsten Naturreservate Bayerns hinderte die Macher des Wasserwirtschaftsamtes nicht.

Mit den Planungen begann der Freistaat Bayern 1961. Federführend für die Umsetzung des Speicherprojekts wurde von der Bayerischen Staatsregierung das Wasserwirtschaftsamt Weiden beauftragt. Als Finanzierung des Projekts veranschlagte die Regierung Investitionskosten in Höhe von 20 Millionen Mark. Der Speicherbau hätte das Zentrum eines etwa 100 Quadratkilomter großen, von Siedlungen und Verkehrswegen freien, ruhigen Gebiets als Rückzugsraum der Natur völlig entwertet.

Als Dr. Klaus Arbter Ende der 60er Jahre - und ab etwa 1973 der Bund Naturschutz in Bayern unter Leitung von Hubert Weinzierl - den Kampf gegen den Stausee aufnahmen, hatten die Planer bereits hinter den Kulissen viel Vorarbeit geleistet: 50 bis 60 Hektar Grundfläche waren schon Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre von der Regierung für den Stausee angekauft worden. Unter anderem wurden die ersten Landwirte ausgesiedelt, wie zum Beispiel die Inhaber der Troglauermühle, wo die Staumauer errichtet werden sollte. Ein Bauer zog um nach Pilmersreuth, wo er sich eine neue landwirtschaftliche Existenz aufbaute.

Bei Niedrigwasser ein Schlammloch

Was die Speicherplaner aus gutem Grund verschwiegen haben: Der Stausee wäre bei Niedrigwasser zu einem schmutzigen Schlammloch mutiert, da die Uferzonen bei Abzug des Speicherwassers – besonders während sommerlicher Hitzeperioden bei bestem Badewetter –  derart gesunken wären, dass ein natürliches Seeufer mit Schilfzonen und Pflanzenbewuchs sich gar nicht erst hätte entwickeln können. Stattdessen wären riesige Schlammflächen freigesetzt worden; ein Meter Absenkung des Wasserspiegels hätte die Seefläche in extrem flachem Gebiet um bis zu 100 Hektar verringert.

Eine touristische Nutzung des Gumpener Stausees wäre damit von vorneherein unmöglich gewesen. Den Falkenbergern und der gesamten Bevölkerung im Landkreis Tirschenreuth wurde jedoch mit Versprechungen von einem Freizeitzentrum zum Segeln und Urlaubmachen in "Falkenberg am See" ein großer touristischer Nutzen des Speichers vorgegaukelt, was nie Realität geworden wäre.

Stationen des Kampfs um die Waldnaab-Aue

  • 1961   Der Freistaat Bayern beginnt mit den Planungen zu einem Stausee in der Waldnaabaue.
  • 1968   Menschen aus der Region werden hellhörig und beginnen sich gegen das Projekt zu formieren.
  • 1969 / 1970   Gründung des Oberpfalzvereins, der den Grundstein für den lokalen Heimatschutz bildete.
  • 1971   Umfangreicher Schriftverkehr mit Behörden, Ministerien, Instituten, Politikern
  • 1973   Der Oberpfalzverein geht verstärkt an die Öffentlichkeit, erste Zeitungsberichte über das Stauseeprojekt und den Widerstand erscheinen. 
  • 1973   Der Bund Naturschutz wird um Hilfestellung gebeten und schaltet sich in die Auseinandersetzung ein. 
  • 1974   Erste Diskussionsrunde zwischen Befürwortern und Gegnern des Stausees auf Burg Falkenberg.
  • 1974   30 Journalisten besuchen das Gebiet.
  • 1976   Die Sensibilisierung und Mobilisierung der Bevölkerung gegen das Stauseeprojekt beginnt. Erfolgreiche Unterschriftenaktion gegen das Projekt
  • 1976   Die Sendung „Jetzt red i“ des Bayerischen Rundfunks greift das Thema auf. Die Argumente der Naturschützer werden von Innenminister Merk abgeschmettert; Umweltminister Streibl zeigt „Verständnis“.
  • 1981   Gerichtsprozess und Aus für den Speichersee: Die Richter stoppen das Projekt. Geklagt hatten Bauern, deren Existenz durch den Stauseebau gefährdet worden wäre, und der Bund Naturschutz.