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Bürgerbeteiligung auf Bayerisch

19.09.2014

Der BUND Naturschutz kritisiert die aktuellen Gesetzesvorlagen der Staatsregierung zum Bayerischen
Verwaltungsverfahrensgesetz und zur Volksbefragung. „Wir müssen leider draußen bleiben“ – das ist das Fazit dieser Gesetzesentwürfe  zum Thema Bürgerbeteiligung. Ob Volksbefragungen oder die Beteiligung der Öffentlichkeit bei Großprojekten: Mehr direkte Demokratie ist offensichtlich unerwünscht.

Dabei hat Stuttgart 21 sehr deutlich gezeigt, was passieren kann, wenn Bürgerinnen und Bürger schlecht informiert und von der Verwaltung übergangen werden. Die aktuelle Neufassung des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes sieht die Möglichkeit einer vorgezogenen Bürgerbeteiligung bei Großprojekten vor – aber eben nur die Möglichkeit. Jeder kann, niemand muss. „Das ist aus unserer Sicht ein Schrittchen in die richtige Richtung, aber nicht mehr“, so Hubert Weiger, der Vorsitzende des BUND Naturschutz Bayern (BN). „Eine moderne Demokratie braucht die Beteiligung ihrer Bürgerinnen und Bürger bei wichtigen Projekten, und zwar konsequent und von Anfang an.“ Wichtig sei es insbesondere, dass zu Beginn verpflichtend  alternative Standorte oder Trassen geprüft werden und die Standortentscheidung rechtzeitig beklagt werden kann, bevor Millionen Euro Planungskosten für den falschen Standort in den Sand gesetzt werden.

Im derzeitigen Recht werden Bürger und Verbände erst spät in Projekte mit einbezogen, in der Regel dann, wenn bereits viel Geld in konkrete Planungen geflossen ist und sich Behörde und Vorhabenträger auf eine Lösung festgelegt haben. Die möglichen Einwendungen von Bürgern oder zum Beispiel Naturschutzverbänden werden oft nur als lästiges Hindernis gesehen, das es unbeschadet zu umschiffen gilt, bevor die Bagger anrollen können. Zu dieser Haltung gehört es, dass die Naturschutzverbände sehr schlecht an Informationen über die Verfahren gelangen. Auch sind ihre Einwendungen für ein späteres Klageverfahren ausgeschlossen, wenn die Gründe, auf die die Klage gestützt wird, nicht detailgenau aufgelistet worden sind (Präklusion). Kommunikation auf Augenhöhe ist nicht vorgesehen. Obwohl die Europäische Kommission die Bundesrepublik Deutschland auf Abschaffung der Präklusion verklagt, wird im aktuellen Entwurf des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes an dieser Regelung festgehalten.

„Und diesen alten Stiefel will die Staatsregierung nun weitermachen“, kritisiert Peter Rottner, Landesgeschäftsführer des BN und selbst Verwaltungsjurist. „Das zeugt von einem merkwürdigen Demokratieverständnis. Offenbar hofft die Regierung darauf, dass der Bürger wieder Ruhe gibt und die Behörden machen lässt.“

Der BN fordert die bayerische Staatsregierung auf, den gesetzlichen Rahmen zu schaffen für eine
verpflichtende, möglichst frühzeitige und ergebnisoffene Bürgerbeteiligung an Verwaltungsverfahren.
Hierzu gehört eine zentrale Internet-Plattform zur Bekanntmachung von Planungsverfahren in Bayern,
die Einräumung längerer Fristen bei Großverfahren und der Wegfall der Präklusion.

Zudem fordert der BN, dass zumindest das neu geplante Instrument der  Volksbefragung auch durch 
Bürger und Verbände initiiert  werden kann  und nicht nur – wie in der aktuellen Änderung des
Landeswahlgesetzes vorgesehen – gemeinsam von Regierung und Landtag. „Denn das heißt letztendlich:
Das Volk darf nur etwas sagen, wenn die Regierung das wünscht, ansonsten soll es bitte wählen gehen
und dann die Klappe halten“, kommentiert Hubert Weiger. Langfristig müsse die Volksbefragung zum
verbindlichen Volksentscheid entwickelt werden.

Dass die Einwendungen von Bürgern und Verbänden mehr sind als unqualifiziertes Herumgemaule,
belegen zahllose Beispiele im ganzen Land, von Autobahnen, deren Verkehrsaufkommen viel geringer
ist als von den Planern berechnet bis hin zu Gewerbegebieten, die zur Hälfte leer stehen.
Auch die Zerstörung des Isentals durch die A94 wäre zu verhindern gewesen, wenn man rechtzeitig
die Alternative entlang der B12 in Betracht gezogen hätte. BN-Vorsitzender Weiger appelliert
an die Staatsregierung: „Wenn man die Bedenken der Bürger ernst nimmt und das Fachwissen nutzt,
kann man Hunderte Millionen Euro sparen und viel Naturzerstörung vermeiden.
Das wäre eine echte Koalition mit dem Bürger.“

Für Rückfragen:
Peter Rottner
Landesgeschäftsführer des BUND Naturschutz
Tel. 09 41/2 97 20 12
E-Mail: peter.rottner@bund-naturschutz.de