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Tiere und Pflanzen

Nationalpark Berchtesgaden: der „Yellowstone-Park der deutschen Alpen“

Smaragdgrün schimmert der Seeleinsee in der Sonne vor der beschatteten Felswand. Darüber, auf dem Windschartenkopf und Hochseeleinkopf, blühen in Massen die Edelweiß. Tief unten, westlich davon, schneidet der dunkelblaue Königssee eine fjordähnliche Schneise in die Berglandschaft. Das ist Natur in ihrer Ursprünglichkeit, selbst der tägliche Touristenansturm über den See kann ihr nichts anhaben. 

Um ein Haar wäre die Gegend verloren gewesen, über die Heinrich Noe schon 1898 sagte: „Berchtesgaden ist der Yellowstone-Park der deutschen Alpen. Die großartigsten Schaustücke derselben liegen nirgendwo so vor deiner Türe wie hier.“ Viele Wildtiere und Pflanzen wurden in der Epoche maßloser Technikbegeisterung fast ausgerottet. Durch den Bau der Eisenbahn 1888 in die durch Maler und Adelige bekannt gewordene Region explodierte der Tourismus. Ein schwunghafter Handel mit Alpenblumen setzte ein. Bereits 1909 tauchten erste Pläne für eine Seilbahn auf den Watzmann auf. Dass dieser Naturraum Nationalpark wurde und sich auf einmalige Weise regenerieren konnte, ist dem Engagement vieler Mitglieder des BUND Naturschutz zu verdanken, die sich neben anderen Gruppierungen wie dem Verein zum Schutz der Bergwelt hier engagierten.

Allen voran ist der BN-Gründer Carl Freiherr von Tubeuf zu nennen. In seiner Denkschrift für die Errichtung eines Naturschutzgebiets am Königssee schreibt er 1921: „Dieses einzigartige Gebiet soll vor dem Menschen geschützt werden für den Menschen, nicht nur den heutigen, sondern auch den künftigen, es soll erhalten bleiben in seiner Ursprünglichkeit und Kraft, in seiner Unberührtheit und majestätischen Schönheit auch für spätere Geschlechter.“ Gerhard Huck, ehemaliger Polizeibeamter der Grenzstation Königssee und BN-Aktiver, setzte dies über 40 Jahre lang, von 1960 bis in die 2000er-Jahre, in die Tat um. Er stellte abgerissene oder ausgegrabene Enziane sicher und befreite die Landschaft von unvorstellbaren Ansammlungen von Müll und Autowracks.


Natur zwischen den Tiefen des Königssees und luftigen Höhen

Markante Berge wie der zackige, legendäre Watzmann, steile Felsabbrüche, wilde Wälder wie rund um den Obersee, klare Gebirgsseen, traditionelle Almen und ein beeindruckender Reichtum an Pflanzen- und Tierarten kennzeichnen den Nationalpark Berchtesgadener Land. Mit einer Größe von 20.800 Hektar bildet er den südöstlichsten Zipfel Deutschlands.  

Erdgeschichtlich ist die an Österreichs Bundesland Salzburg angrenzende Landschaft bereits über 200 Millionen Jahre alt. Damals bedeckte das Ur-Mittelmeer Thetis das Land, und es herrschte ein tropisches Klima. Gegen Ende der Trias vor etwa 180 Millionen Jahren hatte sich das Meer weitgehend zurückgezogen. Als Erinnerung hinterließ es uns unzählige Fossilien von Korallen, Muscheln oder Schnecken. Gegen Ende des Erdmittelalters vor etwa 70 Millionen Jahren wölbten sich dann die Ablagerungsschichten auf und es entstanden die heutigen Berge. Die Verwitterung brachte im Kalkgestein verschiedene Karstformen wie zum Beispiel Rinnen („Karren“) hervor, die heute unter anderem im Steinernen Meer zu sehen sind. Auch Bombentrichtern ähnliche Dolinen und Höhlensysteme mit unterirdischen Flussläufen entstanden. 

Blaueis und Wimbachgries als Relikte der Eiszeit

Über knapp eine Million Jahre formten verschiedene Eiszeiten die heutige Berchtesgadener Bergwelt. Von den vor etwa 12.000 Jahren abgeschmolzenen Gletschern blieben mit dem Blaueisgletscher am Hochkalter und dem Mini-Gletscher im Watzmannkar nur kärgliche Reste. Die Verwitterung nach der Eiszeit bewirkte, dass etwa 20 Prozent der Fläche des Nationalparks mit Schutt und Geröll bedeckt sind, wie der schon lange dem BN verbundene Nationalparkplaner Dr. Georg Meister in seinem Grundlagenwerk von 1976 „Nationalpark Berchtesgaden – Begegnung mit dem Naturparadies am Königssee“ erklärt. Es bringt diesen Naturraum dem interessierten Besucher mit viel Sachkenntnis und Detailwissen näher und dient auch als Grundlage für diese Beschreibung.

Einmalig in den bayerischen Alpen ist der riesige Schuttstrom des „Wimbachgries“ mit bis zu 320 Metern Mächtigkeit, der die Niederschläge quasi verschluckt. Erst an der Staumauer beim dortigen Wasserschutzgebiet tritt dann der Grundwasserstrom zutage. Bei Starkregen kann man erleben, dass das „Gries“ auf unheimliche Weise zu wandern beginnt. In der Wimbachklamm am nördlichen Eingang zum Gries kann man auf nur 200 Metern Gehstrecke viele Millionen Jahre an Erdgeschichte durchwandern. 

Facettenreiche Lebensgemeinschaften

In allen Höhenlagen haben sich eigene Tier- und Pflanzengesellschaften gebildet, angefangen von den Tiefen der Seen. Mit dem Obersee gilt der Königssee als kältester See Bayerns und fasst mit einer Fläche von etwa 5,3 Quadratkilometern und einer mittleren Tiefe von etwa 95 Metern rund 500 Millionen Kubikmeter. Dort gedeihen unter anderem Grün-, Joch- und Blaualgen, Seesaibling, Barsch, Elritze und Hecht sowie diverse Muscheln und Schnecken. Die Bergmischwälder zeichnet eine dichte Strauchschicht in einmaliger Vielfalt und eine Krautschicht mit Christrose, Türkenbund, Frauenschuh und vielen anderen Blütenpflanzen aus. Zur Fauna zählen seltene Arten wie Auer- und Haselhuhn, Berglaubsäger, Eisvogel, Feuersalamander oder Kreuzotter.

Besonderheiten dieser Gegend sind der Grüne Regenwurm und der nur hier vorkommende Alpen-Apollo-Falter. Groß ist die Vielfalt auch in den Nadelwäldern, wo sich der schwarze Alpensalamander, im Volksmund „Bergmandl“, besonders bei Regen wohlfühlt, sowie in den Strauchwäldern mit ihren Latschen, Bergkiefern, Alpenrosen, Zwergsträuchern und Flechten. In den Schneetälchen wachsen echte Experten wie die Soldanelle. Die Matten der „natürlichen Rasen“ in den Höhenzonen sind im Sommer ein buntes Blumenmeer. Leben regt sich sogar im Gletscher, wo sich eine rote Alge angesiedelt hat. Insgesamt gibt es im Nationalpark rund 700 Farn- und Blütenpflanzenarten, 500 Moosarten, 400 Flechtenarten, 80 Brutvogelarten, mindestens 35 Säugetierarten und  an die 2000 Pilzarten. 

Der Watzmann und die Reviere von Steinbock, Gams und Steinadler

Die Watzmann-Ostwand und die Eiskapelle werden vom Bayerischen Landesamt für Umwelt zu den 100 schönsten Geotopen Bayerns gezählt. Am Watzmann-Massiv, wo der Ramsauer Bergführer Johann Grill, der „Kederbacher“, als Erster 1868 den Watzmanngrat und 1881 die Watzmann-Ostwand durchstieg, ist das Revier von Reh-, Rot- und Gamswild, Schneehase, Alpenschneehuhn, Auer- und Birkhuhn und Steinadler. Den 1936 durch Hermann Göring – freilich aus egoistischen Jagdinteressen – angesiedelten Steinbock mit heute etwa 80 Exemplaren trifft man vor allem am Schneibstein und im Hagengebirge an.

1994 bis Ende 2000 setzte sich im Nationalpark-Gebiet ein Steinadler-Projekt unter Leitung von Ulli Brendel für den Schutz der Greifvögel ein. Derzeit geht man von etwa 15 Brutpaaren aus. Mittels einer in der Nähe eines Horstes angebrachten Kamera kann man in der Info-Stelle Klausbachhaus seit kurzem auch Adler beim Brüten beobachten. Das neue Projekt „Luftige Begegnungen“, das mit dem Deutschen Hängegleiterverband für ein entspanntes Miteinander in der Luft sorgt, wurde 2013 von der UN-Dekade „Biologische Vielfalt“ ausgezeichnet. 

Nationalpark soll sich in Region verankern

Als wichtige Zukunftsaufgabe sieht Nationalparkleiter Dr. Michael Vogel die Öffnung eines Nationalparks für die Region, die 2003 beim Welt-Kongress der Nationalparke in Durban die frühere Sicht der Parke als Inseln ablöste. Ein Ziel ist auch, den Wildnis-Anteil, das heißt die Kernzone, in Berchtesgaden von derzeit 66 auf 75 Prozent zu erhöhen. Ständiger Dialog und gemeinsame Landschaftsplanung mit den fünf Gemeinden im Nationalpark und seinem Vorfeld, das Umweltbildungszentrum „Haus der Berge“, geführte Wanderungen und Projekte wie eine neue Hängebrücke über den Klausbach mit seinen wunderbaren schuppenähnlichen Gesteinsformationen im Bachbett bringen Mensch, Region und Nationalpark zusammen.


Zähes Ringen: Geschichte der Entstehung des Nationalparks

An der Falkensteiner Wand am Königssee prangt ein eingemeißelter, riesiger „Assyrischer Löwe“, und am Watzmann kann man mit Hilfe der Bergbahn von einem „Watzmann-Kind“ zum nächsten fahren: So könnte es ohne das Engagement des BN und weiterer Naturschützer heute in den Berchtesgadener Alpen aussehen.

In Amerika, das im Taumel der Goldgräberstimmung lag, erkämpften einige mutige Männer 1872 den Yellowstone-Nationalpark – Vorbild für viele weitere Nationalparke weltweit. In den Alpen mehrten sich bald die mahnenden Stimmen und forderten, auch hier die Natur vor weiterem Raubbau zu schützen. Dem „Verein zum Schutze und zur Pflege der Alpenpflanzen“ gelang es 1910 mit Unterstützung des Forstamtes Berchtesgaden, 8.300 Hektar rund um den Königssee zum „Pflanzenschonbezirk“ zu erklären. Damit sollte vor allem der Handel mit Alpenpflanzen eingedämmt werden. 1916, während des Ersten Weltkriegs, drohte ein neuer Anschlag auf den Königssee. Norddeutsche Investoren planten, als eine Art Kriegsverherrlichung, in die Falkensteiner Wand am Königssee einen „Assyrischen Löwen“ meißeln zu lassen. Carl Freiherr von Tubeuf, erster Vorsitzender des 1913 gegründeten BUND Naturschutz, wetterte in Denkschriften gegen den Löwen und setzte sich mit Erfolg für ein Naturschutzgebiet ein. Letzteres erweiterte den Schonbezirk 1921 auf 20.400 Hektar. 

Trotz Naturschutzgebiet Bergbahn-Ambitionen

Das Schutzgebiet schreckte Bergbahn-Investoren allerdings nicht vom Griff nach dem Watzmann ab. Federn lassen musste das Gebiet 1952, als der Bayerische Landtag nach einer hitzigen Debatte dem Antrag auf eine Seilbahn an der Jenner-Nordseite stattgab. Die Jenner-Südseite blieb im Schutzgebiet. Gegen Bestrebungen, hier 1975/76 in Richtung Schneibstein einen Skizirkus zu errichten, machten sich die BN-Mitglieder Gerhard Huck und Peter Wörnle stark. Wörnle gehörte damals zum Team des im BN stark engagierten Planungsbeauftragten für den Nationalpark, Dr. Georg Meister. Bereits 1968 wurde in Berchtesgaden die „Watzmannbahn GmbH“ gegründet. Ihr gehörten der regionale Fremdenverkehrsverband, die Gemeinden Berchtesgaden und Ramsau sowie Privatpersonen an. Mit der Streitschrift „Der Kampf um den Watzmann“ warnten der Deutsche Naturschutzring (DNR), der Deutsche Alpenverein (DAV) und dessen Münchner Sektion, der das Watzmannhaus gehört, vor unwiederbringlicher Zerstörung des Landschaftsbildes. 

Geburtsstunde des Nationalparks

Schon 1953 hatte der erste Präsident des Deutschen Naturschutzrings, Dr. Hans Krieg, einen Alpennationalpark um den Königssee gefordert. Einen zweiten Vorstoß wagte der BN-Vorsitzende Hubert Weinzierl mit DNR-Präsident Dr. Wolfgang Engelhardt, Alfred Toepfer vom Verein Naturparke und Graf Lennart Bernadotte vom Deutschen Rat für Landespflege. Im Europäischen Naturschutzjahr 1970 stießen sie beim Bayerischen Ministerpräsidenten Alfons Goppel und bei Bayerns erstem Umweltminister Max Streibl auf Zustimmung.

Nach einem Landtagsbeschluss von 1972 trat am 1. August 1978 die Verordnung für den Nationalpark Berchtesgaden in Kraft. Der BN-Aktive Dr. Georg Meister durfte wegen seiner zu wenig regierungskonformen Haltung „sein Kind“, den Nationalpark, nicht leiten und wurde Chef des Forstamts Bad Reichenhall. Erster Nationalpark-Direktor wurde Dr. Hubert Zierl, dem 2001 Dr. Michael Vogel folgte. Den Bergbahn-Plänen war mit der Nationalpark-Gründung endgültig ein Riegel vorgeschoben.

Gründung der BN-Kreisgruppe

Seit 1971 bestand die BN-Kreisgruppe Laufen um Karl Robel und Richard Godl, aus der sich nach der Gebietsreform 1974 die Kreisgruppe Berchtesgadener Land gründete, mit Gerhard Huck als erstem Vorsitzenden. Wegen Unstimmigkeiten mit dem Landesverband legte Huck sein Amt noch im selben Jahr nieder. Neuer Vorsitzender wurde Wolfgang Illner; von da an gab es häufige Wechsel. Huck und Illner erkämpften, dass die Jenner-Südseite im Schutzgebiet bleibt. Huck dokumentierte 400 wild entsorgte Autowracks. Aus der Biwakschachtel in der Watzmann-Ostwand wurden unter seiner Leitung fünf Säcke mit Müll geholt und vom Seeleinsee 500 Flaschen und Büchsen zwischen den Edelweiß.

Später, 2001 bis 2002, setzte Huck durch, dass eine im Oktober 2000 errichtete Wetterstation von der Prachtwiese auf St. Bartholomä verlegt werden musste. Richard Schirmer, 1978 bis 1986 BN-Kreisvorsitzender, kämpfte gegen die Ablagerung von Klärschlamm der Gaststätte St. Barthomomä im Schuttfächer des in den Königssee mündenden Eisbachs. Ende der 80er-Jahre wurde schließlich auf Staatskosten eine Abwasserleitung durch den See gebaut und ans Kanalnetz angeschlossen. Dem nächsten BN-Kreisvorsitzenden Erich Prechtl lagen die Themen „Gesunder Bergmischwald“, „Wiedereinbürgerung des Luchses“ und Ausbau der Umweltbildung im Nationalpark ergänzend zur Forschung am Herzen. So machte er sich für ein Bildungszentrum am Klausbachhaus stark. Er bedauerte, dass ein Luchs-Projekt keine Chance hatte, weil Umweltminister Peter Gauweiler es vorzeitig bekannt gegeben und Bauern und Jäger dagegen aufgebracht habe. 

Haus der Berge und neue Begehrlichkeiten

Im Mai 2013 öffnete schließlich in Berchtesgaden unter Federführung von BN-Mitglied Ulli Brendel von der Nationalparkverwaltung und mit jahrelanger Unterstützung der BN-Kreisgruppe unter Vorsitz von Rita Poser (ab 2007) das Nationalpark-Umweltbildungszentrum „Haus der Berge“. Unter Poser engagierte sich die Orts- und Kreisgruppe 2011 beim Bau der Wasser-, Abwasser- und Stromleitung zur Blaueishütte gegen die Verlängerung des Fahrwegs zur Hütte, die schon 1985 bei der Hauptversammlung des Deutschen Alpenvereins in Memmingen abgewehrt wurde. So konnten die artenreichen Lebensräume unterhalb des Blaueisgletschers vor der Erschließung und Zerschneidung gerettet werden.

Und was muss weiter getan werden? Dazu erklärt Rita Poser: „Die denkmalpflegerisch wertvollen Objekte wie die historischen Almkaser mit Schindeldächern, die Felsritzzeichen oder das landschaftsprägende Gebäudeensemble von St. Bartholomä sind möglichst ursprünglich zu erhalten. Genauso wie die Almwirtschaft und die Artenvielfalt der Almwiesen, für die eine Behirtung wünschenswert und als gesellschaftlicher Auftrag finanziell zu unterstützen ist. Die Rückkehr von Wolf, Luchs und Bär - auch für die Wildbestandsregulierung – wäre eine ganz besondere Auszeichnung.“