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Tourismus in den Alpen: Freizeitparadies Bayerische Bergwelt?

Viele Millionen Touristen und Tagesausflügler besuchen jährlich die bayerischen Alpen. Doch nicht alle Aktivitäten sind für den sensiblen Naturraum gleich gut geeignet, beginnend bei der Anreise. Der Tourismus ist einerseits wichtige Einnahmequelle und lebt von intakter Natur, andererseits gefährden Bauprojekte und andere Eingriffe oder Störungen das Ökosystem Alpen. 

Hauptanziehungspunkte für den Tourismus in den Alpen sind die Natur und die vielfältigen Möglichkeiten für naturorientierte Aktivitäten. Wandern, Schwimmen und Radfahren rangieren dabei deutlich vor dem (Alpin-)Skifahren, das jedoch eine der größten Belastungen im Bereich der Freizeitaktivitäten darstellt. Der Tourismus ist wichtiges wirtschaftliches Standbein vieler Alpengemeinden, dabei ist er wie kaum ein anderer Wirtschaftszweig auf eine intakte Natur und Umwelt angewiesen. Während jedoch manche Branchen die Zeichen der Zeit erkannt haben und sich um Naturverträglichkeit bemühen – Stichwort „sanfter Tourismus“ oder „Ökotourismus“ –, werden in anderen weiter Großprojekte und -Veranstaltungen geplant, und wird die Naturzerstörung vorangetrieben, wie es zwischenzeitlich am Riedberger Horn geplant war.

Von der Traumlandschaft zum übernutzten Berggebiet

Kilometerlange Staus, zugeparkte Ortschaften und Karawanen von Menschen auf Wanderwegen: Wie kann das steigende Bedürfnis nach Erholung in intakten Landschaften und einem immer individueller gestalteten Bergurlaub in Einklang gebracht werden mit dem Schutz der Bergwelt? Wie kann verhindert werden, dass die Ortschaften in den Alpen völlig im Verkehr ersticken? Der BUND Naturschutz (BN) hat dazu die Studie „Von der Traumlandschaft zum übernutzten Berggebiet“ erarbeitet, die die alarmierenden Entwicklungen aufzeigt, mit der der Verband aber auch umfangreiche Vorschläge für einen dauerhaft naturverträglichen Tourismus vorlegt.

Corona führt zum Boom von autofahrenden Tagestouristen

Der Ausbruch der Corona-Pandemie mit dem Lockdown hat zunächst zu großer Ruhe in den Bergen, gleichzeitig aber auch zu Sorgen in den vom Tourismus abhängigen Gemeinden geführt. Die Lockerungen der Coronabeschränkungen haben den Besucherdruck aufs Gebirge dann wieder steigen lassen. Urlaub im Inland ist angesagt und das Ventil der Fernreisen fehlt. Die Situation im Sommer und Herbst 2020 war in den Alpen geprägt von unglaublichen Menschenmassen, die vorwiegend mit dem eigenen Auto anreisten.

Krisen wie Corona führen zu erheblich mehr Nahurlaub, mit allen Problemen der Überfüllung des alpinen Raums. Das Coronajahr hat viele der ohnehin stattfindenden Veränderungen des Alpentourismus offensichtlich gemacht. Ziel muss es sein, aus den Erfahrungen zu lernen und die richtigen Schlüsse für die Entwicklung zu ziehen: Vor allem der Tagestourismus mit dem Auto muss zugunsten eines etwas ruhigeren und verkehrsärmeren Übernachtungstourismus begrenzt werden.

 

BUND Naturschutz zur Zukunft des Alpentourismus

  • Urlaubsorte setzen stärker auf Attraktivität als auf schnelle Erreichbarkeit.
  • Mehrwöchige Urlaube sind die Regel anstelle mehrerer Kurzurlaube.
  • Gesundheits-, Wellness- und landschaftsorientierter Tourismus sind die wichtigsten Tourismussegmente.
  • Umweltschädigende Subventionen (etwa für die Wintersportinfrastruktur) werden eingestellt.
  • Alpiner Skitourismus beschränkt sich auf wenige besonders hoch gelegene Gebiete.

Die wenigen noch existierenden Naturschneeskigebiete sind inzwischen besonders reizvoll. Die Urlauber können aus einer Vielzahl von Erlebnisangeboten zu regionalen Besonderheiten jeder Urlaubsregion wählen. Wellnessangebote boomen auch im Winter, meist in Verbindung mit Naturerlebnissen, Winterwanderungen, Nordic Walking und vielem mehr.

  • Restriktive Genehmigung von Sportarten mit Infrastrukturbedarf, Baustopp für neue Infrastrukturvorhaben in bisher unberührten Gebieten.
  • Subventionen für nicht umweltverträgliche Freizeit- und Sportanlagen sollen gestrichen werden.
  • Feriendörfer mit Zweitwohnungen, pseudo-folkloristische Chaletdörfer sprengen harmonische Ortsbilder, sind extrem flächenintensiv und sollten nicht mehr genehmigt werden.
  • Großveranstaltungen sollten nur dann durchgeführt werden, wenn sie strenge Umweltauflagen einhalten.
  • Verzicht auf den Ausbau vorhandener sowie den Neubau weiterer Beschneiungsanlagen, Sperrung von Pisten wenn die natürliche Schneelage unzureichend ist. Verlagerung von öffentlichen Fördermitteln auf neue Urlaubsformen im Winter und Entwicklung regionaler Urlaubsprofile.
  • Keine Zulassung von Bergwald-Rodungen.
  • Langfristige Gesamtkonzepte der Staatsregierung für Skigebiete und Ausrichtung der Genehmigungspraxis an solchen Gesamtkonzepten.
  • Verstärkte Förderung alternativer Wintersportfreizeiten an bayerischen Schulen.
  • Konsequente und restriktive Beachtung der Ziele der Alpenkonvention.
  • Keine weitere staatliche Förderung und Schwerpunktsetzung im Alpin-Skisport durch die bayerische Staatsregierung.
  • Abkehr von der massiven Werbung für Alpin-Skisport, stattdessen Förderung und Darstellung der zahlreichen vielfach schon vorhandenen alternativen Angebote durch die bayerischen Fremdenverkehrsgemeinden.

 

Der Run auf die Berge – hat der Alpentourismus seine Grenze erreicht?

Die Belastungsgrenze für den bayerischen Alpentourismus ist bereits überschritten:

  • Der Tourismusverkehr führt zum ständigen Ausbau des Straßen- und Wegenetzes sowie von Parkplätzen. Ein von manchen angestrebter Ausbau der Verkehrsinfrastruktur auf touristische Spitzenlastzeiten ist unmöglich. Rund 75 Prozent der CO2-Emissionen im Alpentourismus stammen aus dem Verkehrssektor. Mehr Informationen finden Sie in unserer Broschüre Bergstraßen autofrei! (PDF) sowie in BN informiert "Autofreie Berge" (PDF).
  • Für die Sommermonate lassen sich Bergbahnen immer neue Attraktionen einfallen, etwa die 2010 eingeweihte Aussichtsplattform AlpspiX unterhalb der Zugspitze, die unter anderem von BN und Alpenverein (DAV) kritisiert wird. Der Ausbauboom betrifft aber auch Sommerrodelbahnen, Fluginstrumente, Großspielplätze und Klettergärten – Natur- und Landschaft sind hier nur noch Kulisse von künstlichen Events.
  • Die Individualisierung der neuen Boom-Sportaktivitäten belastet die Natur: von Tourengehen und Schneeschuhwandern im Winter bis zu Canyoning, E-Bike-Touren, Klettern im Sommer. Um diese Individualsportarten umweltfreundlich zu betreiben, sind Regeln und eine gute Besucherlenkung notwendig. Nur dann können Ruheräume für Tiere und Pflanzen bewahrt werden.
  • Trotz schlechter Perspektiven angesichts der Klimaerwärmung dreht sich die Wachstumsspirale im alpinen Skisport mit Schneekanonen, Speicherteichen und Liftbauten weiter.
  • Sport-Großveranstaltungen mit vielen Tausend Teilnehmern benötigen immer aufwendigere Infrastrukturen für einen kurzen Veranstaltungszeitraum, oft verbunden mit erheblichen Eingriffen in Natur und Landschaft. Daher werden diese Großevents, wie die olympischen Winterspiele, auch immer häufiger von der einheimischen Bevölkerung abgelehnt.

Zahlen und Fakten zum Tourismus in den Alpen

Von wenigen Ausnahmen abgesehen steigen die Besucherzahlen in den bayerischen Alpen in den vergangenen 20 Jahren kontinuierlich an. Das betrifft insbesondere die Tagestouristen. Daneben sind aber auch die Freizeitansprüche der Einheimischen stark gestiegen und tragen zur Gesamtbelastung bei. Ortskundige Einheimische sind nicht selten bemüht, Nutzungsdruck und Rummel zu entfliehen und in bisher ruhige Gebiete vorzudringen.

Die Zahl der Übernachtungsgäste hat in den bayerischen Alpengemeinden zwischen 2000 (rund 4,5 Mio.) und 2019 (7,2 Mio.) um rund 37 Prozent zugenommen. 2019 standen über 7 Mio. Übernachtungsgästen mit knapp 28 Mio. Übernachtungen rund 90 Mio. Tagesgästen gegenüber. Dabei gibt es regionale Unterschiede: Im Oberland südlich von München kamen auf eine Übernachtung im Durchschnitt 5 Tagesgäste, im Allgäu und südostbayerischen Alpenland jedoch nur 3 Tagesgäste.

Die Aufenthaltsdauer hat sich in den vergangenen 25 Jahren jedoch halbiert, der Anstieg der Übernachtungen fällt somit deutlich geringer aus.

Durch die kontinuierlich sinkende Aufenthaltsdauer (von zwölf auf sechs Tage in 25 Jahren) ist die Zahl der Übernachtungen insgesamt langsamer angestiegen: Diese gingen zunächst von 26,8 Millionen im Jahr 2000 auf 23,5 Millionen im Jahr 2010 zurück, um dann wieder auf 27,6 Millionen im Jahr 2019 anzuwachsen. Auch diese Entwicklung lief in den Landkreisen allerdings uneinheitlich.

Passt das E-Bike in die Alpen?

Der Boom von Fahrrädern mit elektrischem Antrieb stellt auf der Straße einen Beitrag zur Verkehrswende dar. Doch die Erfindung treibt auch andere Blüten: In alpinen Räumen revolutioniert das E-Bike die Erreichbarkeit von bisher ungenutzten Räumen. In diesem Zusammenhang rückt das Naturerlebnis in den Hintergrund, verkommen die Berge zu Kulisse und Funpark – mit ungewünschten Nebenwirkungen für alpine Flora und Fauna. Der BN Landesarbeitskreis Alpen hat daher ein Diskussionspapier über den Umgang mit E-Bikes in alpinen Räumen erstellt. Diskussionspapier über E-Bikes (PDF)

Lesen Sie außerdem die Kurzfassung mit rechtlichem Hintergrund und Handlungsmöglichkeiten (PDF).

Die touristische Entwicklung muss sehr behutsam erfolgen, dass nicht der Satz von Hans Magnus Enzensberger eintrifft: „Der Tourist zerstört, was er sucht, indem er es findet.“ Sommers wie winters ist es Zeit für Urlaubs- und Erholungsangebote, die Mensch und Natur respektieren, fern von zerstörerischem Massentourismus in den Alpen. Der BN engagiert sich auf vielen Ebenen für die Naturverträglichkeit von Tourismus, Freizeit und Sport. Pressearbeit und Aktionen zeigen Defizite auf. Eigene Angebote für Exkursionen, Reisen und Wanderungen sensibilisieren für Wert und Empfindlichkeit der Alpen.


Umweltverträgliche Reisen und touristische Angebote gibt es auch vom BUND Naturschutz:

BUND-Reiseportal Naturerlebniszentrum Allgäu

Käsewanderweg statt Aussichtsplattform

Wie bei allem kommt es auch beim Freizeittourismus in den Alpen auf das richtige Maß an. Einerseits liegen Begriffe wie Entschleunigung und Downsizing im gesellschaftlichen Trend, andererseits wird mit einem enormen Aufwand daran gearbeitet, Besucherzahlen und Einnahmen zu erhöhen – häufig auf Kosten der Natur. Am Ende wird es auch davon abhängen, inwieweit die Urlaubsgäste Natur und sanfte Tourismuskonzepte honorieren, mit öffentlichen Verkehrsmitteln und für längerfristige Aufenthalte anreisen oder sich doch von den zahlreichen Eventangeboten umwerben lassen. Die Lösungen für natur- und umweltverträglichen Tourismus, bei dem zugleich die Alpenkultur erhalten bleibt, liegen auf dem Tisch. Achten Sie bei Ihrer Urlaubsplanung darauf:

  • Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln
  • Verhältnis Einheimische und Gästebetten maximal 1:2
  • In der Gastronomie werden regionale Produkte bevorzugt
  • Verzicht auf umweltschädliche Funsportarten
  • Wandern, Schwimmen und Wellnessangebote nutzen

Wintersport: Alternativen zum Alpinski gesucht

Der Weltklimarat IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) prognostiziert weltweit erhöhte Durchschnittstemperaturen, selbst wenn heute konsequent Klimaschutz betrieben und das Pariser Klimaschutzziel von 2015 erreicht würde. Die Schneesicherheit in den bayerischen Alpen und Mittelgebirgen schwindet, seit den 1980er-Jahren sind immer mehr Skiveranstaltungen dem Schneemangel zum Opfer gefallen. Das bedeutet: Weniger Schnee bei weiterem Ausbau der Skigebiete. Anstatt der schwindenden Schneesicherheit durch alternative Angebote Rechnung zu tragen, soll eine Aufrüstungswelle mit Beschneiungsanlagen und höheren Liftkapazitäten Abhilfe schaffen.

Dabei zeigen Studien: Auch die sogenannten Wintersportorte der bayerischen Alpen werden von einer Mehrheit nicht zum Alpinskifahren besucht. Naturverträglichere Aktivitäten wie das Winterwandern, abseits von Verkehrslärm und Hektik auf geräumten Wegen oder mit Schneeschuhen, Langlauf, Skitouren oder Rodeln sollten weiter beworben werden und sind jetzt schon eine immer beliebter werdende naturverträgliche Alternativen zum Alpin-Skisport. Und nicht zuletzt die Wellnessangebote bieten oft sanfte Tourismusansätze jenseits anonymer Bettenburgen und unnötigem Naturverbrauch. Ruhe und Winterstille sind nicht im Skizirkus zu finden, der die Natur belastet. Sanfter Tourismus beinhaltet allerdings auch Regeln für die zunehmenden Individualtouristen: Um Naturgenuss dauerhaft zu ermöglichen und Ruheräume für Tiere und Pflanzen zu bewahren, werden Maßnahmen zur Lenkung der Besucherströme immer wichtiger. Der Ausbau von Seilbahnkapazitäten geht dagegen in die völlig falsche Richtung, zumal zu deren Auslastung im Sommer dann neue Erlebniselemente erfunden werden.

Wanderer genießen den Ausblick: Sanfter Alpentourismus. (Foto: jasckal - stock.adobe.com)
„Zwanzig Jahre lang prägt das Skifahren als „moderne Freizeitaktivität den Winterurlaub, während der Sommerurlaub weiterhin auf die herkömmliche Weise abläuft. Dann aber entstehen ab 1985 auch im Sommer zahlreiche neue „Aktivsportarten“ wie Mountainbiking, Riverrafting, Paragliding usw., bei denen jeweils das eigene Körpererleben im Zentrum steht und die schöne Landschaft zur Randerscheinung wird. Die bloße kontemplative Wahrnehmung der Berge in der Form der ästhetischen Bewunderung ruft jetzt keine intensiven Erlebnisse mehr hervor (...)".
Alpenforscher Werner Bätzing in „Die Alpen: Geschichte und Zukunft einer europäischen Kulturlandschaft“

Der Wintersport hat viele Facetten: Ob beim Rodeln oder (Schneeschuh-)Wandern, Langlauf oder auf Skitouren, Alpinski oder dem Snowboard, auch in verschneiter Landschaft genießen viele Menschen die Natur und den Reiz, an der frischen Luft aktiv zu sein. Doch während einige Sportarten nahezu ohne Gerät und Infrastruktur auskommen, werden für andere Berge verbaut, künstliche Seen geschaffen und Wälder gerodet. Wintersport und Umwelt stehen zunehmend in Konkurrenz. Dabei ist intakte Natur weiterhin Voraussetzung für die Erholungsfunktion.

    Insbesondere folgende Probleme machen den Alpen zu schaffen:

    • Liftbau (Landschaftsbild, Störungen durch Baumaßnahmen bei einer langen Regenerationszeit der Natur im alpinen Bereich)
    • Erosion (Schädigung der Hänge, Rodung von Wald, Murenabgänge)
    • Betrieb (gestörte Winterruhe, Abseits-der-Pisten-Fahrer)
    • Beschneiung (energieaufwändig, für Speicherseen wird in den Wasserhaushalt eingegriffen)
    • Verkehrszunahme (meist motorisierter Individualverkehr für die An- und Abreise sowie zu den Talstationen)
    • Hotel- und Ferienwohnungsbau

    Schneekanonen und Aufrüstungsspirale

    Als vor rund 100 Jahren die ersten Lifte errichtet wurden, war die heutige Entwicklung nicht abzusehen. In den bayerischen Alpen gibt es 436 Lifte, während kleine Dorflifte den Betrieb einstellen, erweitern die Skigroßräume ihre Kapazitäten stetig. Weitere Ausbauten, die diese Zahlen noch steigern, sind nicht mit einem natur- und umweltverträglichen Tourismus vereinbar – doch der Sport folgt nicht der natürlichen Entwicklung: Seit den 1980er-Jahren sind immer mehr Veranstaltungen fehlendem Schnee zum Opfer gefallen, da die sogenannte Schneesicherheit infolge der globalen Temperaturerwärmung abnimmt.

    Klimaforscher sagen voraus, dass die Winter bis Ende des nächsten Jahrhunderts um drei bis vier Grad Celsius wärmer werden sollen. Dennoch versuchen Liftbetreiber immer weiter in Richtung Gipfel auszuweichen und mit Kunstschnee die Talabfahrten durch grüne Wiesen zu sichern: In Bayern werden nach Angaben des Verband Deutscher Seilbahnen rund 25 Prozent der Skiräume künstlich beschneit (Stand 2024), Kritiker wie der Deutsche Alpenverein rechnen dagegen mit mehr als der Hälfte beschneiter Pistenfläche (vergleiche Bayerischer Rundfunk: Beschneite Pisten). Österreich (2009) und Italien (2012) geben ebenfalls bis zu 70 Prozent an, obwohl dies nach der internationalen Alpenkonvention nur für exponierte Lagen zulässig ist. Ein Blick zum Nachbarn Österreich zeigt, wohin dies führen kann: Der „Europameister“ in diesem Bereich gab in der Saison 2015/2016 über 154 Millionen Euro für die Beschneiung der Pisten aus, hinzu kamen die übrigen Kosten für Instandhaltung und Ausbau der Liftanlagen.

    Der BN ist überzeugt: Man muss einer künstlichen Beschneiung entweder zustimmen und sich aller negativen Konsequenzen bewusst sein, oder man muss sie ablehnen. Mittelwege sind nach den Erfahrungen der Vergangenheit unmöglich.

    Der BUND Naturschutz lehnt den Einsatz von Kunstschnee ab, weil er zahlreiche negative Auswirkungen auf die Natur hat und den notwendigen Strukturwandel auf Kosten der Allgemeinheit unnötig hinauszögert.

    Beschneiungsanlagen, auch kurz Schneekanonen genannt, wandeln Wasser in Kunstschnee um. Dabei kommen unterschiedliche Typen zum Einsatz, die sich hinsichtlich Energieverbrauch, Lärmbelastung, nötigen Ausgangstemperaturen, Wartungs- und Windanfälligkeit unterscheiden. Im Prinzip wird Luft unter hohem Druck hinzugefügt, was die Gefriereigenschaften des Wassers verändert, somit funktionieren die Systeme auch bei Temperaturen um die Null Grad Celsius. Die Schneeproduktion ist aber auch von der Umgebungsluftfeuchtigkeit und dem Luftdruck abhängig. Die Struktur von Kunstschnee unterscheidet sich stark von Naturschnee, angefangen bei Form und Größe der Kristalle bis hin zur höheren Dichte ist technischer Schnee für Skifahrer nicht so angenehm zu befahren und weniger naturverträglich. Manche Länder nutzen zudem chemische Hilfsmittel (Snow-Inducer), um Kunstschnee bei höheren Temperaturen produzieren zu können. In Bayern ist der Einsatz verboten.

    Schneekanonen sind nicht allein durch die technischen Anlagen, die entlang der Piste gebaut werden müssen, problematisch. Auch durch die künstlichen Speicherseen wird in die empfindliche Alpennatur eingegriffen, diese halten sommers wie winters Wasser zurück und stören den natürlichen Wasserhaushalt. Hinzu kommt der hohe Energiebedarf der Beschneiungsanlagen, der sich zusätzlich erhöht, wenn das Wasser von niedriger gelegenen Speicherseen zu ihnen hochgepumpt werden muss. Und schließlich ist der Kunstschnee durch höhere Dichte schwerer als Naturschnee, kann die darunterliegende Vegetation beschädigen (Sauerstoffmangel, Schneeschimmelbefall und Fäulnisprozesse) und zu Hangrutschungen führen. Dabei ist der Kunstschnee bei Skifahrern nicht einmal beliebt: Härtere Stürze und anderes, unangenehmes Fahrverhalten sind das Eine. Darüber hinaus entspricht die einsame weiße Abfahrt in ansonsten grüner Umgebung nicht den Wintersportvorstellungen der Mehrheit, wie Umfragen belegen.

    Eine statistische Auswertung der Schneehöhen in bayerischen Skigebieten zeigt, dass der Aufwand für künstliche Beschneiung immer größer wird, um die zum Skifahren notwendigen Schneehöhen zu erreichen. Selbst Schneekanonen können in Zeiten des Klimawandels immer seltener eine ausreichende Schneehöhe garantieren. Beispiel Balderschwang: Hier wird seit Mitte der 1990er-Jahre künstlich beschneit. Waren die klimatischen Bedingungen für Kunstschnee gut, so lag in den vergangenen Jahren bereits so viel natürlicher Schnee, dass eigentlich keine künstliche Beschneiung nötig war. Lag jedoch umgekehrt zu wenig natürlicher Schnee, so waren die Bedingungen so schlecht, dass sich auch die Beschneiung wirtschaftlich nicht lohnte. Die tatsächlichen Schneehöhen sind trotz künstlicher Beschneiung gesunken. 
    Studie: Die Entwicklung der Schneehöhen in den bayerischen Skigebieten von 1978 bis 2017 unter dem Einfluss künstlicher Beschneiung (PDF, 2017)

    • Verzicht auf den Ausbau und Neubau weiterer Beschneiungsanlagen
    • Keine Steuermittel und keine staatlichen Subventionen mehr für Schneekanonen, Spitzensportstätten und Neuerschließungen mit Seilbahnen
    • Verlagerung von öffentlichen Fördermitteln auf neue Urlaubsformen im Winter und Entwicklung regionaler Urlaubsprofile
    • Sperrung von Pisten bei unzureichender natürlicher Schneelage
    • Erstellen von Ökobilanzen und Umweltverträglichkeitsprüfungen für bestehende Anlagen

    Aktuelle Infos zu Auswirkungen der Klimaerwärmung auf den Wintersport

    Studie: Der gekaufte Winter

    Freizeit: Echter Naturgenuss vs. Eventtourismus vor der Bergkulisse

    Neben dem alpinen Skisport mit seinen zahlreichen Nebenerscheinungen wie Liftinfrastruktur oder Beschneiungsanlagen stehen auch die übrigen Freizeitaktivitäten im Alpenraum in der Verantwortung. Erholungssuchende sollten stets beachten, dass sie sich in einem hochfrequentierten, sensiblen Naturraum befinden, der besonderer Rücksicht bedarf, die er derzeit nicht erhält.

    Als hätte die Region mit Landschaft und Natur nicht genug zu bieten: Viele Gemeinden betonen eine ökologische Ausrichtung ihrer Urlaubsangebote, doch die Umsetzung sieht anders aus. In den vergangenen Jahren hat die Belastung der Berge in zahlreichen Bereichen zugenommen, dabei wäre die Lösung einfach, sie lautet: Sanfter Tourismus Alpen.

    • Infrastruktur: ob Ausbau von Kletterrouten oder das Anlegen von Golfplätzen und Aussichtsplattformen, die langen Regenerationszeiten im alpinen Bereich machen Eingriffe problematisch
    • Action-Sportarten: Natur und Landschaft geraten aus dem Blick, Wildwasserfahrten in zuvor unzugänglichen Bereichen, schnelle Mountainbikeabfahrten oder Seilbahnverkehr zu Paraglide-Startplätzen nehmen zu. Durch Trendsportarten werden die letzten Ruhezonen angetastet und dort Schäden an Flora und Fauna verursacht.
    • Eventtourismus: durch Großveranstaltungen werden regelmäßig Belastungsgrenzen der kleinräumigen Region überschritten
    • Im Betrieb: Seilbahnen, der Ausbau von bewirtschafteten Hütten und Verkehr auf den Fahrwegen dazu stören die Ruhe
    • Zunahme des Verkehrs: Die motorisierte An- und Abreise wie auch Fahrten rund um den Urlaubsort machen rund die Hälfte des Alpenverkehrs aus. Immer mehr Straßen- und Parkplätze werden auf touristische Spitzenlastzeiten ausgebaut. Manche Alpenstraßen dienen ausschließlich dem (motorisierten) Freizeitverkehr.
    • Bau von Zweitwohnungen und Hotels führt auch in den Alpen zu unnötigem Flächenverbrauch: Fremdenverkehr ist das Hauptstandbein mancher Alpengemeinden, abseits der Hochsaison werden sie zu Geisterstädten