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Tiere und Pflanzen

Klimawandel in den Alpen: Gefahr für Artenvielfalt und Wasserhaushalt

Die Bergwelt ist ein besonders empfindlicher Lebensraum, in dem Veränderungen besonders schwere Folgen haben. Das gilt auch für die Wirkung des Klimawandels: Die Durchschnittstemperaturen steigen hier doppelt so schnell wie im globalen Durchschnitt. Ob Vegetationsperiode, Wasserhaushalt, Schneegrenze oder Gletscher, das ganze System gerät aus dem Takt. Dies wirkt sich nicht nur auf die Artenvielfalt vor Ort, sondern über die großen europäischen Flüsse auf das Leben auf dem ganzen Kontinent bis zu den Meeren aus.

In den Alpen gibt es eine beachtliche Artenvielfalt, nicht zuletzt, weil sich Alpenfauna und Alpenflora hier lange Zeit ohne äußere Einflüsse entwickeln konnten oder Rückzugsorte aus der dichter besiedelten Ebene fanden. Hinzu kommen die raschen Wechsel der Landschaftsformen mit sehr speziellen Lebensbedingungen: zum Beispiel große Temperaturunterschiede zwischen Nord- und Südhängen, dunkle Täler, helle Gipfel, Schnee und Eis. Die Vegetationsperioden sind besonders in den Höhenlagen kurz, vielfach dünne und nährstoffarme Bodenschichten über dem Fels haben alpine Pflanzen – und infolge der Nahrungskette auch Tiere – zu Überlebenskünstlern werden lassen.

Der Klimawandel in den Alpen bedroht dieses empfindliche System auf mehrfache Weise: Aufgrund steigender Durchschnittstemperaturen weicht die Gebirgsflora immer weiter Richtung Gipfel aus: Sieben Jahre lang haben Wissenschaftler des internationalen Netzwerks GLORIA die Bereiche von 66 europäischen Berggipfeln untersucht. In ihrer 2012 in der Zeitschrift Science veröffentlichten Studie stellten sie fest, dass sich wärmeliebende Arten zunehmend nach oben ausbreiten. Die neue Konkurrenz bedroht jedoch dort bereits ansässige Arten, diese können – ebenso wie Pflanzen, die an eher kalte Temperaturen angepasst sind – nicht weiter ausweichen: am Gipfel ist Schluss, zumal es Pflanzen nicht möglich ist, ihren Standort beliebig zu wechseln.

Folgen des Klimawandels: Ausgetrocknete Feuchtgebiete und Gletscherschmelze

Alpine Feuchtgebiete sind vielfach nicht besonders groß und tief – durchschnittlich kleiner als ein Hektar bei weniger als einem Meter Wassertiefe. Dabei handelt es sich unter anderem um Quellaustritte, flache Stellen, an denen Grundwasser zur Oberfläche drängt, sowie die Ausläufer von Schneefeldern oder Gletschern. Schon die genannten Beispiele und Rahmenbedingungen zeigen, dass diese Lebensräume sehr anfällig für klimatologische und hydrologische Veränderungen sind. Die Gletscherschmelze in den Alpen ist hier nur ein besonders eindrucksvolles Beispiel, sie wird zum Beispiel von der Gesellschaft für ökologische Forschung kontinuierlich dokumentiert.

Durch die Zunahme der globalen Durchschnittstemperatur steigt zudem die Schneegrenze: In der unteren Atmosphäre nimmt die Temperatur je 1000 Höhenmeter im Mittel um sechs Grad Celsius ab. Steigt die Temperatur im Jahresmittel um zwei Grad Celsius, so verschiebt sich die Schneegrenze somit um etwa 300 Meter nach oben – deutlich spürbar zum Beispiel in den Skigebieten der bayerischen Alpen. Doch auch für Flora und Fauna bedeutet das Wegfallen ganzjährig mit Schnee bedeckter Lebensräume eine Herausforderung.

Größere Schneemengen, Hochwasser- und Lawinengefahr

Das Klima ist ein komplexes Zusammenspiel vieler Faktoren, Veränderungen können sich vielfältig – und bisweilen überraschend – auswirken. So ist nach den Unwettern der vergangenen Jahre immer wieder die Rede davon, dass Extremwetterereignisse in Zukunft zunehmen werden. Dies betrifft auch den Klimawandel in den Alpen. Wärmere Luft kann mehr Wasser aufnehmen, der in den Wintermonaten in den Bergen als Schnee zur Erde fällt. Kurzfristig findet sich in den Alpen somit mehr Wasser, das in durchschnittlich wärmeren und nasseren Frühjahren über die Flüsse abfließt und entlang deren Lauf zu Hochwasser führt. Außerdem wächst durch die extremen Schneemengen die Gefahr von (Nassschnee-)Lawinen. Auch aufgeweichte, beispielsweise durch intensive Almbewirtschaftung vorgeschädigte Böden geraten ins Rutschen und gehen als Muren zu Tal. Diese Geröll- und Schlammlawinen wurden in der Vergangenheit vorwiegend durch Gestein ausgelöst, das durch Niederschläge durchfeuchtet und schwer geworden war.

Ein gesunder Schutzwald, dessen tiefes Wurzelwerk den Boden zusammenhält, kann Muren verhindern, doch die Bäume in den Alpen sind vielerorts geschädigt (siehe auch Bergwald). Da durch die Klimaveränderung die Starkregenereignisse zunehmen, rechnen Experten künftig auch mit mehr Murenabgängen. Hinzu kommt in den Alpen das Abtauen von Gletschern und Permafrostböden, wie beispielsweise an der Zugspitze. Muren haben eine hohe Energie und können große Verwüstungen anrichten, etwa an Schienen, Straßen oder Häusern.

Hotspot Gletscher

Zu den sichtbarsten Veränderungen in den Alpen durch den Klimawandel gehört die Entwicklung der Gletscher. Die Glaziologen (Gletscher-Experten) halten das komplette Abschmelzen des „ewigen Eises“ in den kommenden 20 bis 30 Jahren für unabwendbar, die Hälfte der bayerischen Gletscherfläche ist bereits verloren. Fünf Gletscher gibt es hierzulande, Höllentalferner, Watzmanngletscher, Blaueis sowie Nördlicher und Südlicher Schneeferner. Besonders der letztgenannte ist seit 1945 geschrumpft, um 87 Prozent der damaligen Fläche beziehungsweise um 94 Prozent seines Volumens. Um das Abschmelzen des Nördlichen Schneeferners zu verlangsamen, wurde dieser Gletscher in den Sommermonaten von 1993 bis 2012 mit Plastikplanen abgedeckt. Mit der Initiative wollte die Bayerische Zugspitzbahn das Skigebiet am Zugspitzplatt sichern. Die Schmelze beschleunigte sich jedoch so stark, dass sich auch das Abdecken nicht mehr lohnt.

Heute wird im Frühjahr nur weißer Schnee auf den Gletscher gebracht, um mehr Sonnenstrahlung zu reflektieren. Der Watzmanngletscher wiederum stellt eine Ausnahme dar: Sein Volumen ist erst seit den 1950er-Jahren dokumentiert, in den 1980er-Jahren war er auf 454 Prozent dieser belegten Größe angewachsen. Doch mittlerweile ist auch sein Volumen auf 92 Prozent gesunken. Für die großen wie für die verhältnismäßig kleinen bayerischen Gletscher gilt: Ist das Eis erst einmal geschmolzen, so ist das Wasserreservoir verloren, das zuvor in den Sommermonaten kontinuierlich die Alpenflüsse speiste.