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G7, Klimapolitik und Ukrainekrieg

Zur Position des BUND Naturschutz zum G7-Gipfel in Elmau

24.06.2022

Die G7 sind ein unverbindlicher Gesprächskreis einiger reicher Industrieländer. Sie hinken bei ihren klimapolitischen Hausaufgaben seit Jahrzehnten hinterher. Das gilt auch für ihre Klimaschulden aus über einem Jahrhundert fossilen Wirtschaften, genauso für die Kompensationen gegenüber den Ländern des globalen Südens.

In allen sieben Ländern (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada, USA) gibt es steigende, unterschiedlich große Investitionen in die Erneuerbaren Energien.

Der Ukrainekrieg und die Embargos verstärken bereits vorhandene Preissteigerungen; beide sind ein willkommener Vorwand für Spekulant*innen und führen zu weltweiten Verschiebungen fossiler Energien. Inwieweit die Bemühungen um krisensichere Erneuerbare Energie verstärkt werden, lässt sich global noch nicht sicher bestimmen.

Das G7-Treffen 2022 in Elmau wird vom Krieg und den klimapolitischen Folgen dominiert. Zur besseren Einschätzung der Akteure sind hier einige der wichtigsten Punkte aufgeführt. Für die meisten Akteur*innen sind die aktuellen Probleme der Versorgung und der Preisanstiege das Top-Thema. Die Klimabewegung muss für die richtigen Folgerungen aus den Problemen kämpfen.

Hitze

Länder wie Australien, Chile, Pakistan oder Indien kennen wiederkehrende Hitzewellen. Die Auswirkungen der Erdüberhitzung der letzten Jahre sind dort und in anderen Ländern aber bereits jetzt zu einer existenziellen Bedrohung geworden. In Indien wird das „cool roofs“-Programm, bei dem Dächer entweder begrünt oder mit reflektierenden Anstrichen versehen werden, teilweise mit Mitteln des Gesundheitsprogramms bestritten. Wo das Programm umgesetzt wird, sinkt die Sterberate.

Die Erdüberhitzung bremst nicht wegen eines schrecklichen Krieges. Wir müssen beide Probleme lösen. Das gilt auch für die reichen G7-Länder.

Der Einfachheit halber wird hier unterstellt, dass die Länderregierungen souverän über ihre Energiepolitiken entscheiden. Meist bestimmen jedoch Konzerne, seien es Multis oder die Chef*innen nationaler Energiefirmen in Autokratien.

G7, die Runde einiger reicher alter Länder des Westens

Anders als internationale Organisationen mit völkerrechtlichem Status wie die UNO oder die WTO ist G7 ohne Verbindlichkeit oder Beklagbarkeit. Wenn sich Länder nicht an die Schluss-Communiqués halten, hat dies außer dem Naserümpfen der Diplomat*innen keine direkten Folgen.

Helmut Schmidt und Valery Giscard d’Estaing initiierten den Kreis 1976 anlässlich einer größeren Wirtschaftskrise. Seither bestimmt das jeweilige Gastgeberland wesentlich die Themen und Beschlüsse mit. Die Communiqués sind der jeweils kleinste gemeinsame Nenner.

Neben den G7-Ländern Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada, USA nimmt auch die Europäische Union an den Treffen teil. Von 1998 bis 2014 (Okkupation der Krim) war Russland Mitglied der damals noch G8 benannten Runde.
Weder China noch die großen Schwellenländer sind offiziell dabei, ganz zu schweigen von den Ländern der Dritten Welt. Manche werden ab und zu als Gast beigeladen, dieses Jahr sind es Argentinien, Indien, Indonesien, Senegal und Südafrika.

Das müssten die G7-Länder klimapolitisch tun

Vielfach publiziert sind die Aufgaben für die reichen Länder:

  • eine drastische Senkung des Energieverbrauchs „at home“
  • der Ausstieg aus den fossilen Energien und der beschleunigte Ausbau der Erneuerbaren
  • die Kompensationszahlungen aus über 100 Jahren Klimaschulden korrekt zu begleichen
  • den Beschlüssen der Pariser Klimakonferenz zum Durchbruch zu verhelfen
  • die großen fossilen Firmen mit Sitz in ihren Ländern dazu zu bringen, die großen „carbon bombs“ auch in den Ländern des Südens zu schließen
  • diesen Anforderungen zumindest den gleichen Raum einräumen wie der Beschaffung von fossiler Energie in der derzeit etwas chaotischen Situation. Fossile Energien verursachen die gleichen Probleme, auch wenn sie aus einem weniger despotischen Land kommen.

Stichpunkte zur Klimabilanz der G7

1985 in Bonn lief die Klimapolitik sehr verschämt noch unter „environmental policies“, während der Bericht „Global 2000“ bereits 1977 vom amerikanischen Präsidenten in Auftrag gegeben wurde. Die UN-Konferenz „on renewable energy“ 1981 in Nairobi forderte bereits den Übergang von der fossil basierten Wirtschaft zu einer erneuerbaren ( „to achieve an orderly and peaceful energy transition from the present international economy based primarily on hydrocarbons  to one based increasingly on new and renewable sources of energy”). Sie sah es damals schon eng verzahnt mit einer neuen Weltwirtschaftsordnung und einer global ausgeglichenen Entwicklung.

Der Bundestag beschloss 1987 die erste Enquetekommission zum Schutz der Erdatmosphäre. Ab den 90er Jahren tauchte Klimapolitik in Verbindung mit Entwicklungspolitik immer häufiger in den immer umfangreicheren Communiqués auf. Nur hieß es meistens nur „wir beachten“, „fördern“, „befürworten“ – sehr selten wurde es konkret wie „wir tun bis zum Datum x“.
Die Bedeutung der G7-Länder für die globale Klimapolitik schwand mit der Zeit. Neben sie (und zum Teil wichtiger) traten die Schwellenländer wie Indien und China. Das Handeln der G7-Länder bleibt dennoch eine entscheidende Größe im Weltgeschehen.

Die praktischen Folgen sind mehr als mangelhaft. So bleibt das beschämende Résumé: Viele hehre Worte und fast 40 verlorene Jahre. Oft war diese nicht Unlust, sondern – wie bei einigen US-Regierungen – absichtlich destruktiv.

Das aktuelle Communiqué der Umwelt- und Klimaminister*innen

Das Communiqué vom 27. Mai 2022 ist eine außerordentliche Fleißarbeit der Mitarbeiter*innen von Umweltministerium und Außenamt. Da es die verschiedenen Positionen widerspiegeln muss, bleibt es an vielen Stellen vage. Meistens heißt es „we recognise“, „highlight“, „we are working alongside“ – alles wohlklingend, aber leider letztlich nicht verbindlich. Recht verschwurbelt wird eine Verpflichtung eingegangen, den Stromsektor bis 2035 „weit überwiegend“ zu dekarbonisieren und die Kohlenutzung bis dahin auslaufen zu lassen. Nahezu alle Themen sind angesprochen, mit vielen Verweisen auf andere Dokumente.

Drei Ausreißer sind dabei zu vermerken:

  • Nach Meinung einiger Länder könnten ominöse „kleine AKWs“, die es bislang nur auf dem Papier gibt, eine guten Beitrag zum Energiemix leisten.
  • Das Verkehrskapitel kennt fast nur Autos, Verkehrsvermeidung gar nicht, Schienenverkehr nur am Rande.
  • Die hohen Spekulationsgewinne im Energiesektor und ihre notwendige Abschöpfung zur Kompensation für schwer beeinträchtigte schwache Haushalte finden keine Erwähnung.

Die Aussage zu Methan-Emissionen durch Pipelines ist sehr beschwichtigend, fast verharmlosend.
Es finden sich aber auch positive Neuerungen:

  • Für Ultraliberale kaum denkbar: Zum schnellen Aufbau erneuerbarer Infrastrukturen bedarf es auch öffentlicher Finanzierung, die wiederum größere private Kapitalaufwendungen initiiert.
  • Ein weitestgehender Beschluss, jede direkte (!) öffentliche Finanzierung von fossilen Strukturen ab Ende 2022 einzustellen. (Ein kurioses Schlupfloch gibt es dennoch: „außer, wenn sie mit dem 1,5-Grad-Ziel vereinbar sind“.)

G7, Klima- und Energiepolitik unter dem Eindruck des Ukrainekrieges

Selten fällt es so schwer, Klimapolitik von anderen Politikfeldern getrennt zu betrachten, die Auswirkungen des Krieges reichen von Venezuela über Senegal bis China. Es ist unmöglich alle Entwicklungen zu erfassen, zumal es ein disperses Bild ergibt. So gilt auch hier: Mut zur Lücke. Möglicherweise erweisen sich einige hier getroffene Aussagen bald als überholt. Europa bzw. die einzelnen Länder werden mit unterschiedlicher Geschwindigkeit den Bezug fossiler Energien aus Russland beenden. Die Effekte in den jeweiligen Ländern sind unterschiedlich.

Kohle

Kohle spielt in Westeuropa keine große Rolle mehr, in Deutschland liefert die Import-Steinkohle nur noch 13% der Stromerzeugung. Hinzu kommt, fast nur in Deutschland, die Braunkohle, für die es wegen des hohen Gewichtes und damit schlechten Brennwerts keinen internationalen Handel gibt.

Russland

Vollkommen ausgelastete Export-Transportkapazitäten verhindern ein schnelles Ausweichen auf andere Kundenländer wie Indien und China. Diese akzeptieren auch nur niedrigere Preise. Die Hauptproduktionsregion in Russland, die Kusbass-Region in Südsibirien, ist in hohem Umfang monostrukturiert. Der Schock kann heilsam sein, die Monostruktur aufzulösen. Es könnte der Schub zur Diversifizierung werden und ein Umweltproblem lindern. Die insgesamt gestiegenen Weltmarktpreise könnten evtl. die Verluste an dem EU-Geschäft wieder kompensieren.

Griechenland

Es war fester Plan, die im hohen Umfang klima- und umweltschädlichen Braunkohlekraftwerke 2023 zu schließen: Grund war unter anderem der steigende CO2-Preis, der die Braunkohle unwirtschaftlich werden ließ. Seit April 2022 wird ernsthaft erwogen, Braunkohle-Tagebau und -Kraftwerke wieder auszuweiten.

Kolumbien

Der in der Schweiz residierende internationale Rohstoffkonzern Glencore ist Eigentümer der Cerrejon-Minen. Wegen der kurzfristig höheren Nachfrage aus Europa kann es zu einer Ausweitung kommen. Die Minen würden in Europa sofort geschlossen werden, da ihr Betrieb Menschenrechte verletzt und viele Umweltregeln missachtet.

Polen

In den einst bedeutsamen schlesischen Kohleregionen sind die leicht ausbeutbaren Gruben erschöpft – ähnlich dem Ruhrgebiet vor 30 Jahren, der Betrieb wird unrentabel. Die Pis-Regierung bemühte sich ernsthaft die Gruben zu schließen, scheiterte aber am entschlossenen Widerstand in der Region. Es gibt illusionäre Atomprojekte. Die Erneuerbaren kommen mit mittlerweile steigendem Tempo in Gang.

Erdgas, Flüssiggas (LNG)

Europa versucht sich vom Gas des russischen Gazprom-Konzerns unabhängig zu machen, indem es künftig Gas aus anderen Ländern über den Pfad „Flüssiggas“ (LNG/Liquid Natural Gas) bezieht. Das Verflüssigen bedeutet einen Energieverlust von 15-25%. Auch bei guter Betriebsführung (weltweit die Ausnahme) ist ein Methanschlupf kaum zu vermeiden. Die Klimaschädigung durch Methan ist ca. 80mal so groß wie die von CO2. Es bedarf nur kleiner Verlustmengen, um den gleichen Klimaschaden anzurichten wie das bekanntere Treibhausgas CO2.

Die Erweiterung fossiler Anlagen auch im Gasbereich geht in die vollkommen falsche Richtung. Das Geld ist bei den Erneuerbaren nicht nur billiger, sondern auch eindeutig nachhaltiger angelegt. Es gibt im globalen Finanzsektor eine Reihe von Versprechen, keine fossilen Investitionen mehr zu tätigen. Das ist jetzt die Nagelprobe.

Für einen kurzen Übergangszeitraum ist höchstens die Kapazitätssteigerung vorhandener Anlagen vertretbar, die – ohne stranded investments zu verursachen – zurückgefahren werden können. Auch hier gilt der Appell: Keep it in the ground!

Das reiche Europa kann sich höhere Gaspreise leisten, ärmere asiatische Länder haben dabei das Nachsehen, für das globale Ungleichgewicht ist das eine weitere Hypothek. Man muss vermuten, dass es in wenigen Jahren gelingt, die russischen Gasmengen an Länder ohne Embargo zu verkaufen. So erzeugt der Neuaufbau fossiler Anlagen in Afrika einen fatalen Sog. Weltweit gibt es nur eine begrenzte Zahl von Verflüssigungsanlagen in wenigen Ländern, vorrangig in den USA, in Katar und Russland.

USA

Das Fracking bei der Erdgasgewinnung wird relativ locker gehandhabt – mit gravierenden Folgen für die Grundwasservorkommen in den Dakotas, in Oklahoma oder Texas. Das Permian-Becken in Texas gehört mit seinen über 400 Fracking-Bohrungen zu den größten „Ultra-Emitters“ von Methan weltweit. Es entweicht bei den üblichen ungenauen Arbeiten an der Bohrung oder den Pipelines. In Louisiana und Texas am Golf vom Mexiko sind neben den bestehenden acht Flüssiggasterminals für 63 Milliarden Euro weitere 15 für ca. 100 Milliarden Euro geplant. 2020 stießen allein vier Verflüssigungsterminals zehn Millionen Tonnen aus, mehr als der CO2-Gesamtausstoß z. B. von Costa Rica.

Algerien

Der drittwichtigste Gaslieferant für die EU, vorrangig für Italien und Spanien, hat ein echtes Methanproblem. Die Polytechnische Universität in Valencia analysierte Satellitendaten. Die Sammelstelle Hassi R’Hmel, wo Öl- und Gasleitungen gebündelt werden, ist einer der Hotspots der Methanemissionen weltweit. Die staatliche Öl-/Gasfirma Sonatrach ist stolz, die Verschwendung von Fackelgas von neun auf drei Milliarden Kubikmeter reduziert zu haben. Das sind weiterhin riesige Verschwendungen.

Katar

Das kleine Emirat mit den weltweit größten Verflüssigungskapazitäten hat für die nächsten Jahre Hochkonjunktur und kann die Preise nach oben schieben. Es zeigt sich reserviert gegenüber größeren Zusatzlieferungen nach Europa, da seine Kapazitäten vertraglich mit Asien gebunden seien. Katar und ähnlich Turkmenistan sind streng autoritär geführte Länder. Demokratie und Rechtsstaat sind hier Fremdwörter.

Senegal

Europäische Firmen planen dort, auch mit staatlicher deutscher Hilfe, im großen Stil Erdgas zu fördern und zu exportieren. So drohen sich fossile Strukturen neu zu verfestigen. Der Senegalesische Präsident spricht von Versorgung des Landes, angesichts der realen Akteur*innen wird es sich eher um eine Exportgeschäft handeln. Es ist sehr fraglich, ob das dem Land wirtschaftlich dient und ob es in der Bevölkerung ankommt. Wesentlich klüger ist der nachhaltige Aufbau erneuerbarer Strukturen. Sie bestehen auch nach Erschöpfen der fossilen Ressourcen. Vergleichbares gilt für Mocambique, Angola, Ägypten und Nigeria.  

Erdöl

Privilegien für griechische Reeder

Die EU hat den meisten Handel mit Russland, vor allem im Energiesektor verboten bzw. stark eingeschränkt, mit einer wenig beachteten Ausnahme: Griechische Reeder zahlen kaum Steuern und verfügen über ein Fünftel der globalen maritimen Transportkapazität. Sie sind der jetzt dringend benötigte Carrier für das russische Öl, das nicht mehr in Europa verkauft werden kann. Vor dem Embargo transportierten sie über 30% des russischen Öls. Sie wurden auf Druck der griechischen Regierung von Sanktionen ausgenommen.

Venezuela

Die staatliche Ölfirma PVDSA, die bis 2005 eine Raffinerie in Gelsenkirchen besaß, ist vollkommen heruntergewirtschaftet. Sie war früher ein größerer Lieferant für die USA. Als Druckmittel gegen das Maduro-Regime erließen die USA Sanktionen und verhinderten den Import von Öl aus Venezuela. Nach dem Beginn des Ukrainekrieges lockerte die Biden-Regierung diese Sanktionen wieder in der Hoffnung, mehr preisdämpfendes Öl auf den Weltmarkt zu bekommen. Angesichts des schlechten Zustands der Anlagen ein schwieriges Unterfangen.

Brasilien

Die reaktionäre Bolsonaro-Regierung ist Motor der Zerstörung der Regenwälder. Anfang Juni gab es ein Gespräch mit Biden. Die Umstände und die Motive der USA sind ähnlich wie in Venezuela.

Atomenergie

Außer Deutschland und Italien setzen alle G7-Länder weiter auf die Atomenergie. In den USA, Frankreich und England erfolgt dies auch aus militärischen Gründen. Die Verlässlichkeit der AKWs in Frankreich lässt mittlerweile sehr zu wünschen übrig. Erneuerbarer Strom, aber leider auch der aus der Braunkohle in Deutschland, muss oft aushelfen. Im Wahlkampf überboten sich die Akteure mit immer höheren Phantasiezahlen zu erbauender, außerordentlich teurer EPR-Reaktoren, von denen in Europa noch keiner verlässlich arbeitet.

Der Ukraine-Krieg, Bremser oder Beschleuniger der Energiewende?

Es gibt noch kein klares globales Bild. Während in den USA die Börsenkurse für Firmen mit einem high risk-Profil, d. h. mit einem hohen Anteil bei fossilen Energien, mit Beginn des Krieges leicht stiegen, ist in Europa das Gegenteil der Fall.

Steigende Energiepreise, Übergewinnabschöpfung

Schon vor dem Krieg stiegen die Preise, teils wegen realer Engpässe, teils wegen Spekulationen. Der Krieg befeuert die Entwicklung, vor allem die Spekulationen, stark.

Steigende Ungerechtigkeiten sind die Folge zwischen den Ländern und zu Lasten ärmerer Gruppen, die sich Energie kaum leisten können. Ärmere Haushalte geben proportional deutlich mehr Geld für Energie aus als begüterte. Der an sich richtige Hinweis auf die billigeren Erneuerbaren hilft nicht akut. In ärmeren Ländern drohen damit Unruhen. Die Staaten haben kaum eine andere Wahl, als mit öffentlichen Geldern Kompensationen zu zahlen. Reichere Länder können dies schultern, die Staatsetats leiden dennoch erheblich.
Zu leicht ist dann der Schritt öffentliche Gelder, die neben anderen Maßnahmen für die Energiewende nötig sind, einzusparen. Bei einer gut konstruierten CO2-Abgabe werden Gelder generiert, die dann sozial verteilt werden können. Die Möglichkeit fehlt hier.
Die Staaten müssen die Spirale stoppen und umdrehen. Das bedeutet zweierlei: Die Marktmacht der Energiefirmen begrenzen, z. B. durch gemeinsamen Einkauf, wie von der EU beim Gas vorgeschlagen, oder durch stärkere Möglichkeiten für Kartellbehörden. Und die Abschöpfung von Übergewinnen (Windfall Profits). Es ist nicht trivial ungerechtfertigte Profite zu definieren, wie auch die Debatte um die Tankgeschenke zeigt. Trotzdem ist es nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern auch ein Zwang für die Staaten, die Kompensationsgelder wieder zu beschaffen, um als Staat handlungsfähig zu bleiben. Nicht zuletzt entscheidet sich hier die Frage, ob die Klimapolitik von demokratisch gewählten Regierungen gestaltet wird oder von Konzernen, Scheichs und Kleptokrat*innen. Deren Kassen dürfen sich nicht weiter auf Kosten der Ärmeren dieser Welt füllen. In Italien ist das auf dem Weg, in Österreich und England beabsichtigt. In Deutschland nimmt die Diskussion gerade Fahrt auf. Die IEA befürwortet dies aus den gleichen Gründen.

Der REpower-Vorschlag der EU-Kommission

Im Mai stellte die EU-Kommission ihren REpower-Vorschlag als Antwort auf den Ukrainekrieg vor. Er enthält eine Mischung bekannter Vorschläge. Mit ihnen soll die Abhängigkeit von fossilen Energien besonders aus Russland deutlich gesenkt werden. Die meisten sind bekannt:

  • den Ausbau der Erneuerbaren Energien beschleunigen
  • die Effizienzmaßnahmen steigern
  • deutlich mehr Bezugsquellen organisieren
  • eine gemeinsame Plattform für koordinierten Gaseinkauf
  • schnelleres Tempo beim Einbau von Wärmepumpen
  • Beschleunigung der Genehmigungsverfahren bei den Erneuerbaren

Die nötigen Mittel, soweit sie aus dem EU-Haushalt kommen, sollen meist durch Umschichtungen erzielt werden. Vollkommen deplaziert ist allerdings der Vorschlag Emissionszertifikate, die, um den Preis hochzuhalten, aus dem Markt genommen wurden, wieder zu verkaufen. Dies würde durch das dann entstehende Überangebot wieder zu einer Wirkungslosigkeit des Instruments führen. Das weckt massive Zweifel am Sinn des Handelsregimes, wenn es plötzlich wieder ausgehöhlt wird. Falsch wäre auch eine Ausweitung von Biogasproduktion. Sie wäre eine Flächenverschwendung, zumal mit Photovoltaik eine deutlich effizientere und bewährte Technik bereit steht. Das Programm muss noch den üblichen Prozess durchwandern.

USA

Sie haben sehr schlechte Dämmstandards bei Gebäuden, meist einen schlechten öffentlichen Verkehr, aber sie sind auch eines der Boom-Länder der Erneuerbaren Energien. Einst das Land der sechs Millionen Windräder, kommen seit ca. 2010 große Windparks z. B. in Texas genauso in Schwung wie ein Offshore-Programm an der Ostküste. Die großen Behinderungen der Trump-Regierung wurden von der Biden-Administration wieder aufgehoben.

China, Indien und Brasilien

Die großen Schwellenländer China, Indien und Brasilien sind wichtige Player in der Klimapolitik. China und Indien freuen sich, russische fossile Energien billiger zu bekommen. Beide haben als große Kohlenutzer immer noch ein großes Bauprogramm an fossilen Kraftwerken, aber zugleich auch bei den Erneuerbaren.

Das größte private indische Stromunternehmen Adani hat 20 GW fossile Kraftwerke in Betrieb oder Bau und die gleiche Kapazität in Erneuerbaren Energien. Das deutsche EEG war global der Auslöser, der so in China große Produktionskapazitäten für die Photovoltaik anstieß. Diese wiederum machten die Solarenergie billiger als fossile Kraftwerke. Der Pro-Kopf-Treibhausgas-Ausstoß liegt dreimal niedriger als der der Europäer. Die Erneuerbaren haben die große Chance, ihren ökonomischen Vorteil gerade in Schwellenländern auszuspielen. Der „Break Even Point“ ist leider noch nicht erreicht.

Kanada

Einerseits hat Kanada große Wasserkraftwerke. Ihre niedrigen Stromkosten veranlassten z. B. die Verlagerung stromintensiver Produktionen aus dem Chemiedreieck Südost-Oberbayerns in den 1950er Jahren. Die Teersandöle sind das hässliche Gesicht Kanadas. Deren Öl-Gewinnung zerstört große Flächen, führt zu großen Mengen an Sondermüll und benötigt zur Aufbereitung ca. 30% der darin enthaltenen Energie. Die Ausweitung des Absatzes in die USA und der Transport zu Raffinerien nach Texas wurden durch das Verbot der Erweiterung der Keystone-Pipeline erschwert.

Japan

Als großer Importeur fossiler Energien hat Japan immer noch mit den Folgen der Katastrophe von Fukushima zu kämpfen. Im Gegensatz zur Bevölkerung hält die konservative Regierung an der Atomkraft fest. Bei der Vielzahl von Vulkanen bleibt die geringe Nutzung der Geothermie rätselhaft. Die effiziente Eisenbahn ist allerdings vorbildlich. Hier ist ein Teil der Dekarbonisierung schon gut gelungen.

Der Lichtblick: Australien

Das Land spürt die Erdüberhitzung bereits sehr deutlich und hart. Es hat ideale Bedingungen für Erneuerbare, aber auch eine mächtige Kohlelobby, die mehrheitlich für den Export produziert. So hat Australien auch einen relevanten Anteil an den globalen „Carbon Bombs“. Nach einigen Jahren von Klimaleugner-Regierungen mit Unterstützung der Murdoch-Medien kam im Frühjahr 2022 eine Labor-Regierung mit einem klaren klimapolitischen Profil ins Amt. Damit gibt es eine gewichtige konstruktive Stimme mehr in der internationalen Klimapolitik.

Resumée

Globale Klimapolitik ist nicht einfach, der Krieg macht es für Europas noch schwieriger. Gerade deswegen braucht es neuen Schwung um für Frieden und eine gerechte und nachhaltige Klimapolitik zu arbeiten.

Autor: Rudi Remm