Was interessiert Sie besonders?

Zur Startseite

Eichhörnchen beobachten und melden

Themen

  • Übersicht
  • Klimakrise

Tiere und Pflanzen

Ja zur Biosphärenregion Spessart: Chancen für Mensch und Natur nutzen

Seit 2020 verfolgen die Landräte der Kreise Main-Spessart, Miltenberg und Aschaffenburg sowie der Oberbürgermeister der Stadt Aschaffenburg gemeinsam das Ziel, einen Teil des bayerischen Spessart als UNESCO-Biosphärenreservat auszuweisen. 2023 ergab eine Machbarkeitsstudie ein positives Ergebnis – nun gilt es die letzten Hürden zu überwinden und SkeptikerInnen die großen Entwicklungschancen für Mensch und Natur deutlich zu machen.

Der Spessart mit seinen Wäldern, Wiesentälern, Streuobstwiesen und Weinbergen ist vielfältig und einzigartig: Der Naturpark Spessart umfasst eine Fläche von 171.000 Hektar auf dem Gebiet der Landkreise Aschaffenburg, Main-Spessart und Miltenberg sowie der kreisfreien Stadt Aschaffenburg. Er bietet die schützenswerte und artenreiche Basis an Natur- und Kulturlandschaft für eine Biosphärenregion. Informations- und Bürgerbeteiligungsrunden begleiten den Prozess, auch der BUND Naturschutz und weitere Umweltverbände stehen hinter dem Vorhaben.


Biosphärenregion oder Biosphärenreservat Spessart?

Mit einer Anerkennung als Biosphärenregion – auch Biosphärenreservat Spessart, -gebiet oder -park genannt – durch die UNESCO (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization) würde die Verbindung von Mensch und Natur stärker in den Blick gerückt. Im Spessart wird offiziell der Name Biosphärenregion verwendet.

Seit 1971 gibt es das UNESCO-Programm "Man and the biosphere" (MAB), im Kern die Biosphärenreservate, für die Kriterien wie eine repräsentative Natur bzw. Kulturlandschaft, nachhaltige Wirtschaftsweise sowie wissenschaftliches Monitoring gelten.


Informationsbroschüre der Landkreise zum Thema

Biosphärenregion im Spessart? (PDF)

Fakten zur Biosphärenregion Spessart

  • Zonierung: Mindestens drei Prozent der Fläche (Kernzone) werden aus der Nutzung genommen, mindestens zehn Prozent werden als Pflegezone ausgewiesen, die Einflüsse von außen abpuffern soll. Eine Bewirtschaftung findet dort natürlich weiterhin statt, ja ist sogar nötig, um Erhaltung und Pflege von Ökosystemen sicherzustellen. Kern- und Pflegezone müssen zusammen mindestens 20 Prozent der Biosphärenregion umfassen.
    Die äußere, sogenannte Entwicklungszone, stellt den wirtschaftenden Menschen in den  Vordergrund, mit dem Ziel einer nachhaltigen Bewirtschaftung. Sie muss mindestens 50 Prozent der Fläche umfassen.
  • Vermarktung: Die regionale Wertschöpfung soll gefördert werden, angefangen bei Produkten wie Wein oder Wild, bis hin zu touristischen Aktivitäten, die unter einer gemeinsamen Dachmarke „Biosphärenregion“ vermittelt werden.
  • Bildung: Aktivitäten zur Naturvermittlung würden gebündelt, Besonderheiten wie die „Spessarteiche“ oder seltene Arten stärker herausgestellt. Ausgangspunkt könnte ein Biosphären-Besucherzentrum sein.
  • Wissenschaft: Biosphärenreservate sind wichtige Untersuchungsregionen, um Einflüsse und mögliche Veränderungen durch menschliche Nutzung zu erforschen. Modellprojekte und Referenzflächen tragen beispielsweise zum Verständnis von Bewirtschaftungsfolgen oder Maßnahmen gegen den Klimawandel bei.
  • Besucherlenkung: Durch Ausbau und Pflege eines Wander- und Radwegenetz in Verbindung mit Lehrpfaden können besonders sensible Gebiete leichter geschützt werden.

10 gute Argumente für die Biosphärenregion Spessart (PDF)

Die Chance für Region und Kommunen Natur und Wirtschaft nachhaltig zu fördern

Der aktuelle Naturpark Spessart beschreibt bereits die hohe Güte von Natur und Landschaft im möglichen Biosphärengebiet. Insbesondere alte Eichen (400 Jahre) und Buchen (250 Jahre) bieten zahlreichen Arten einen Lebensraum. Von einer Anerkennung durch die UNESCO könnten Mensch und Natur weiter profitieren, angefangen bei Dorfentwicklung und Erhalt der Infrastruktur bis hin zu Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs. Puffer- und Entwicklungszone (bis zu 97 Prozent der Gesamtfläche) können weiter genutzt werden, das betrifft die Brennholzgewinnung ebenso wie die Bewirtschaftung von Streuobstwiesen oder die Schafbeweidung. Fördergelder, die vom Freistaat Bayern und der UNESCO kämen, würden größere Angebote für Umweltbildung und Tourismus ermöglichen. Als Dachmarke für regionale Produkte könnte die Biosphärenregion zudem deren Vermarktung unterstützen.

Stillgelegte Flächen in der Kernzone (circa 3 Prozent der Fläche) wiederum dienen als Rückzugsraum für Tier-, Pilz- und Pflanzenarten, ohne Eingriffe oder Störungen durch den Menschen. Sie dienen damit auch als Kohlenstoffsenke gegen den Klimawandel. Wissenschaftliche Begleitforschung untersucht darin unter anderem, ob und in welchem Maße derartige Schutzräume als Trittsteine funktionieren, sich also positive Effekte für die Artenvielfalt auch in der umgebenden Pufferzone auswirken.

Gegner*innen des Projekts bringen insbesondere die folgenden Argumente vor:

  1. Gegenargument "eingeschränkte Nutzungsmöglichkeiten", etwa bei der Brennholzgewinnung.
    Fakt ist jedoch, dass die Landnutzung auf circa 97 Prozent der Fläche der Biosphärenregion nicht verringert, sondern gestärkt werden soll. Eingeschränkt würde die Nutzung nur auf einer kleinen Fläche der Biosphärenregion (circa 3 Prozent!), wobei zum Teil bereits geschützte Flächen einbezogen würden. Mit dem UNESCO-Programm ergäben sich vielfältigere Fördermöglichkeiten für extensive, traditionelle Nutzungen, die heute kaum mehr wirtschaftlich durchgeführt werden können. Die sogenannten Holzrechte haben eine lange Tradition im Spessart, sie wurden Ende der 1970er-Jahre vom Freistaat Bayern bestätigt – ein Widerruf ist jedoch möglich, was die Sorgen der Nutzer*innen erhöht. Die Ausübung der Holzrechte soll als Kulturgut aber insgesamt weiterhin gesichert werden – Lösungen sind möglich!
  2. Gegenargument "fehlende Mitsprachemöglichkeiten", wenn Vorgaben der UNESCO eingehalten werden müssen. Mit dem Naturpark Spessart habe man bereits ein Naturschutzmanagement, es brauche keine weiteren Regeln mehr von außen, die Spessartbewohner wollten lieber selbst über ihre Belange und Zukunft entscheiden.
    Fakt ist aber, dass eine Mitsprache wie schon beim Entstehungsprozess weiterhin erwünscht und wichtig ist, da die Region von den Menschen und für die Menschen weiterentwickelt werden soll. Beiräte bringen jeweils die verschiedenen Interessengruppen an einen Tisch, etwa im Biosphärenreservat Rhön.
  3. Gegenargument "weniger Baumartenvielfalt und mehr Schädlinge": Werden Waldflächen nicht bewirtschaftet, so setze sich nicht zwangsläufig die Baumart durch, die aufgrund von Klimaanpassung ratsam erscheint, im Spessart etwa ringt die Eiche mit der durchsetzungsstärkeren Buche. Zudem würden sich Krankheiten und Schädlinge aus der sich selbst überlassenen Kernzone heraus ausbreiten.
    Fakt ist, dass die Kernzone nur einen wirklich kleinen Flächenanteil aufweist, der angesichts des Klimawandels vielmehr als wichtiges Lernobjekt dienen kann. Denn man kann nicht vorhersagen, ob sich tatsächlich die Rotbuche durchsetzt, die von der Klimakrise stärker betroffen ist als die Eiche. Dass sich Schädlinge von der Kernzone heraus ausbreiten, ist ebenfalls eher nicht anzunehmen, denn insbesondere ungenutzte Flächen erweisen sich oft sogar stabiler.

Neben den drei Landrät*innen der Region und dem Oberbürgermeister der Stadt Aschaffenburg treten auch zahlreiche Bürger*innen für das Biosphärenreservat ein, weil sie sich eine Belebung der ländlichen Strukturen erhoffen. Das betrifft Tourismus und Gastgewerbe ebenso wie die persönliche Erholungssuche im Wald, oder die Stärkung regionaler Produkte von Streuobstwiesen oder aus der Schafhaltung. Aber auch der generelle Wunsch nach mehr Naturwäldern findet bayernweit sehr große Zustimmung (vgl. BN-Umfrage zum Nationalpark Steigerwald, PDF) – das Biosphärenreservat würde diesem Anliegen entgegenkommen. Neben dem BN setzen sich weitere Umweltverbände wie die Freunde des Spessarts e. V., der Landesbund für Vogelschutz e. V. (LBV e. V.) und Greenpeace für das Biosphärenreservat ein, nachdem die Idee für einen Nationalpark Spessart von der Landesregierung unter Markus Söder verworfen wurde.

Ende 2023 wurde die Machbarkeitsstudie Biosphärenregion Spessart (PDF) auf einem Bürgerforum in Lohr a. Main präsentiert. Das Ergebnis fällt positiv aus, es sind also in der Untersuchungsregion Naturpark Spessart (171.000 Hektar) ausreichend Flächen vorhanden, die sich naturschutzfachlich eignen würden. Allerdings weisen die Autor*innen auch darauf hin, dass ein "Flickenteppich an Kernzonen" vermieden werden sollte: Eine Minimalvariante wäre zwar denkbar, bliebe aus Naturschutzsicht aber weit hinter den Möglichkeiten zurück, zusammenhängende Lebensräume zu schützen.

Vorausgegangen war eine Informationskampagne der drei betroffenen Landkreise und der Stadt Aschaffenburg, die Online-Befragung endete im April 2023. Hier waren mit 71 Prozent der Teilnehmer*innen die Befürworter in einer deutlichen Mehrheit, 35 Prozent gaben zudem an, sich für eine Biosphärenregion engagieren zu wollen.

Aktuell gibt es in Deutschland 18 Biosphärenreservate, bei der "Karstlandschaft Südharz" steht die Anerkennung der UNESCO noch aus (Stand 2023). In Bayern befinden sich nur zwei, die “Biosphärenregion Berchtesgadener Land” sowie das „Biosphärenreservat Rhön“, das sich zu Teilen auch auf thüringischen und hessischen Flächen befindet. Damit befinden sich nur circa drei Prozent der bayerischen Landesfläche innerhalb eines Biosphärenreservats.

Laut UNESCO-Vorgaben sollen Biosphärenreservate mindestens 30.000 Hektar und nicht mehr als 150.000 Hektar erreichen, länderübergreifende Gebiete können davon abweichen.

Deutschlandweit erstrecken sich Biosphärenregionen über 3,9 Prozent der Landesfläche. Die Größen unterscheiden sich deutlich, da die verschiedenen Zonen nur bestimmte Anteile der Gesamtfläche betreffen müssen: Kernzone mehr als 3 Prozent, Pufferzone mehr als 10 Prozent, Kern- und Pufferzone zusammen mehr als 20 Prozent, Wirtschaftszone mehr als 50 Prozent. Die größten Biosphärenregionen sind aktuell "Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer und Halligen" (Schleswig-Holstein, 443.100 Hektar) sowie "Niedersächsisches Wattenmeer" (Niedersachsen, 417.131 Hektar), die kleinsten "Hamburgisches Wattenmeer" (Hamburg, 11.700 Hektar) und "Südost-Rügen" (Mecklenburg-Vorpommern, 22.800 Hektar).

Weltweit gibt es 748 Biosphärenreservate in 134 Ländern, sie umfassen rund fünf Prozent der Erdoberfläche (siehe UNESCO).

Eine Monitoringstudie des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) hat bis 2023 die Einflüsse der bundesdeutschen Biosphärenreservate auf regionale Wirtschaftskreisläufe untersucht, Ergebnis: Bundesweit werden fast zwei Milliarden Euro Wertschöpfung jährlich durch die 71 Millionen Besuchstage in Biosphärenregionen erzielt.

Alle zehn Jahre werden Biosphärenreservate von der UNESCO überprüft beziehungsweise evaluiert. Die Evaluierung beinhaltet auch eine repräsentative Umfrage unter den Bewohner*innen – mit positiver Resonanz. Die Rhön etwa befindet sich derzeit im dritten Prozess, nach guten Ergebnissen in 2003 und 2013 (Evaluierung Biosphärenreservat Rhön). Auch die Biosphärenregion Berchtesgadener Land hat die letzte Überprüfung 2021 positiv abgeschlossen (Evaluierungsbericht Biosphärenreservat Berchtesgadener Land).

Die nächsten Schritte auf dem Weg zur Biosphärenregion Spessart

In der Ende 2023 erschienenen Machbarkeitsstudie Biosphärenregion Spessart wurde die grundsätzliche Eignung des Gebiets festgestellt. Neben unterschiedlichen Größenvarianten wurden hier auch offene Herausforderungen beschrieben, etwa was die Unterstützung durch die lokale Bevölkerung angeht. In der BR-Sendung "Jetzt red‘ i" führten als Podiumsgäste BN-Vorsitzender Richard Mergner und der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger – seit 2023 auch zuständig für den Staatswald – das Gespräch mit Befürwortern und Gegnern aus dem Publikum. Dabei zeigten sich trotz des intensiven Bürgerdialogs im Vorfeld einige Missverständnisse und aus Sicht des BN unzutreffende Vorbehalte, beispielsweise was die Ausübung der Holzrechte oder die Gefahr von Schädlingsbefall aus der geschützten Kernzone heraus betrifft.

Damit schließlich ein Antrag für ein Biosphärenreservat bei der UNESCO gestellt werden kann, wird es nach der Machbarkeitsstudie nun konkret: Landkreise, Kommunen und Privatwaldbesitzer im möglichen Einzugsgebiet werden gebeten, Flächen für die Kernzone einzubringen. Von den bayerischen Staatsforsten sind im Bereich des Naturparks Spessart bereits 2000 ha stillgelegt, davon eignet sich etwa die Hälfte als Kernzonenfläche: Dieses Minimalangebot liegt derzeit auf dem Tisch und bietet eine gute Ausgangslage. Denn im Spessart sind die Naturwälder im Staatsforst deutlich unterrepräsentiert, obwohl die Region als eine der naturnähesten überhaupt gilt. Der BN fordert daher, dass der Freistaat im Spessart deutlich mehr seiner Flächen als Naturwälder schützen muss.


Bürgerlicher Einsatz für mehr Naturwälder in der Region

Zum Verein Freunde des Spessarts e. V.

Der BN-Landesverband unterstützt eine Biosphärenregion Spessart gemeinsam mit den drei BN-Kreisgruppen Main-Spessart, Miltenberg und Aschaffenburg in vollem bzw. größtmöglichen Umfang. Dazu fordert der BUND Naturschutz, insbesondere die folgenden Punkte zu berücksichtigen:

  1. Schutz der natürlichen und kulturellen Vielfalt
  2. Nachhaltige (Regional-)Entwicklung
  3. Bildung und Kommunikation
  4. Forschung und Monitoring