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Anbindegebot in Bayern gelockert: drohen noch mehr Gewerbegebiete mitten im Grünen?

Gewerbegebiete = volle Stadtkasse? Die Rechnung geht oft nicht auf. Anstelle von Handwerk und produzierendem Gewerbe siedeln sich zunehmend Einkaufsparks, Logistikcenter und Fastfood-Ketten am Stadtrand an – die innerstädtische Entwicklung liegt brach. Der Verbrauch kostbarer Fläche führt zu mehr teuren Straßen und Verkehrsaufkommen, manche Kommunen bleiben auf den Erschließungskosten sitzen, dafür werden Natur und Landschaftsbild großflächig gestört.

Industrie- und Gewerbegebiete folgen grundsätzlich einem hehren Ziel: die Luft- und Lärmbelastung im innerstädtischen (Wohn-)Bereich soll verringert werden, dasselbe gilt für Belastungen durch den Zulieferverkehr. Doch die Schattenseiten sind mittlerweile ebenso offensichtlich. Dazu zählt eine Zunahme des Verkehrs, weil die dort arbeitenden Menschen weitere Anfahrtswege in Kauf nehmen müssen. Auch dafür werden wiederum Flächen in Anspruch genommen, etwa für Zufahrtswege und Umgehungsstraßen. Wer nicht wohnortnah arbeiten kann, verliert zudem kostbare (Frei-)Zeit auf dem Weg zu seinem Betrieb. Mit dem Anbindegebot Bayern (BUND Naturschutz Dokumentation Anbindegebot Juni 2017, PDF) mussten bis 2017 Gewerbegebiete in direkter Nähe zu bestehenden Siedlungen errichtet werden – seit der Lockerung im Landesentwicklungsplan durch die Staatsregierung genügen nun etwa Autobahnabfahrten oder Gleisanschlüsse.

Sicherlich käme niemand auf die Idee, eine große produzierende Fabrik im Ortskern neben der Kirche zu planen – umgekehrt aber wurde die Grundidee der Gewerbegebiete immer weiter verwässert, finden sich heute zunehmend auch Einkaufsparks, Bürogebäude und Versandunternehmen auf der grünen Wiese. Da Betriebe mit hohen Lärm- und Abgasemissionen bei der Genehmigung von Ausnahmeregelungen profitieren können, sind diese oft der (argumentative) Hebel, um fern von Wohnflächen bauen zu können. Doch neben dem direkten Verlust von Lebensraum durch die Inanspruchnahme der Fläche ist bei diesen außerörtlich gebauten Gebieten eine zusätzliche Barrierewirkung – etwa durch Licht und Lärm – zu erkennen, die die umliegende Flora und Fauna belastet.

Volle Stadtkassen auf Kosten der Fläche: ein Fehlschluss

Um das Problem zu verstehen und die Alternativen zu erkennen, hilft ein Blick in die deutsche Baunutzungsverordnung. Hier regeln die Paragrafen 8 und 9 die bauliche Nutzung von Grundstücken. Während im Industriegebiet (§ 9) vorwiegend solche Betriebe untergebracht werden sollen, die in anderen Baugebieten unzulässig sind, ist die Definition für Gewerbegebiete (§ 8) viel offener. Sie dienen der Ansiedlung „nicht erheblich belastender Gewerbebetriebe“, dazu werden ausdrücklich auch Geschäfts-, Büro- und Verwaltungsgebäude gezählt. So entstehen dann Bürokasernen, Einkaufsparks und Shopping-Center auf der grünen Wiese, während die Arbeitsmöglichkeiten im Ortskern abnehmen und der Einzelhandel um das Überleben kämpfen muss. Im Schwarzbuch Gewerbegebiete Bayern hat der BUND Naturschutz in Bayern e.V. (BN) die Situation analysiert: Bei fast allen näher untersuchten Beispielen kamen die in Anspruch genommenen Flächen nicht dem Handwerk oder produzierenden Gewerbe, sondern vor allem Handel und insbesondere dem Einzelhandel zugute. Neben Bau- und Möbelmärkten waren demnach Speditionen, Transport- und Logistikunternehmen sowie Filialen von Fast-Food-Ketten und Tankstellen vertreten.

In vielen Fällen konkurrieren die Gemeinden um die Ansiedlung neuer Unternehmen, indem sie günstiges Bauland für Gewerbegebiete am Ortsrand ausweisen. Dabei ist dies längst nicht die einzige Möglichkeit, um Arbeitsplätze und florierende Gemeindeeinnahmen zu erreichen. Vielmehr zeigen Beispiele, dass neue Gewerbegebiete in der Regel nicht wirtschaftlicher sind als eine kluge Innenstadtentwicklung – und manchmal bleiben die Kommunen auch auf teilerschlossenem Bauland sitzen, weil die gewerblichen Interessenten abgesprungen sind.

Beispiele für Gewerbe

Anstatt Baugrund an der nahegelegenen Autobahn zu suchen, haben sich die Nesselwanger für eine ortsnahe Lösung entschieden: Auf 1,3 Hektar wurde ein kompaktes Gewerbegebiet mit direkter Verkehrsanbindung an die umliegenden Gemeinden errichtet. Der Ort wuchs damit zwar flächenmäßig, die Flächenstruktur blieb jedoch erhalten. Architektonisch haben sich die meisten Betriebe an das Ortsbild angepasst und kompakt wie auch mehrstöckig gebaut. Weitere Informationen: Flächenfraß und Flächenschutz im Allgäu – Negativ- und Positivbeispiele politischen Handelns Dokumentation Flächenfrass und Flächenschutz im Allgäu (pdf).

Ein großes Spinnereigelände stand in Kulmbach Mitte der 1990er-Jahre leer. Man entschied sich für die Entkernung des unter Denkmalschutz stehenden Gebäudekomplexes – und verzichtete auf das Projekt „Autobahn“, ein 44 Hektar großes neues Gewerbegebiet. In das Hauptgebäude der Spinnerei zogen nach der Sanierung ein Einkaufszentrum, im ehemaligen Verwaltungsgebäude entstanden moderne Büros, außerdem wurde ein neuer, überdachter Busbahnhof gebaut. Weitere Informationen im Schwarzbuch Gewerbeflächen (pdf)

2012 wurde durch die Gemeinde Windorf im Landkreis Passau ein Bauleitverfahren für ein Gewerbegebiet eingeleitet. Trotz Protesten, weil das Anbindegebot durch eine Ausnahmeregelung umgangen wurde, und obwohl vier der fünf Unternehmer aus Kostengründen ihr Interesse verloren, setzte man die Pläne unverändert fort. Ab 2013 wurde die Fläche gerodet, zunächst errichtete nur ein Bauunternehmen ein einzelnes Gebäude. 2017 folgte ein zweites Unternehmen, ansonsten blieb das 19,5 ha große Gelände zunächst unbebaut. Auch 2022 waren noch immer nicht alle Bauplätze vergeben, dennoch wollte die Stadt ein weiteres Gewerbegebiet im Ortsteil Renholding ausweisen. Ein Bürgerentscheid konnte zumindest dieses Projekt verhindern: Im April 2022 sprachen sich die Windorfer eindeutig gegen die Pläne der Stadt aus.

Weitere Informationen in "Flächenfraß in Bayern – geplante Lockerung des Anbindegebotes: Fallbeispiele" (PDF)

Das Kleinzentrum Dettelbach zählt aktuell gut 7.000 Einwohner und verfügt mit dem Mainfrankenpark (35 Hektar) seit 1999 über einen weit vor den Stadttoren gelegenen Gewerbepark. Zahlreiche Gastronomie- und Freizeiteinrichtungen – etwa Kino und Spaßbad – sind für die meisten nur mit dem Auto erreichbar. Die Geschichte des „Parks“ ist von finanziellen Schieflagen (Insolvenz Mainfrankenparkbetreiber 2004), wachsenden Verkehrsproblemen und Leerständen geprägt, zudem wurde der Mainfrankenpark ohne Raumordnungsverfahren geplant.

Weitere Informationen in "Gewerbeflächenausweisung und Flächenverbrauch – Beitrag zur naturverträglichen Siedlungsentwicklung. Teil II Fallbeispiele" (PDF)


Ihre Ansprechpartner für das Thema Flächenschutz

Tom Konopka
Tel. 09 11 / 8 18 78 14
mittelfranken@bund-naturschutz.de 

BUND Naturschutz in Bayern
Landesfachgeschäftsstelle Nürnberg
Bauernfeindstraße 23
90471 Nürnberg

Rita Rott
Tel. 089 / 54 83 01 16
niederbayern@bund-naturschutz.de 

BUND Naturschutz in Bayern
Landesfachgeschäftsstelle München
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Altötting, Bad Tölz - Wolfratshausen, Berchtesgadener Land, Eichstätt, Garmisch-Partenkirchen, Ingolstadt, Miesbach, Mühldorf am Inn, Neuburg-Schrobenhausen, Pfaffenhofen a.d. Ilm, Rosenheim, Traunstein, Weilheim-Schongau

Annemarie Räder
Tel. 089 / 54 83 01 16
oberbayern@bund-naturschutz.de 

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Dachau, Ebersberg, Erding, Freising, Fürstenfeldbruck, Landsberg am Lech, München - Stadt und Landkreis, Starnberg

Julika Schreiber
Tel. 089 / 54 83 01 16
oberbayern@bund-naturschutz.de 

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Jonas Kaufmann
Tel. 01 60 / 7 75 18 31
oberfranken@bund-naturschutz.de 

BUND Naturschutz in Bayern
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Reinhard Scheuerlein
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oberpfalz@bund-naturschutz.de 

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Thomas Frey
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schwaben@bund-naturschutz.de 

BUND Naturschutz in Bayern
Landesfachgeschäftsstelle München
Pettenkoferstraße 10a
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Steffen Jodl
Tel. 09 11 / 8 18 78 25
unterfranken@bund-naturschutz.de 

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