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Tiere und Pflanzen

Altmühltal: zerstört durch den Rhein-Main-Donau-Kanal

Für den Naturschutz war der Bau des Rhein-Main-Donau-Kanals eine herbe Niederlage. Wo sich früher einmal die Altmühl durch eine pittoreske Landschaft schlängelte, wird sie heute von einem schnurgeraden, kanalisierten, stehenden Gewässer geprägt.

Kosmetische Korrekturen an der völlig umgestalteten Landschaft hinterlassen zwar den Eindruck kommod eingerichteter Naturnähe. Aber dahinter stehen massiver Artenschwund und der dramatische Wegfall sämtlicher Feuchtwiesengebiete. Der Bund Naturschutz hat aus dieser Niederlage viel gelernt. Dieses Wissen nutzt der Verband heute erfolgreich im Kampf um die verbliebenen frei fließenden Flüsse, zum Beispiel für die ebenfalls von der Staustufenkanalisierung bedrohte Donau.

Der Tag der Niederlage

Als am 25. September 1992 die letzte Teilstrecke des Rhein-Main-Donau-Kanals mit Rhetorik, Blasmusik und einer Schifffahrt eröffnet wurde, war das ein Tag einer bitteren Niederlage für den Naturschutz.

Zwar hatte der Bund Naturschutz mit dem Ausschöpfen aller juristischen Möglichkeiten, einer bundesweiten Unterschriftenaktion, einer zweitägigen "Totentanz"-Aktion mit Künstlern und viel Presse- und Öffentlichkeitsarbeit das Ende der frei fließenden Altmühl zwischen Dietfurt und Kelheim zu verhindern versucht. Letztlich war er aber in seinem Ansinnen gescheitert, eine der letzten natürlichen Flusslandschaften mit seinen Mäandern, Altwässern, Uferlandschaften und Feuchtwiesen zu erhalten.

Die Hälfte aller Tier- und Pflanzenarten: verschwunden

Die Folgen waren verheerend. Wertvolle Landschaften wie das Ottmaringer Moor oder die Irrlewiesen am Wolfsberg verschwanden für immer. Zugleich verwandelte sich die fließende Altmühl in ein stehendes Gewässer, aus einem dynamischen Fluss wurde ein einbetoniertes Wasserband. Das hatte massive Auswirkungen auf Fauna und Flora. Zu verzeichnen ist in Kanal und Auenlandschaft ein Rückgang der Arten um gut die Hälfte. Es verschwanden Vögel wie Braunkehlchen, Grasmücken, Rohrsänger, Sumpfohreulen, Bekassinen. Es verschwanden Gelbbauchunke, Wasserspitzmaus und Erdkrötenpopulationen. Es verschwanden Natternzunge und braunes Zyperngras. Dennoch steht eine offizielle ökologische Bewertung des Projekts trotz vieler Mahnungen bis heute aus. Aber alles das, was Experten wie der damalige BN-Beauftragte für Nordbayern und heutige BN-Vorsitzende Hubert Weiger als "größte von Menschen verursachte Umweltzerstörung, die sich gegenwärtig in Mitteleuropa abspielt" befürchteten, bewahrheitete sich: das Artensterben, das Verschwinden einer alten, wertvollen Natur- und Kulturlandschaft.

Kampf um jeden Baum

Dabei hatte der BN seit Beginn der 70er Jahre versucht zu retten, was zu retten ist. Er wirkte mit bei der baubegleitenden Landschaftsplanung und Raumordnungsverfahren, kämpfte vor Ort um Einfluss mit Beteiligungen, Stellungnahmen und Gutachten, was damalige Mitwirkende heute als zermürbende Grabenkämpfe um jedes landschaftserhaltende Detail, um jede Wiese, jeden Baum und jeden Altwasserarm schildern. Im Mittelpunkt stand dabei der Landschaftsplan des Nürnberger Landschaftsarchitekten Reinhard Grebe, der mit möglichst viel Ausgleichsflächen die Naturzerstörung in Grenzen halten wollte. Wie sich herausstellte, hatte das eher kosmetischen Charakter. Zwar wurden schließlich statt der vorhergesehenen fünf rund 15 Prozent der Ausgaben für den Kanalbau für Ausgleichsmaßnahmen investiert, das erwies sich jedoch als "dürftiger Blumenschmuck auf dem Leichensarg der Natur", wie Weiger sagte. Die Eingriffe in die Natur konnten nur zu einem sehr geringen Teil ausgeglichen werden.

Verlieren und lernen

Dass der BN zunächst allein auf ein Mitwirken am Grebe-Plan baute, wirkt heute strategisch unklug. Denn zwar war der Bund Naturschutz grundsätzlich gegen das Bauvorhaben einschließlich der zahlreichen kanalbegleitenden und landschaftszertsörenden Verkehrsmaßnahmen, wollte aber dennoch an der Umsetzung wenigstens als Sprachrohr der Belange der Natur mitwirken. Nach außen hin konnte das schnell so ausshehen, als sei der BN mit dem Projekt einverstanden. Und tatsächlich missbrauchten die Kanalbauer den BN streckenweise als Alibi. Das änderte sich jedoch mit der Gründung der örtlichen Bürgerinitiative "Rettet das Altmühltal" 1977. Von da an war der BN viel kämpferischer und kompromissloser. Er verlor den Kampf – und lernte doch viel für die Zukunft.