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„Wir sind von Dorf zu Dorf gezogen“

Im Interview: Karl Paulus war über 30 Jahre Kreisgeschäftsführer des BUND Naturschutz Wunsiedel. Sein Kampf gegen die Fichtelgebirgsautobahn begann 1984 mit einer Mahnfeuerkette, kulminierte in spektakulären Kundgebungen auf dem Waldstein und endete mit dem Aus durch Innenminister Herrmann im Januar 2009. 

Herr Paulus, wann wurden Sie das erste Mal mit dem Thema Fichtelgebirgsautobahn konfrontiert?

1978, damals war ich 22, habe ich das erste Mal von der geplanten Verlängerung der Maintal-Autobahn erfahren. Die sollte von Bamberg über Bayreuth bis nach Schirnding führen. Damals hat ein gewisser Albrecht Schläger (ehemaliger Kreisvorsitzender des Bund Naturschutz Wunsiedel, Anm. d. Red.) hier in der Region den Widerstand organisiert und das war auch einer meiner ersten Kontakte mit dem BUND Naturschutz (BN). In der Folgezeit ist dann ein Bündnis des BN mit dem Bayerischen Bauernverband entstanden, das waren die Anfänge des Widerstandes. Seit 1984 hatte ich dann über den BN beruflich mit der „B303 neu“ zu tun. Alles in allem habe ich mich rund 30 Jahre mit dem Thema beschäftigt.

Von der Maintal-Autobahn sprach später niemand mehr. Dann hieß das Projekt nur noch „B303 neu“.

Genau. Das Projekt hat uns immer wieder beschäftigt. Ab dem Herbst 2000 starteten die Autobahnplaner voll durch. Das Projekt wurde vom Straßenbauamt Bayreuth und der Regierung von Oberfranken generalstabsmäßig aufgezogen. Die wollten unbedingt diese Autobahn durchsetzen. Dabei waren die verantwortlichen Stellen so schlau, das Wort „Autobahn“ nicht in den Mund zu nehmen. Die sprachen nur von einer „B303 neu“ und „Verbesserung der Ost-West-Verbindung.“ Da waren natürlich fast alle Kommunen dafür. Aber wir haben schnell herausgefunden, dass der Regelquerschnitt der neuen Bundesstraße dem einer Autobahn entspricht, 26 Meter nämlich.

Welche Argumente brachten die Autobahnbefürworter?

Na, das waren so schwammige Formulierungen: Verbesserung der Infrastruktur um den „Verkehrsbrei aus dem Osten“, das Wort fiel wirklich, aufzunehmen. Das Fichtelgebirge würde sonst im Stau ersticken. Auch Arbeitsplätze waren natürlich ein Thema.

Welches waren die Argumente des BUND Naturschutz?

Der gesamte Natur- und Erholungsraum Fichtelgebirge wäre irreversibel geschädigt worden. Die Autobahn ist das eine, die Zubringer und Auffahrschleifen hätten nochmals dieselbe Fläche Boden versiegelt. Das passt doch nicht zusammen, ein kleiner Gebirgsknoten von zwei Autobahnen durchschnitten (die B303 neu und die bestehende A93; Anmerkung der Redaktion). Es drohte eine „Vierteilung“ des Fichtelgebirges, da geht es nicht um einzelne Pflanzen und Tiere, sondern um das Ganze.

Wie hat sich dann der neue Widerstand formiert?

Ganz wichtig war, dass die Gemeinde Höchstädt, in Person von Bürgermeister Rudi Reichel, erklärt hat, eine Autobahn würde reichen. Höchstädt wäre im Würgegriff zweier Autobahnen gefangen gewesen. Seit 2001 ist unser Widerstand gemeinsam mit der Gemeinde Höchstädt gewachsen, massive Unterstützung kam von der großen Bürgerinitiative gegen eine Fichtelgebirgsautobahn.

Dabei hatten sich längst nicht alle Verbände hinter den BN gestellt. 

Es war ein großes Problem, dass der Fichtelgebirgsverein (FGV) mit seinen damals 20.000 Mitgliedern nicht mitzog. Da waren wir schon enttäuscht. Der FGV war durch seinen stellvertretenden Vorsitzenden, Landrat Peter Seißer (SPD), mehr oder weniger lahmgelegt. Seißer hatte sich für die Fichtelgebirgsautobahn ausgesprochen.

Welche Rolle spielten  BUND Naturschutz und Bürgerinitiative im Rahmen des Widerstandes?

Die BI war extrem wichtig. Die Leute waren äußerst aktiv und haben 30.000 Unterschriften gesammelt. Die Köpfe dahinter waren Fred Leidenberger aus Weißenstadt und Sandra Krause aus Zell. Sandra hat die Emotionen in den Widerstand gebracht, das war sehr wichtig. Professor Wolfgang Batrla warf die geringen Verkehrszahlen in die Waagschale. Wir vom BN sind mit unserem Vortrag „Bilder einer Autobahn“ von Dorf zu Dorf gezogen. Dabei haben wir massive Unterstützung erfahren und gemerkt, die Bevölkerung will diese Autobahn nicht. Der Widerstand kulminierte in den Großdemos auf dem Waldstein immer am 1. Mai. Eminent wichtig war die Unterstützung durch den Landesverband mit Hubert Weiger an der Spitze.

Wann haben Sie gemerkt, dass der Widerstand erfolgreich ist?

Die Wende zeichnete sich ab, als sich sieben Bürgermeister öffentlich gegen das Vorhaben aussprachen – wir haben das Schlagwort „Kommunale Allianz gegen die Fichtelgebirgsautobahn“ geprägt. Ein Bild wurde in der Presse veröffentlicht und das hat natürlich auf den Innenminister Eindruck gemacht.  

Auch wenn die Fichtelgebirgsautobahn vom Tisch ist, steht immer noch der Ausbau der B303 an. Wie steht die BN-Kreisgruppe Wunsiedel dazu?

Wir haben nichts gegen Verbesserungen an der bestehenden B303, abhängig vom Verkehr. Das haben wir immer gesagt, wir mussten im Widerstand ja auch eine Alternative bieten. Verbesserungen können zum Beispiel Lärmschutzmaßnahmen und der Anbau einer dritten Fahrspur sein. Einfach damit Lkw gefahrlos überholt werden können.

Und der Ausbau vom Grenzübergang Schirnding zur A93?

Wir haben schon vor sechs Jahren einmal vorgeschlagen, diesen Abschnitt dreispurig auszubauen, mit wechselnden Überholspuren. Aber das Staatliche Bauamt in Bayreuth ging nicht darauf ein. Die wollen entweder einen vierspurigen Ausbau oder gar nichts. Ein Knackpunkt ist der Flitterbach in Arzberg. Die neue Brücke müsste über bestehende Wohnhäuser gebaut werden. Pikant ist außerdem: Bei einem vierspurigen Ausbau darf kein landwirtschaftlicher Verkehr mehr über die B303 führen. Der müsste wieder durch die Dörfer und das ist bei den riesigen Fahrzeugen der Landwirtschaft heute ein großes Problem. Wir sind für Verbesserungen, aber einen vierspurigen Vollausbau der B303 werden wir nicht zulassen. Das geben auch die Verkehrszahlen von rund 5.000 Fahrzeugen pro Tag nicht her.