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1. Mai 2013 Fest am Waldstein

100 Jahre BUND Naturschutz

100 Jahre „grünes Gewissen“ in Oberfranken

 

02.05.2013

Seit hundert Jahren stellt sich der BUND Naturschutz schützend vor Bayerns Landschaft und seine natürlichen Lebensgrundlagen. In Oberfranken hat sich der BUND Naturschutz mit seinen aktuell neun Kreisgruppen und 14.760 Mitgliedern in den vergangenen 100 Jahren als „grünes Gewissen“ der Region etabliert. Im Rahmen eines großen Festes feiern die oberfränkischen Natur- und Umweltschützer ihr Jubiläum am 1. Mai 2013 am Waldstein.

Dazu der Landesvorsitzende Prof. Dr. Hubert Weiger: „In Oberfranken hat der Naturschutz eine lange und durchaus bewegte Geschichte. 1913 waren zwar schon extreme Folgen der Industrialisierung Oberfrankens wie Flussbegradigungen und-verbauungen, neue Straßentrassen oder Industriebauten sichtbar, es gab aber noch keine Umweltschutzinstitution und der Fortschrittsglaube an technische Lösungen war ungebrochen. Die Gründung des Bund Naturschutz war damals überfällig. Heute haben wir in Oberfranken allein im BN 14.800 Mitglieder und bilden zusammen mit anderen Verbänden und Initiativen eine unüberhörbare Umweltbewegung. Wir alle brauchen sie angesichts des fortschreitenden Raubbaues an Rohstoffen, der Vergiftung unserer Böden mit Pestiziden, des fortschreitenden Flächenverbrauches und des Klimawandels. Sie ist sogar nötiger denn je angesichts der vor uns stehenden Aufgabe, eine nachhaltig umweltgerechte Entwicklung durchzusetzen.“

Der von 1923 bis 1968 in der Kreisgruppe Bayreuth amtierende Vorsitzende Karl Kronberger schaffte es z. B., dass zahlreiche Gipfel des Fichtelgebirges wie die Platte, der Nußhardt, der Schneeberggipfel, der Haberstein, die Luisenburg, die Kösseine, der Waldstein, und viele Kleinode mehr als Naturschutzgebiete ausgewiesen wurden.

Später waren es Männer wie der Bayreuther Förster Konrad Eitler oder der langjährige Kreisgruppenvorsitzende Helmut Korn, die im besonders betroffenen Oberfranken das Waldsterben thematisierten und mithalfen, den Grundstein für das größte und erfolgreichste Luftreinhaltungsprogramm Europas, die Entschwefelung von Kraftwerken, zu legen. Und die damit auch dafür gesorgt haben, dass die typische Nadelbaumart Oberfrankens, die Tanne, wieder vitale Zuwächse hat.

Zusammen mit Bürgerinitiativen wie „Pseudokrupp“ in Hof konnte auch die Ursache für den „Katzendreckgestank“, die Verbrennung besonders schwefelhaltiger Kohle in der Tschechoslowakei eingedämmt werden, damals zu Zeiten des Kalten Krieges keine leichte Angelegenheit.

Mit der Bürgerinitiative „Vierether Kuckucksei“ und der Kreisgruppe Bamberg unter Ludwig Trautmann-Popp konnte der BN das geplante Atomkraftwerk in Unterviereth bei Bamberg verhindern. Die ersten Windkraftanlagen Bayerns waren dann konsequent auch vom BN gebaute bzw. initiierte Anlagen in Sellanger bei Hof und in Sassendorf bei Bamberg. Heute kämpft der BN für Windkraft nach Plan, eine Energiewende mit ökologischen Leitplanken. Dass der Atomausstieg zwar beschlossen ist, die Menschen in Oberfranken aber bis 2015 bzw. 2022 mit der täglichen Drohung eines Unfalls z. B. in Grafenrheinfeld oder in Gundremmingen leben müssen, ist nicht zufriedenstellend.

Seit Anfang der 90er Jahre entwickelt der BN entlang Oberfrankens Grenze zu Tschechien und Thüringen das Nationale Naturerbe Grünes Band Deutschland und damit einen Teil des weltweit größten Biotopverbundes, das Grüne Band Europa vom Eismeer bis zum Schwarzen Meer. Die Initialzündung dafür kam von Hubert Weiger und Dr. Kai Frobel, der heute das Artenschutzreferat des BUND Naturschutz leitet.

Durch das Engagement des BUND Naturschutz wurden auch viele Landschaften in Oberfranken vor geplanten Zerstörungsprojekten gerettet und die Ausweisung von Natur- und Landschaftsschutzgebieten vorangebracht. Hierzu gehören u. a. das Püttlachtal im Landkreis Bayreuth, das Steinachtal im Landkreis Kulmbach, die Windwarten südlich von Kulmbach, das Landschaftsschutzgebiet Kessel-Ploßenberg, das Lamitztal bei Kronach oder das Gebiet zwischen Gefrees und Höchstädt, das mit einer Fichtelgebirgsautobahn zerschnitten und verhunzt werden sollte.

Wir mussten natürlich auch viele Niederlagen einstecken, die nicht nur die BN-Aktiven, sondern auch alle umweltbewussten Menschen betrauern. Darunter der heftig und bis zuletzt bekämpfte Bau der Autobahn A 73 durch den Gottesgarten und das Banzer Hügelland, ein nie wieder gutzumachender Landschaftseingriff. Auch der Bau der A 93 Ostumfahrung Hof war lange so umkämpft wie die Ortsumfahrung Wallenfels oder die B 289neu bei Unter-siemau. Oder der Bau der ICE-Trasse Ebensfeld-Erfurt, den man besser beenden sollte. Dem BN ist es bayernweit noch nicht gelungen, den Flächenfraß durch Straßenbau, Wohn- und Gewerbegebiete einzudämmen, wir alle verlieren in Bayern täglich 18 Hektar landwirtschaftlich nutzbare Böden, ein Trauerspiel.

Im Rahmen von Arten- und Biotopschutz-Projekten wie „Egertal“ konnten mit Hilfe des Bayerischen Naturschutzfonds viele Kristallisationspunkte des Natur- und Artenschutzes im Fichtelgebirge entwickelt werden. Die Kreisgruppe Wunsiedel konnte damit z. B. ökologisch wertvolle Teichflächen und Feuchtgebiete im Egertal bei Marktleuthen und Fischern sichern. Das Projekt steht beispielhaft für hunderte ähnliche Projekte der letzten Jahrzehnte in Oberfranken. Über 210 Hektar Grundstücke konnte der BN in den letzten Jahrzehnten in Oberfranken erwerben, weitere 110 Hektar sind für den Naturschutz gepachtet. Alle oberfränkischen Kreisgruppen betreuen mit ihren Aktiven ehrenamtlich ein riesiges ökologisches Netzwerk schutzwürdiger Lebensräume mit vom Aussterben bedrohten Pflanzen- und Tierarten wie Braunkehlchen, Fischotter oder Grüner Keiljungfer. Sie schaffen die Bedingungen für die Wiederkehr und Ausbreitung von Biber, Wildkatze oder Luchs. In Oberfranken werden dafür jährlich über 100.000 Stunden ehrenamtliche Arbeit geleistet.

Der BN hat es geschafft, von den kleinen Anfängen mit geführten Wanderungen für naturbegeisterte Fachleute – damals meist mit Wanderstock und Botanisiertrommel – bis heute in ganz Oberfranken ein Netz von Umweltstationen und Schulangeboten zu schaffen. Es reicht von der Ökologischen Bildungsstätte Oberfranken in Mitwitz über EMIL, das langjährige Bildungsprojekt in Hof, die Stadtoase in Kronach, „Erlebnis Wildnis“ in Bamberg, Exkursionsangebote für Schulen in allen anderen Kreisgruppen, bis zum aktuellen Aufbau der Umweltschule SchlöNZ in Schlömen. Jährlich werden mehrere tausend Schülerinnen und Schüler in die Geheimnisse der Natur eingeführt – und die Wanderungen und Exkursionen für Erwachsene gibt es auch noch.

„Damit wir weiterhin unabhängig und offen unsere fachlichen Positionen durchsetzen können, brauchen wir auch künftig viele Mitglieder. Wir finanzieren uns allein aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden. Dies ist unsere Stärke und die Basis unserer Glaubwürdigkeit“, so BN-Landesbeauftragter Richard Mergner.  „Als Anwalt der Natur sind wir eine fachliche und überparteiliche Organisation. Unsere Vorgaben liefern die Naturgesetze und unsere Grundeinstellungen zu Demokratie, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit.“

„Leider sind wir noch lange nicht in einer nachhaltig umweltgerechten Gesellschaft angekommen. Noch immer treiben wir unglaublichen Raubbau an Natur und Landschaft, versiegeln Böden als hätten wir noch eine zweite Welt irgendwo, belasten fruchtbaren Boden und Grundwasser mit Agrochemikalien und sorgen für ein Artensterben in ungeheurer Geschwindigkeit. ‚Gut leben statt viel haben’ ist unser Gegenmodell, für das wir auch künftig kämpfen werden“, so Weiger.

Für Rückfragen: Tom Konopka, Regionalreferent für Mittel- und Oberfranken

Fon 0911/81878-14

 

100 Jahre BUND Naturschutz ­-

100 Jahre angewandter Optimismus

Als am 26. Juni 1913 der BUND Naturschutz gegründet wurde, um die Arbeit des Naturschutzes „auf eine breitere Grundlage“ zu stellen, hatte er bereits seinen ersten Erfolg zum Schutz der Natur so gut wie erreicht: Denn man hatte seine „Königliche Hoheit Kronprinz Rupprecht von Bayern“ überreden können, das „Protektorat“, heute würde man sagen die Schirmherrschaft zu über-nehmen. Und damit war das erste BN-Projekt bereits auf gutem Wege: der Schutz der beeindruckenden Falkensteiner Wand am Königssee bei Berchtesgaden. Damals sollte analog zu den Präsidentenköpfen am Mount Rushmore in den USA ein gigantischer assyrischer Löwe in die Wand gemeißelt werden. Unsere Naturschutzahnen wandten sich zum Schutz der Alpenwelt dagegen – und waren erfolgreich. Das Gebiet wurde 1921 als „Naturschutzgebiet Königssee“ unter Schutz gestellt. In den 1970er-Jahren entstand hier der Nationalpark Berchtesgaden.

Der erste Vorsitzende des BN, Universitätsprofessor Carl von Tubeuf, formulierte etwa 1913 (!) die Intentionen so: „Viele Verantwortliche halten die Natur noch immer für einen miserablen Verhau, so dass wir uns als Gegenbewegung, als Opposition zur Begradigung, Bereinigung und Entwässerung verstehen müssen. Viele Techniker sehen in der Erschließung noch immer die Ordnung und nicht den Kahlschlag, weil ihre Seelen so monoton geworden sind wie die Kartoffelschläge und so einfältig wie die neuen Autostraßen.“

Bereits in der Aufbauphase zwischen 1913 und 1924 gelang es dem BN, eine bayernweite Organisation zu schaffen. Entgegen dem Zeitgeist hatte er sich ganzheitliche ökologische Ziele gesetzt. Doch wegen der Verflechtung mit staatlichen Behörden war der Verband politisch eingebunden. Mit der Macht-übernahme Nationalsozialisten hielt auch noch das Führerprinzip Einzug. Der Verband war nun in den "Reichsbund Volkstum und Heimat" eingegliedert.

Nach Kriegsende erhielt der BUND Naturschutz eine demokratische Satzung, doch in der Wirtschaftswunderzeit war es schwer, den Positionen des Naturschutzes Gehör zu verschaffen. Allzu oft vertraute man auch weiterhin darauf, dass der Naturschutz beim Staat ohnehin in besten Händen sei. Trotzdem konnte der BUND Naturschutz in den ersten 50 Jahren seines Bestehens bedeutende Naturschätze retten: Etwa den Donaudurchbruch bei Weltenburg, der sonst einem Wasserkraftwerk zum Opfer gefallen wäre. Oder die Litzauer Lechschleifen und das Murnauer Moos.

Heute versteht sich der BUND Naturschutz als unabhängiger, spontaner und kreativer „Anwalt der Natur“, als Verfechter einer nachhaltig umweltgerechten Entwicklung. Flächendeckend organisiert kann der BN die Politik bis in die Gemeinderäte hinein kritisch begleiten, denn auch globale Umweltprobleme lassen sich oft nur lokal lösen. „Global denken – lokal handeln“ ist zu einem Leitgedanken der BN-Arbeit geworden.

Seine Ziele vertritt der BN mit seinen Kreis- und Ortsgruppen und rund 195.000 Mitgliedern und Förderern zu Recht sehr selbstbewusst, auf dem Boden des Artikels 141 der Bayerischen Verfassung stehend und mit hoher Glaubwürdig-keit, weil er sich durch Mitgliedsbeiträge und Spenden finanziert. Selbst bei Naturschutz-Förderprojekten bringt der BN einen erheblichen Eigenanteil ein.

Man kann davon ausgehen, dass praktisch um jedes Kleinod, jedes besonders schöne Natureckchen, jede herausragende Landschaft in Bayern in den ver-gangenen hundert Jahren mindestens einmal gekämpft werden musste. So wurde ein Tourismusmagnet wie der Donaudurchbruch bei Kelheim vor einer Staustufe gerettet und große Wälder wie der Nürnberger Reichswald oder der Bayerische Wald über Jahrzehnte hin verteidigt.

Ob „Energiewende“, „Ökologisch Bauen“, „Verkehrswende“, „Gentechnik-freiheit“, „Biber“ oder „Nationalpark Steigerwald“: kaum ein Thema, bei dem der BN nicht aktiv war und ist. Meist gemeinsam mit befreundeten Verbänden und Bürgerinitiativen, ohne die es oft nicht zum Erfolg gereicht hätte.

Der Waldstein – traditioneller Ort der Kundgebungen gegen die Fichtelgebirgsautobahn

Mit dem Fest am Waldstein knüpft der BN bewusst an die Kundgebungen gegen die Fichtelgebirgsautobahn an, die hier immer am 1. Mai stattfanden. Sie trugen dazu bei, den großen Widerstand aus Oberfranken gegen eine 40 Kilo-meter lange Autobahn durch das Fichtelgebirge und unter dem Waldstein hindurch zu verhindern. Einer der großen Erfolge der Verbandsgeschichte, der nur durch die intensive Arbeit der BUND Naturschutz Kreisgruppen Wunsiedel, Hof und Bayreuth gemeinsam mit dem Landeverband und der engen Kooperation mit den Bürgerinitiativen und der Lokalpolitik vor Ort möglich wurde. Allerdings gibt es nach wie vor Bestrebungen des Innenministeriums und der loka-len Wirtschaft, die Autobahn durch die Hintertür, den vierspurigen Ausbau der B 303 doch noch durchzusetzen. Dagegen wird sich der BN auch weiterhin einsetzen.

Für Rückfragen: Tom Konopka, Regionalreferent für Mittel- und Oberfranken

Fon 0911/81878-14