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30 Jahre Öffnung Eiserner Vorhang – 30 Jahre Grünes Band: Zeitgeschichte und Natur erleben, vom „Kleintettauer Zipfel“ zur „Serengeti am Grünen Band“

Gemeinsame Pressemitteilung des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND) und des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) anlässlich der „Vier-Elemente-Reise 30 Jahre Öffnung Eiserner Vorhang – 30 Jahre Grünes Band“ vom 20. bis 22. Mai 2019 zu den „Perlen“ entlang des Grünen Bandes: Dreiländereck Bayern-Sachsen-Tschechien, Saaletal bei Blankenstein, Frankenwald-Thüringer Schiefergebirge bei Kleintettau, Bischofsau bei Straufhain, Biosphärenreservat Rhön (Ulstertal bei Buttlar), Werrabergland.

21. Mai 2019: Bis 1989 waren Deutschland und Europa durch eine unmenschliche Grenze getrennt. Das Grüne Band – der einzigartige Lebensraumverbund, der sich im Schatten des Eisernen Vorhangs durch ganz Europa entwickelte – steht heute sinnbildlich für eine länderübergreifende, friedliche Zusammenarbeit. Es ist eine Schatzkammer der Artenvielfalt und eine lebendige Erinnerungslandschaft. Am zweiten Tag der 3-tägigen Jubiläumsbereisung „30 Jahre Öffnung Eiserner Vorhang – 30 Jahre Grünes Band“ berichteten Zeitzeugen aus erster Hand über die besondere Grenzsituation im sogenannten „Kleintettauer Zipfel“ und lokale Naturschutzakteure stellten die herausragende Tier- und Pflanzenwelt des Grünen Bandes vor. Am Beispiel der Beweidungsprojekte bei Kleintettau und in der Bischofsau zwischen Straufhain und Bad Rodach wurde deutlich, wie eine nachhaltige Landwirtschaft das Grünen Band fördert.

 

17.05.2019

Grünes Band Thüringen-Bayern:

  • Frankenwald-Thüringer Schiefergebirge: Grenzspaziergang mit Zeitzeugen, Kräutergenuss aus dem Grünen Band und Beweidungsprojekt bei Kleintettau
  • Naturschutzgroßprojekt „Grünes Band Rodachtal-Lange Berge-Steinachtal“: Landwirtschaft und Naturschutz Hand in Hand: Grenzübergreifende Beweidung mit Heckrindern und Konik-Pferden in der Bischofsau bei Straufhain/Bad Rodach

Aufgrund der für Jahrzehnte eingeschränkten Nutzung entlang des ehemaligen Eisernen Vorhangs und der dadurch heute noch ausgedehnten naturnahen Bereiche bildet das Grüne Band eine der wichtigsten transnationalen Biotopverbundachsen innerhalb Europas und Deutschlands.

Thüringens Umweltministerin Anja Siegesmund verwies bei der gestrigen Auftaktveranstaltung auf das im Herbst 2018 auf seiner gesamten Länge von 763 Kilometern als Nationales Naturmonument ausgewiesene Grüne Band Thüringen: „Ich freue mich sehr, dass der Freistaat hiermit eine Vorreiterrolle bei der Weiterentwicklung des Grünen Bandes Deutschland einnimmt. Thüringen setzt damit ein Signal von europäischer Tragweite, um die einmalige Verbindung von Natur und Geschichte des Grünen Bandes auch für künftige Generationen zu bewahren.“ Das Land Sachsen-Anhalt will diesem positiven Beispiel folgen und noch bis Ende des Jahres seinen Anteil am Grünen Band als Nationales Naturmonument ausweisen. Die weiteren Anrainerländer sollten diesem Vorbild folgen – dies wäre ein geeignetes Geschenk zum 30. Geburtstag des Grünen Bandes.

„Aus Vergangenheit wird Zukunft: Aus einem düsteren Kapital der Geschichte hat sich ein einzigartiges Refugium für bedrohte Tier- und Pflanzenarten entwickelt. Das Grüne Band ist für uns ein Ort der Erinnerung und der Hoffnung zugleich. Es bietet eine einmalige Chance für den Erhalt der biologischen Vielfalt in Europa", betonte Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber bei der gestrigen Jubiläumsfeier. Mit dem Naturschutzgroßprojekt des Bundes „Grünes Band Rodachtal - Lange Berge - Steinachtal“ setzt Bayern zusammen mit Thüringen in einem Kerngebiet von rund 8.200 Hektar am innerdeutschen Grünen Band wertvolle Maßnahmen zur Sicherung und Entwicklung des Biotopverbundes um.

 „Trotz der erzielten Erfolge dürfen die Bemühungen zum Schutz und zur Entwicklung des Grünen Bandes als übergreifender Lebensraumverbund nicht nachlassen. Aktuell ist das rund 1.400 Kilometer lange Grüne Band Deutschland auf 170 Kilometer Länge nicht mehr erkennbar, insbesondere durch intensive landwirtschaftliche Nutzung. Das Schließen der Lücken ist eine der großen Herausforderungen für die Zukunft. BfN und BMU unterstützen dieses Ziel durch die Bereitstellung erheblicher Fördermittel“, betonte Dr. Uwe Riecken, Abteilungsleiter im Bundesamt für Naturschutz (BfN) und National Focal Point für das Grüne Band in Deutschland auf der gestrigen Veranstaltung.

„Das Schließen der Lücken ist die große Aufgabe, erschwert durch kleinräumige Besitzverhältnisse, Nutzungsdruck von benachbarten Flächen und den derzeitigen massiven Flächenhunger“, betonte Dr. Liana Geidezis, Leiterin BUND Fachbereich Grünes Band. „Ein unvollständiger Biotopverbund ist wie eine Hängebrücke, bei der manche Bohle fehlt oder auch mal zwei oder drei hintereinander. Man geht da zwar drüber, aber eben nicht allzu gerne“. „Als wir im Dezember 1989 die Aktivitäten zum Schutz der wertvollen Natur entlang der innerdeutschen Grenze unter dem Namen „Grünes Band“ beim ersten Ost-Westdeutschen Naturschutztreffen in Hof als gesamtdeutsches Projekt initiierten, ahnte noch niemand, dass sich daraus auch die großartige Initiative „Grünes Band Europa“ entwickelt“, so Martin Geilhufe, der Landesbeauftragte des BUND Naturschutz in Bayern. „Insbesondere in Zeiten einer zunehmenden Fokussierung der europäischen Staaten auf die jeweils eigenen Vorteile und Interessen auf Kosten der Staatengemeinschaft, wird mit der Initiative zum Grünen Band der europäische, völkerverbindende Gedanke gelebt wie kaum irgendwo sonst“.

Lebendige Erinnerungslandschaft und Schatzkammer der Artenvielfalt: Im Bereich der ehemaligen innerdeutschen Grenze im sogenannten „Kleintettauer Zipfel“ verlief die Grenze mitten durch den Ortsteil Kleintettau und drei Häuser standen damit auf DDR-Territorium. Thüringen ragt in Form eines spitzen Winkels fast einen Kilometer weit nach Süden und ist in diesem Bereich an drei Seiten von fränkischen Gebieten umgeben. Zeitzeugen, wie der heutige Bürgermeister des Marktes Tettau, Peter Ebertsch, berichteten über die damalige Situation. Im Rahmen des BUND-Projektes „Erlebnis Grünes Band“, von 2007-2011 gefördert vom Bundesamt für Naturschutz, wurde in Tettau eine ca. 15 km lange Wanderroute mit Hörstationen eingerichtet, die die besondere Geschichte erlebbar macht.
Im Tal der Kleinen Tettau beherbergt ein Mix aus Feuchtwiesen und trockenen Bereichen eine besondere Artenfülle: Sumpfschrecke, Sumpfwiesen-Perlmuttfalter, Rostbraunes Wiesenvögelchen, Perücken-Flockenblume und Geöhrtes Habichtskraut. Die Wiesen beiderseits der Landesgrenze beweiden Schottische Hochlandrinder der Schottischen Hochland-Rinderzucht Frankenwald GmbH & Co KG. Die artenreichen Bärwurzwiesen am Grünen Band im Frankenwald bieten der Arnika und dem Breitblättriges Knabenkraut, Arten für deren Erhalt Deutschland eine besondere Verantwortung trägt, einen Lebensraum. Die Trägergemeinschaft aus Ökologischer Bildungsstätte Oberfranken und dem Landschaftspflegeverband Frankenwald Landkreis Kronach sorgt durch ein dreijähriges BayernNetzNatur-Projekt „Bärwurzwiesen und Feuchtflächen im nördlichen Frankenwald“ für den Erhalt und die Vernetzung der Bärwurzwiesen, berichtete Dr. André Maslo, Geschäftsführer der Ökologischen Bildungsstätte Oberfranken. Genussbotschafterin Kerstin Rentsch stellt den seltenen Lebensraum mit seinen vielfältigen Kräutern den Besucher*innen bei Exkursionen vor.

„Serengeti am Grünen Band“ – Nachhaltige Landwirtschaft erhält Artenvielfalt: Das Naturschutzgebiet „Bischofsau“ direkt am Grünen Band Thüringen – Bayern zwischen Straufhain und Bad Rodach ist Teil des Naturschutzgroßprojekts des Bundes „Grünes Band Rodachtal - Lange Berge - Steinachtal“. Stefan Beyer, Leiter des Projektes vom gleichnamigen Zweckverband berichtete über durchgeführte Biotoppflegemaßnahmen, wie Entbuschung und der Anlage von Kleingewässern. „In 2018 wurde in der Bischofsau mit verschiedenen Projektpartnern ein grenzübergreifendes Ganzjahres-Beweidungsprojekt mit Heckrindern auf einer Fläche von 59 ha gestartet, um den in den letzten Jahren festgestellten Rückgang von gefährdeten Wiesenbrütern, wie Bekassine und Braunkehlchen und anderen Arten zu stoppen. Die Heckrinder schaffen aufgrund der niedrigen Besatzdichte ein kleinräumiges Mosaik aus unterschiedlich hoher und dichter Vegetation, welches vielen Tier- und Pflanzenarten zu Gute kommt. Auf diese Weise wird nicht nur hochwertiges Weide-Fleisch sondern auch Artenvielfalt produziert“, so Stefan Beyer. Andreas Storch von der Agrar-GmbH "Am Straufhain" schilderte das anspruchsvolle Weidemanagement auf der Ganzjahresweide. Verena Volkmar vom Landschaftspflegeverband "Thüringer Grabfeld" kümmert sich seit Mitte der 1990er Jahre um den Abschluss von Pflege- und Pachtverträgen im Grünen Band, um den Zustand des Biotopverbundes zu erhalten und zu entwickeln. Gemeinsam mit der Agrar-GmbH und den Naturschutzbehörden wurde hier ein Nutzungssystem entwickelt, bei denen in den letzten Jahrzehnten wertvolle Wiesen und Brachflächen erhalten wurden.
Die Bischofsau zählt ornithologisch zu den am besten untersuchten Abschnitten des Grünen Bandes. Nach der Ersterfassung der Vogelwelt bereits im Jahr 1990 im Rahmen der "Faunistischen Grenzstreifenkartierung" finden hier kontinuierlich seit 1993 durch Dr. Dieter Franz, Zweigstellenleiter des Thüringer Landesamtes für Landwirtschaft und Ländlichen Raum in Hildburghausen sowie Ornithologe und Akteur der ersten Stunde, Untersuchungen statt. Anhand von verschiedenen Feucht- und Trockenbiotopen berichtete er über die Bestandstrends ausgewählter Vogelarten wie dem seltenen Blaukehlchen.

Hintergrund
Das Grüne Band gilt seit 30 Jahren als ein Symbol für die Überwindung von Grenzen und für die länderübergreifende Zusammenarbeit im Naturschutz. Als einzigartige Erinnerungslandschaft verbindet es Natur, Kultur und Geschichte entlang von 1.393 Kilometern mitten durch Deutschland. In Europa verbindet es 24 Staaten auf einer Länge von über 12.500 Kilometern und nahezu alle biogeographischen Regionen vom Eismeer bis an die Adria und ans Schwarze Meer.

Der BUND kauft mit Hilfe von Spenden- und Fördermitteln Flächen im Grünen Band an. In neun Pilotregionen sind bereits über 1.000 Hektar langfristig gesichert und es werden erfolgreich Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen in Kooperation mit lokalen Akteuren und Landwirten durchgeführt.

Das BfN hat in den letzten 30 Jahren die Sicherung und Entwicklung des innerdeutschen Grünen Bandes durch eine Vielzahl von Projekten mit über 56 Millionen € unterstützt. Im Projekt „Lückenschluss Grünes Band“, das im Bundesprogramm Biologische Vielfalt vom BfN mit Mitteln des Bundesumweltministeriums gefördert wird, werden Lücken im Biotopverbund seit 2012 modellhaft geschlossen.

Download der Pressemitteilung als pdf.-Datei

Für Rückfragen:
Dr. Liana Geidezis, Leiterin BUND Fachbereich Grünes Band, mobil vom 20.-22.5.: 0151-50443754
gruenesband@bund-naturschutz.de, www.grunesband.info

Bundesamt für Naturschutz
Ruth Birkhölzer, Leiterin Referat Presse und Öffentlichkeitsarbeit, Tel. 0228 / 8491-4444
presse@bfn.de, https://www.bfn.de/themen/biotop-und-landschaftsschutz/gruenes-band.html

Diese Pressemitteilung und umfangreiches Bildmaterial zum Grünen Band Deutschland und Europa finden Sie auf: www.bund.net/30jahre-gb