BAYERNS GENTECHNIKFREIHEIT IN GEFAHR
Ein Bündnis von Unternehmern der Biobranche, Bauern, Verbrauchern, Imkern und Naturschützern appelliert an Ministerpräsident Horst Seehofer, sich im Rahmen der Koalitionsverhandlungen klar gegen Neuzulassungen gentechnisch veränderter Pflanzen und die dafür nötige Änderung des derzeit geltenden Rechtsrahmens auf europäischer Ebene zu positionieren. Sie sind in großer Sorge, dass die künftige Bundesregierung keine ausreichenden Vereinbarungen trifft, um den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen in Deutschland und Bayern langfristig auszuschließen.
Eine bäuerlich geprägte, umwelt- und tierschutzgerechte Landwirtschaft kann in Bayern und Deutschland nur dann weiter existieren, wenn es gelingt, Agrogentechnik langfristig auszuschließen.
Jetzt könne die bayerische Staatsregierung endlich das umsetzen, was sie seit 4 Jahren angekündigt hat: „Ein gentechnikfreies Bayern“ zu sichern. Dazu müsste der Vorschlag von EU Verbraucherschutzkommissar John Dalli aus dem Jahr 2010, jetzt erneuert durch Tonio Borg, für ein Selbstbestimmungsrecht über den Anbau im eigenen Hoheitsgebiet der EU Mitgliedsstaaten neu aufgegriffen und im Koalitionsvertrag festgeschrieben werden. Nationale Anbauverbote müssten auf der Grundlage sozioökonomischer Belange ausgesprochen werden können, und gegenüber Firmenklagen rechtlich abgesichert sein.
Nicht länger akzeptabel sei es außerdem, dass sich Deutschland bei den Abstimmungen im EU- Ministerrat über Neuzulassungen gentechnisch veränderter Pflanzen enthält oder gar, wie geschehen, dafür stimmt, und damit gegen die Interessen der deutschen und bayerischen Verbraucher und Landwirte handelt.
Forderung des Bündnisses für eine geänderte Formulierung zur rechtlichen Situation Agrogentechnik im Koalitionsvertragstext ist:
….„Wir lehnen dementsprechend den Anbau, die Freisetzung und die Zulassung gentechnisch veränderter Sorten in Deutschland und Europa ab und werden uns für eine Verschärfung der Zulassungspraxis einsetzen, Neuzulassungen ablehnen und die rechtlichen Möglichkeiten so abändern, dass nationale Verbote und Abstandsregelungen einen Anbau ausschließen.“ (und)
„In Deutschland sorgen wir für den Schutz der Imker vor Verunreinigung ihres Honigs mit gentechnisch veränderten Organismen durch Festlegung von Mindestabständen. Dafür machen wir uns auch in der EU stark.“( und)
„Wir schaffen die rechtlichen Voraussetzungen, damit die Bundesländer eigenständig Abstände oberhalb der bundeseinheitlich geregelten Mindestabstände zwischen Feldern mit genetisch veränderten Pflanzen und solchen mit konventionellem oder ökologischem Anbau festlegen können.“
Im Koalitionsvertrag müsse auch festgehalten werden, dass endlich die bestehenden Möglichkeiten umgesetzt werden, ausreichende Sicherheitsabstände zu Imkerständen in Deutschland festzulegen. Derzeit gibt es nur Schutzabstände zu benachbarten Mais-Ackerflächen von 150 Metern und Biomaisflächen von 300 Metern. Erforderlich wären jedoch mindestens 10 km Abstand zu Imkerständen. Bienenschutz diene auch dem Schutz der anderen freilebenden Insekten und nachfolgenden Nahrungsketten, die von dem giftigen Pollen gentechnisch veränderter Maispflanzen bedroht seien.
Demnächst droht auf EU Ebene nicht nur die Anbau-Zulassung einer weiteren risikobehafteten gentechnisch veränderten Maispflanze, dem herbizid- und insektenresistenten Mais 1507 der Firma Pioneer, sondern auch die Wiederzulassung des MON 810, dem insektenresistenten Mais der Firma Monsanto.
Bisher können Mitgliedsstaaten bei neuen Erkenntnissen zu den Risiken Anbauverbote nur auf Grundlage Art. 23 der EU-Freisetzungsrichtlinie auf nationaler Ebene erlassen. Würde der gvo-Mais Mon 810 wieder zugelassen, würde das in vielen europäischen Ländern gültige Anbauverbot aufgehoben werden. Ein Anbauverbot von Mon 810 besteht in Europa derzeit neben Deutschland in Österreich, Ungarn, Luxemburg, Frankreich, Griechenland, Bulgarien und seit 2013 auch in Italien.
Gegen die Zulassung des Pioneer-Mais 1507 könnte nur auf Grund neuer Risikostudien vorgegangen werden.
Hintergrund:
Die Formulierungen zur Agrogentechnik im aktuellen Entwurf des Koalitionsvertrags sind z.T. nicht nur fachlich unzureichend, sondern obendrein auch noch zwischen SPD und CDU/CSU umstritten.
Derzeitige Formulierung (Auszug) im Entwurf des Koalitionsvertrags von CDU/CSU und SPD zum Thema „Grüne Gentechnik“
…..“Wir lehnen dementsprechend den Anbau, die Freisetzung und die Zulassung gentechnisch veränderter Sorten in Deutschland und Europa im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten ab. Über eine gegebenenfalls auf EU-Ebene ermöglichte opt-out-Klausel wird gesondert entschieden.“….
Diese Formulierung beinhaltet, dass die derzeit gültigen rechtlichen Möglichkeiten der EU akzeptiert werden, die derzeit keine nationalen Anbauverbote vorsehen. Eine konkrete Handlungsmöglichkeit besteht allein darin, sich in Brüssel in den EU-Gremien gegen jede Neuzulassung auszusprechen, sei es gegen eine Zulassung zu Import und Verarbeitung oder sei es gegen eine Anbauzulassung. Ein solches Abstimmungsverhalten Deutschlands wäre sehr hilfreich und würde die gentechnikkritischen Länder wie Frankreich, Österreich, Italien, Ungarn, Luxemburg, Polen und Griechenland sehr unterstützen. Fraglich bleibt aber, ob selbst die Stimmen aus einem so großen EU-Land zu der erwünschten Mehrheit führen und Zulassungen verhindern.
Schwierig wird es immer dann, wenn trotz eines deutschen „Nein“ Zulassungen ausgesprochen werden. Dann nämlich bleibt einem Mitgliedstaat im Falle einer erteilten Anbauzulassung derzeit nur die Möglichkeit, nationale Anbauverbote nach Artikel 23 der EU-Freisetzungsrichtlinie 2001/18 und nach Artikel 34 der Verordnung 1829/2003 zu verhängen. Dazu aber müssen sie neue wissenschaftliche Erkenntnisse vorlegen, die zum Zeitpunkt der Zulassung noch nicht bekannt waren. Wie aufwändig ein solches Verfahren sein kann, zeigt das im Jahr 2009 erlassene Anbauverbot des Gentech-Mais Mon 810. Und auch bei Freisetzungen ist der nationale Ermessensspielraum außerordentlich begrenzt.
Die opt-out-Klausel sehen wir mit großer Skepsis. Was die EU-Kommission und zuletzt die dänische Ratspräsidentschaft vorgelegt haben, wird unserer Ansicht nach allein zu einer Beschleunigung der Anbauzulassungen führen. So wurde vorgeschlagen, dass ein Konzern mit einem Mitgliedstaat vereinbart, dort keinen Anbau anzustreben. Privatstaatliche Regelungen mit einem Konzern würden jedoch die EU-Gesetzgebung aushöhlen, was nicht im Interesse der Verbraucher, Bauern, Lebensmittelhersteller und Umweltschützer ist.
Für Rückfragen:
Marion Ruppaner, BN Agrarreferentin, 0911 81878 - 20
Richard Mergner, BN Landesbeauftragter; 0171 63 94 370
Anlage zur PM 110-2013
Stellungnahme zum Antrag auf Marktzulassung von gentechnisch verändertem Mais 1507 (DAS-Ø15Ø7-1)
April 2010,
Autoren: Andreas Bauer- Panskus Dr. Christoph Then,
Testbiotech e.V.,Frohschammerstr. 14,80807 München
Tel.: +49 (0) 89 358 992 76, info@testbiotech.org, www.testbiotech.org
Zusammenfassung
In der vorliegenden Untersuchung bewertet Testbiotech die gentechnisch veränderte Maislinie 1507 im Hinblick auf eine mögliche Zulassung zum Anbau in Europa und analysiert insbesondere die Stellungnahmen der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) aus den Jahren 2005 und 2008. Mais 1507 produziert ein Insektengift, das als Cry1F klassifiziert ist. Im Vergleich zu dem Insektengift Cry1Ab, das der in Europa bereits zugelassene Mais MON810 bildet, weist Cry1F deutlich andere Wirkungseigenschaften auf. Ursprünglich stammen beide Gifte aus einem Bodenbakterium (Bacillus thuringiensis) und werden deswegen in der Gruppe der Bt-Gifte zusammengefasst. Von diesen Giften wird angenommen, dass sie nur spezifisch gegen bestimmte Insekten wirken, obwohl ihre Wirkungsweise nicht vollständig aufgeklärt ist.
Zusammenfassend können folgende Schlüsse gezogen werden:
• Die Risikobewertung der EFSA basiert zum größten Teil auf Analogieschlüssen. Diese werden von den Eigenschaften anderer Bt-Toxine (wie Cry1Ab) abgeleitet, die sich in ihren Wirkungseigenschaften aber deutlich unterscheiden. Dieses Vorgehen der EFSA muss als ein schwerwiegender Fehler angesehen werden. Die EFSA hat die offensichtlichen Unterschiede zwischen den Toxin-Varianten und die Hinweise auf eine hohe Gefährdung für Nichtzielorganismen nicht zur Kenntnis genommen. Die Behörde interpretierte vorhandene wissenschaftliche Studien falsch und übersah zudem wichtige Ergebnisse einer Studie, die eine überraschend hohe Empfindlichkeit einer europäischen Schmetterlingsart (Große Wachsmotte) gegenüber Mais 1507 zeigt (Hanley et al., 2003). Die Große Wachsmotte ist kein geschützter Schmetterling, aber ein wichtiger Modellorganismus, um Tests auf Toxizität durchzuführen. Da andere Ergebnisse über geschützte Schmetterlingsarten nicht veröffentlicht wurden, müssen diese Befunde sehr ernst genommen werden.
• 1507-Mais bildet extrem viel Bt-Toxin im Pollen. Der Gehalt ist um ein Vielfaches höher als z. B. in der gentechnisch veränderten Maislinie MON810. Da zahlreiche Nichtzielorganismen mit diesem Teil der transgenen Pflanze in Berührung kommen, wäre eine genauere Untersuchung der Toxizität von 1507-Mais vor einer Marktzulassung zwingend erforderlich. Die Einschätzung der EFSA, dass die Gefährdung für Nichtzielorganismen durch 1507 nicht höher ist als durch MON810 ist reine Spekulation.
• Bis heute wurden nur sehr wenige wissenschaftliche Studien zu 1507-Mais bzw. dem Cry1F-Toxin veröffentlicht. Ein hoher Anteil der publizierten Untersuchungen stammt von den antragstellenden Unternehmen, unabhängige Studien fehlen weitgehend. Zudem fehlen Langzeituntersuchungen.
• Die Antragssteller haben bei ihren Untersuchungen fast ausschließlich mit bakteriell produziertem Bt-Gift und nicht mit den transgenen Pflanzen gearbeitet. Auf diese Weise werden viele Risiken gentechnisch veränderter Pflanzen nicht erfasst. Die Tests sind zudem nicht veröffentlicht.
• Beim Prozess der Genübertragung wurden beim 1507-Mais zahlreiche Bruchstücke und Genfragmente mit übertragen. Die Auswirkungen auf Pflanzeninhaltsstoffe sowie mögliche Auswirkungen auf Mensch und Umwelt wurden jedoch nicht hinreichend untersucht.
• Studien zum Verhalten von Cry1F im Boden fehlen fast vollständig: Zwei von drei publizierten Untersuchungen wurden von den Antragstellern durchgeführt, nur eine davon unter Freilandbedingungen. Aufgrund der vorliegenden Daten kann unmöglich der Schluss gezogen werden, dass Wirkungen auf Böden nicht zu erwarten seien. Die Bewertung der EFSA ist in diesem Punkt hochspekulativ.
• Die Auswirkungen des Einsatzes von Glufosinat wurden von der EFSA nicht bewertet. Der Wirkstoff gilt als reproduktionstoxisch und wird nach Angaben des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMELV) spätestens im Jahr 2017 europaweit verboten.
• Neue Studien zeigen, dass es beim Anbau von 1507-Mais innerhalb eines sehr kurzen Zeitraums zu Resistenzbildungen bei Schadinsekten kommen kann. Auch über ‚Pest Replacement‘ wird im Zusammenhang mit dem Anbau von Cry1F berichtet.
• Neuere Auswertung von Fütterungsstudien geben Anlass zum Verdacht, dass der Mais gesundheitliche Schäden hervorrufen kann.