Bund Naturschutz fordert „Vollgas“ beim Energiesparen, auch im Verkehrsbereich - Energiekonzept der bayerischen Staatsregierung schiebt Atomausstieg auf die lange Bank
Der Bund Naturschutz kritisiert, dass gerade beim Energiesparen im Konzept „Energie Innovativ“ klare Maßnahmen und Ziele fehlen. „Energie Innovativ“ stellt lapidar fest, dass der Stromverbrauch in Bayern auch bis zum Jahr 2021 „auf dem gegenwärtigen Niveau von rund 85 Milliarden Kilowattstunden“ im Jahr gehalten werden soll. Der Bund Naturschutz fordert stattdessen ambitionierte Ziele und einen klaren Maßnahmenplan für das Energiesparen.
„Wir müssen den Energieverbrauch in Bayern senken, zeitnah um mehr als 20 Prozent, bis 2050 um mehr als 50 Prozent“, fordert Prof. Dr. Hubert Weiger, Vorsitzender des Bund Naturschutz. „Die Energiewende in Bayern muss intelligent und naturverträglich erfolgen. Die Energiewende muss unsere Energieproduktion in Bayern dezentral, kommunal und bürgernah machen. Auch Großprojekte wie der unsinnige Ausbau der Dritten Startbahn des Münchner Flughafens müssen unter dem Gesichtspunkt Energiesparen nochmals auf den Prüfstand. Der Flughafen München ist schon heute einer der größten bayerischen Klimakiller. Ein weiterer Ausbau wäre das Gegenteil einer ehrlichen Klimaschutz- und Energieeffizienzpolitik“, so Weiger.
Die Staatregierung von Bayern formuliert als Ziele der neu gegründeten Energieagentur Bayerns „Energie Innovativ“ Untersuchungen zu den Fragen: welche neuen Gas- und Dampfkraftwerke sollen gebaut werden, welche Stromleitungen und welche Stromspeicher. Sie soll auch die Energie-Beratung der Kommunen angehen und die Bürger über Internetportale informieren.
„Was wir dringend benötigen, ist eine aktive, bürgernahe und unabhängige Energiesparberatung der Bürger und Bürgerinnen in allen Landkreisen Bayerns. Diese Energiesparberatung muss kommunal verankert sein und Bevölkerung, Betrieb und Hauseigentümer müssen unabhängig von gewerblichen Interessen über technische Potenziale der Energieeinsparung in ihren Objekten und über Fördermöglichkeiten informiert werden. Diese Energiesparberatung sollte durch die Landkreise finanziert werden und es ist die Aufgabe der Energieagentur Bayern, die Landkreise beim Aufbau schlagkräftiger regionaler Energiesparagenturen finanziell zu unterstützen“, fordert Richard Mergner, Landesbeauftragter des Bund Naturschutz. „Die Energieagentur Bayern muss quantitative Ziele für die Einsparung von Energie im Bereich Strom, Wärme und Verkehr festlegen und verfolgen, sie muss hierfür die geeigneten Strukturen schaffen und finanzieren. Die Energieagentur Bayern muss neben der Förderung naturverträglicher erneuerbarer Energien als ersten Schritt Daten und Technologien für das Einsparen von Energie in Bayern zur Verfügung stellen“, so Mergner.
Das Umweltbundesamt beschreibt im Juli 2010 in einer Studie „100 Prozent Strom aus Erneuerbaren Energie in 2050“ als die Voraussetzung für den Ausbau der Erneuerbaren Energien die Verminderung des Stromverbrauchs in Deutschland um über 20 Prozent bis zum Jahr 2050, gegenüber 2010. Das entspricht bei normalem Wirtschaftswachstum einer relativen Reduktion des Stromverbrauchs gegenüber heute von mehr als 50 Prozent.
Für Wärme im Haushalt, Gewerbe und Industrie werden in Bayern 40 Prozent der Energie eingesetzt. Im Bereich der privaten Haushalte ließen sich durch bessere Dämmung bis zu 90 Prozent der Heizenergie einsparen. Für Neubauten ist dies bereits nach den Energieeinsparverordnungen (EnEV) Pflicht. Gebäude im Altbestand haben heute im Mittel aber immer noch Verbrauche für die Heizung von ca. 25 Liter Heizöl (ca. 250 kWh) pro Quadratmeter Wohnfläche und Jahr. „Die Rate der energetischen Sanierung im Altbaubestand in Bayern liegt weiterhin bei ca. 1,2 Prozent pro Jahr – um die europäischen Klimaziele zu erreichen, muss Bayern die Rate in den nächsten Jahren auf über 3 Prozent erhöhen. Dieses Ziel muss klar als Aufgabe der Energieagentur Bayern festgelegt werden“, so Dr. Herbert Barthel, Referent für Energie und Klimaschutz beim Bund Naturschutz.
Wichtigste Quelle für Strom aus Erneuerbaren Energien in Deutschland ist der Wind, denn Wind liefert pro Hektar Fläche ca. 2 – 5 mal soviel Strom wie Photovoltaik und über hundert mal soviel Strom wie Biomasse. Entsprechend beschreibt das Umweltbundesamt in einer Studie von 2010 die Stromproduktion mit Erneuerbaren Energien in 2050: 33 Prozent off-shore Wind, 32 Prozent on-shore Wind, 19 Prozent Sonne, 9 Prozent Geothermie, 4 Prozent Wasserkraft, 2 Prozent Abfallbiomasse. „Für Bayern heißt das als Ziel bei Stromproduktion und Stromverbrauch: 25 Prozent Stromsparen, 20 Prozent Strom aus Wind, 25 Prozent Strom von der Sonne, 10 Prozent Strom aus Geothermie, 15 Prozent Strom aus Wasserkraft, 5 Prozent Strom aus Bioabfällen“, analysiert Barthel. Zur Verringerung der Energieverschwendung bei der Stromproduktion fordert der Bund Naturschutz auch klare Vorgaben für den Ausbau der Kraft-Wärmekopplung.
Bayern produziert heute 0,6 Prozent des Stroms aus Wind, Bayern betreibt heute hierfür knapp 500 Windkraftanlagen. In Zukunft, bis zum Jahr 2050, benötigen wir in Bayern ca. 2500 Windkraftanlagen, die dann über 20 Milliarden Kilowattstunden Strom produzieren könnten, das wären mehr als 20 Prozent des Bayerischen Strombedarfs. Für diese Windparks benötigt Bayern gut 600 Quadratkilometer Fläche oder knapp 0,9 Prozent der Landesfläche Bayerns. „Es ist dringend erforderlich, dass die Regionalpläne der kommunalen Planungsverbände deutlich mehr als 2 Prozent der Flächen als Vorranggebiete für Wind ausweisen – nur so kann eine Qualitätsplanung „Strom aus Wind“ unter Berücksichtigung der Belange der Menschen, der Kommunen, der Grundstückseigentümer, der Betreiber und auch des Naturschutzes entstehen,“ so Barthel.
Für Rückfragen:
Dr. Herbert Barthel, Referent für Energie und Klimaschutz, Tel.: 0911-81878-17