Bund Naturschutz kritisiert Schneckentempo und Blockadehaltung beim Atomausstieg und der Energiewende in Bayern
„Die Staatsregierung in Bayern spricht zwar von Energiewende, von Energiesparen und dem dezentralem Ausbau der Erneuerbaren Energie, aber es fehlen klare Ziele und Taten. Gemeinsam mit den alten Atomstromkonzernen und Gegnern der Energiewende wird der Stromverbrauch von Großunternehmen subventioniert und der unsinnige Neubau von Stromautobahnen oder Pumpspeicherwerken propagiert“, so BN-Landesvor-sitzender Prof. Hubert Weiger. Der BUND Naturschutz fordert für Bayern ein eigenes Klimaschutz- und Energiespargesetz mit überprüfbaren Zielen, den Aufbau einer flächendeckenden Energiesparberatung sowie den Vorrang dezentraler Stromerzeugungs- und Speicherkonzepte.
„Wir müssen und können den Energieverbrauch in Bayern senken, zeitnah um mehr als 20 Prozent, bis 2050 um mehr als 50 Prozent“, so BN-Landesbeauftragter Richard Mergner. Die Energiewende muss nach Meinung des Naturschutzverbandes die Energieproduktion in Bayern dezentral, kommunal und bürgernah machen. Das Wirtschaftsministerium habe jedoch kein Interesse am Aufbau einer aktiven, bürgernahen und unabhängigen Energiesparberatung der Bürger und Bürgerinnen in allen Landkreisen Bayerns. Auch die Chancen eines Managements der Stromnachfrage und Abstimmung mit dezentraler Kraft-Wärme-Kopplung würden unterschätzt und stattdessen vor einem „Strom-Blackout“ gewarnt.
Vorrang für dezentrale Biogasproduktion aus Reststoffen
„Wir begrüßen dagegen grundsätzlich die Bestrebungen von Ministerpräsident Horst Seehofer und Landwirtschaftsminister Helmut Brunner zur dezentralen Nutzung von Biogasanlagen für die Herstellung von Strom, wenn Wind- und Sonnenenergie nicht zur Verfügung stehen“, so Weiger. Dabei sollten allerdings nur Kleinanlagen mit Reststoffverwertung gefördert werden. In Bayern sei das ökologisch vertretbare Maß an Produktionskapazität von Bioenergie bereits erreicht. Nötig sei bei der Bioenergie ein Umbau in Richtung Abfallnutzung, das heißt Biogas mit Gülle aus der Landwirtschaft und Biogas von der „Grünen Tonne“ aus der kommunalen Abfallwirtschaft. Ein weiterer notwendiger Schritt sei der Umbau der bestehenden Kapazitäten der Grundlastverstromung von Bioenergie in moderne Spitzenlastanlagen der Stromerzeugung mit angeschlossenen Wärmespeichern.
Bayern benötigt keine neuen Stromautobahnen
Die Forderung nach neuen Stromautobahnen durch Bayern hält der BUND Naturschutz für ein Ablenkungsmanöver. Der landschaftsverträglich mögliche dezentrale Ausbau der Windenergie in Bayern und die direkte Nutzung des Sonnenstroms auf den Dächern aller geeigneten Gebäude erspare neben anderen Maßnahmen großteils den Transport von Strom aus dem Norden. Auch die staatliche Bundesnetzagentur fordere nicht pauschal den Neubau von 4000 Kilometern Höchstspannungsleitungen und vier neue „Stromautobahnen“ in Deutschland. In Wirklichkeit handle es sich um eine Studie der vier großen privaten Netzbetreibern Tennet, TransnetWB, Amprion und 50-Hertz, selbständige Töchter der vier Atomkonzerne E.ON, EnBW, RWE und Vattenfall, die diese Studie vorlegten, wohl um der Bevölkerung vor der Energiewende Angst zu machen.
Die Datenbasis beruhe allerdings auf Studien der Prognos AG und des Bundeswirtschaftsministeriums vom Herbst 2010, mit der damals die Bundesregierung die Laufzeitverlängerung für die Atomkraftwerke begründet habe. Kennzeichen der Prognos Studie war ein Stopp des Ausbaus von Strom aus Sonne und Wind an Land und ein Ausbau nur der off-shore Windanlagen auf dem Meer sowie ein Ausbau der Kohle-Kraftwerke. Dieses Konzept sei falsch. Bayern benötige einen dezentralen und landschaftsverträglichen Ausbau von Strom aus Wind, Sonne und Geothermie, flächendeckend in Bayern, unterstützt von einer qualifizierten Regionalplanung. „Mit einer dezentralen Stromproduktion in Bayern benötigen wir keine neuen Stromautobahnen sondern den Ausbau der Verteilnetze vor Ort“, so Mergner. Leider werde oft nicht unterschieden zwischen dem überregionalen Transmissionsnetz quer über Europa, also 220 Kilovolt und 380 Kilovolt Höchstspannungs-Leitungen und dem Verteilernetz, also lokalem Haushaltstromnetz mit 220 Volt und Mittelspannungsstromnetz mit 20 Kilovolt, sowie regional 110 Kilovolt Leitungen. Während das Transmissionsnetz vor allem benötigt wird, um den Strom aus Atomkraftwerken und Kohlekraftwerken zu transportieren und an Großkunden zu verkaufen, ist das Verteilernetz wichtig für einen dezentralen Ausbau der Erneuerbaren Energien.
Im Energiekonzept Bayern vom Mai 2011 wollte die Staatregierung neue große Gaskraftwerke bauen. Nun, knapp ein Jahr später, kommt die Erkenntnis, dass Fotovoltaik und Wind zukünftig den Spitzenstrom so billig machen werden, dass sich die fossilen Gaskraftwerke in der bisherigen Fahrweise ohne Kraft-Wärme-kopplung nicht mehr rentieren. Neue Subventionen für fossile Gaskraftwerke lehnt der BUND Naturschutz ab und fordert stattdessen den Ausbau der dezentralen Kraftwärmekopplung und die abgestimmte Steuerung der vorhandenen Anlagen.
Für Rückfragen:
Richard Mergner, BN-Landesbeauftragter, Tel.: 0171-6394370
Dr. Herbert Barthel, Referent für Energie und Klimaschutz, Tel.: 0911-81878-26