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Erinnern, Bilanzieren und Vorausschauen: 30 Jahre Öffnung Eiserner Vorhang - Impuls für ein großes Vorhaben: Das Grüne Band Europa soll UNESCO-Welterbe werden

Über vier Jahrzehnte entwickelte sich im Schatten des Eisernen Vorhangs eine außergewöhnliche, 12.500 km lange Lebenslinie durch den europäischen Kontinent. Das heutige Grüne Band Europa vereint die Dimensionen Ökologie und Geschichte auf einzigartige Weise. Es ist Lebensraum und Wanderkorridor für eine Vielzahl bedrohter Arten und ebenso eine lebendige Erinnerungslandschaft an die jüngere europäische Zeitgeschichte. Das Grüne Band ist damit kein Gleichnis für Trennung, sondern ein Symbol für die Symbiose von Naturschutz und Erinnerungskultur. Die vom BUND Fachbereich Grünes Band organisierte 3-tägige Bereisung des Grünen Bandes in Österreich, Ungarn und der Slowakei begleiten Journalist*innen aus fünf Ländern.

16.08.2019

„30 Jahre nach der Öffnung des Eisernen Vorhangs steht das Grüne Band Europa heute in einmaliger Weise für länderübergreifende, friedliche Zusammenarbeit und ist damit Sinnbild für den europäischen Gedanken an sich“, so Prof. Dr. Hubert Weiger, Vorsitzender des BUND für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und ein Initiator des „European Green Belt“. „Im vergangenen Jahr wurde in Deutschland das Grüne Band in Thüringen als Nationales Naturmonument ausgewiesen - ein striktes und mit 763 km das längste Schutzgebiet am europäischen Grünen Band. Dies ist auch ein starkes Signal für das Grüne Band Europa, denn die Motive und Gründe gelten genauso im größeren europäischen Maßstab und könnten die Nominierung des Grünen Bandes als UNESCO-Weltnatur- und -kulturerbe beflügeln“, so Weiger weiter. Im fennoskandischen Abschnitt des Grünen Bandes gibt es aktuell Bemühungen für die Nominierung als Welterbe. Die gerade begonnene EU-Ratspräsidentschaft Finnlands könnte hier einen positiven Anstoß für die notwendigen Schritte einer Nominierung des gesamten Grünen Bandes Europa geben, indem weitere beteiligte Länder eingebunden werden.

Wie Perlen an einer Kette finden sich zahlreiche Schutzgebiete entlang des Grünen Bandes. Um diese Perlen untereinander und auch grenzübergreifend besser zu verknüpfen und die Verbindungskorridore zu sichern, kooperieren 11 Organisationen aus 8 Ländern unter Leitung des BUND im EU-geförderten Projekt „DaRe to Connect (D2C)“. Allein 49 Nationalparke, davon 19 grenzübergreifend, liegen direkt am Grünen Band und 7.319 Schutzgebiete reihen sich in einem 50 km breiten Korridor aneinander. Zudem sind die Abstände der Schutzgebiete zueinander geringer, als in umliegenden Landschaften. Dies ermöglicht es vielen Arten überhaupt erst zwischen unterschiedlichen Regionen zu wandern. Das ist wichtig für die genetische Vielfalt innerhalb der Populationen und im immer dichter besiedelten Europa bei weitem keine Selbstverständlichkeit mehr. Besonders auch hinsichtlich des Klimawandels ist der Nord-Süd Wanderkorridor, den das Grüne Band für große Säugetiere wie Luchs, Wolf, Bär und Elch darstellt von unschätzbarem Wert.

„Das Grüne Band leistet einen wichtigen Beitrag zum europäischen Schutzgebietsnetzwerk Natura 2000. Es dient als paneuropäisches Rückgrat, um weitere Lebensräume und grüne Korridore miteinander zu verbinden. Außerdem leistet die Natur dem Menschen hier lebensnotwendige Dienste, wie die Bereitstellung frischen Wassers, sauberer Luft und gesunden Bodens. Der Beitrag des Grünen Bandes zur ‚Grünen Infrastruktur‘ der EU kann nicht hoch genug bewertet werden“, so Martin Geilhufe, Sprecher des BUND Bundesarbeitskreises Internationale Umweltpolitik.

„Um unser gemeinsames europäisches Naturerbe zu erhalten, muss das Bewusstsein der Menschen für diese einmalige Lebensader gestärkt werden. Bisher ist in einem ein Kilometer breiten Korridor am Grünen Band nur knapp die Hälfte der Fläche geschützt. Intensive Landwirtschaft, Bebauung mit Straßen und Gebäuden, aber auch illegaler Holzeinschlag und Wilderei bedrohen diesen Naturschatz. Hier müssen Initiativen und Partnerschaften insbesondere für eine nachhaltige Regionalentwicklung (z.B. Naturtourismus) weiterentwickelt und gestärkt werden, um diesen Bedrohungen und Eingriffen entgegenzuwirken“, so Dr. Liana Geidezis, Leiterin des BUND Fachbereiches Grünes Band.

„Mit der European Green Belt Association (EGBA) arbeiten wir daran, das Grüne Band Europa als wichtigen Bestandteil der paneuropäischen Grünen Infrastruktur zu etablieren und im Rahmen der entsprechenden EU-Strategie mit Hilfe geeigneter Fördermöglichkeiten konkrete Aktivitäten und Maßnahmen für das ökologische Netzwerk zu schaffen“, so Gabriel Schwaderer, Geschäftsführer der Stiftung EuroNatur, die den Vorsitz der EGBA innehat.

Start der Pressereise war im Nationalpark Neusiedler See – Seewinkel wo heute beispielsweise die gefährdeten Sumpfohreulen und Großtrappen zu finden sind. Hier organisierten das Umweltbundesamt Österreich, der Naturschutzbund Österreich und das Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus eine Festveranstaltung am 19. August, dem 30. Jahrestag des „Paneuropäischen Picknicks“. Unter hochrangiger internationaler Beteiligung wurden die Bedeutung und die Zukunft des Grünen Bandes als Natur- und Kulturdenkmal erörtert. „Der besondere Wert der Biotope am Grünen Band liegt darin, dass es sich um ein verwobenes und ganzheitlich funktionierendes Ökosystem verschiedenster Lebensräume handelt“, so Prof. Dr. Johannes Gepp, Vizepräsident des Österreichischen Naturschutzbundes.

Anschließend ging die Fahrt nach Modra in der Slowakei. „Hier kreuzen sich mit dem Grünen Band und dem Alpen-Karpaten-Korridor gleich zwei ökologische Netzwerke von europaweiter Bedeutung für die Biodiversität. Die Region spielt also eine zentrale Rolle für den Erhalt der Artenvielfalt“, so Ivan Koubek, Vertreter der nationalen Naturschutzbehörde der Slowakischen Republik und Kontaktpunkt für das Grüne Band Slowakei.

An diesem Abschnitt des Grünen Bandes liegt eine von sechs Pilotregionen des Interreg-Projekts D2C. Die Expert*innen der Partnerorganisationen untersuchen und kartieren hier potenzielle ökologische Korridore und bestehende Barrieren wie Zäune, Stromleitungen und Straßen, die eine Wanderung der Arten zwischen den Biotopen be- und verhindern.

Zahlreiche Menschen aus 150 Institutionen der 24 Anrainerländer engagieren sich heute in der Initiative für das Grüne Band Europa. Dieses lebendige Denkmal erinnert an die friedliche Überwindung des Kalten Krieges und des Eisernen Vorhangs. Es transformiert die tragische Geschichte des 20. Jahrhunderts durch europäische Zusammenarbeit in ein Zeichen gegen Grenzen und für die Natur.

Für Rückfragen:

Dr. Liana Geidezis, Leiterin BUND Fachbereich Grünes Band/Regionalkoordination Grünes Band Zentraleuropa & Dr. Martin Kuba, Projektkoordinator DaRe to Connect, BUND Fachbereich Grünes Band

mobil 19.-21.08.2019: 0151-50443754, Tel. 0911-575294-0, gruenesband@bund-naturschutz.de, www.grunesband.info

Umfangreiches Bildmaterial zum Grünen Band Deutschland und Europa finden Sie auf: www.bund.net/30jahre-gb

Weitere Informationen zum Projekt „DaRe to Connect“: www.interreg-danube.eu/d2c

Hintergrundinformation: Der BUND Bayern (BN), Landesverband des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND – Friends of the Earth Germany), engagiert sich seit 1989 federführend für den Schutz des innerdeutschen Grünes Bandes. Der BUND hat 2002 das Grüne Band durch Europa vorgeschlagen und ist ein Mitbegründer der Grüne Band Europa Initiative, die sich für Schutz und Entwicklung des über 12.500 Kilometer langen Lebensraumverbundes entlang des ehemaligen Eisernen Vorhangs vom Eismeer bis zum Schwarzen Meer einsetzt. Der BUND Fachbereich Grünes Band ist seit 2004 Regionalkoordinator für den zentraleuropäischen Abschnitt von der Ostsee bis zur Adria. In der paneuropäischen Initiative arbeiten rund 150 Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen aus 24 Anrainerstaaten zusammen. Der BUND ist Gründungs- und Vorstandsmitglied des 2014 gegründeten Vereins Grünes Band Europa („European Green Belt Association e.V.“).

Am 19. August 1989 bekam der Eiserne Vorhang beim Paneuropäischen Picknick, einer Friedensdemonstration an der österreichisch-ungarischen Grenze nahe Sopron, seinen ersten Riss. Mit Zustimmung ungarischer und österreichischer Behörden wurde damals ein Grenztor symbolisch für drei Stunden geöffnet. Zwischen 600 und 700 DDR-Bürger*innen nutzten diese kurze Öffnung des Eisernen Vorhangs zur Flucht in den Westen.