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Kinderleukämie bei Atomkraftwerken

Wirkung radioaktiver Emissionen muss endlich erforscht werden

14.01.2008

Atomkraftwerke bedrohen die Bürger nicht nur mit dem Risiko einer Reaktorkatastrophe, sondern schädigen Kinder auch im „Normalbetrieb“. Denn Atomkraftwerke geben auch im „Normalbetrieb“ große Mengen radioaktiver Stoffe an die Umwelt ab.
Dass die Leukämierate bei Kindern unter 5 Jahren Im Nahbereich von Atomkraftwerken auf 220% steigt, wurde vom Bundesamt für Strahlenschutz jetzt erstmals amtlich bestätigt.


Die von Kraftwerksbetreibern und Politikern verbreitete Schutzbehauptung, die radioaktiven Abgaben der Atomkraftwerke könnten als Ursache dafür ausgeschlossen werden, ist falsch und unverfroren.

Die Leiterin des Forscherteams, Frau Prof. Blettner, formuliert es präziser: Die von deutschen Kernkraftwerken im Normalbetrieb emittierte ionisierende Strahlung „kann aufgrund des aktuellen strahlenbiologischen und –epidemiologischen Wissens ... grundsätzlich nicht als Ursache (für die erhöhte Krebs- bzw. Leukämierate) interpretiert werden“.
 

Dieser Kenntnisstand ist trotz 5 Jahrzehnten Atomkraftnutzung noch immer sehr kümmerlich. Weder ist die Ausbreitung der Stoffe geklärt, die in großen Mengen das Atomkraftwerk verlassen, noch gibt es aussagefähige Untersuchungen zur Wirkung inkorporierter radioaktiver Partikel auf Embryo und Kleinkind.


Der Bund Naturschutz fordert daher die sofortige Stilllegung der Atomkraftwerke sowie die umgehende Klärung der vielen offenen Fragen von Ausbreitung und Anreicherung radioaktiver Partikel in deren Umkreis.

 

Studie Kinderkrebs in der Umgebung von Kernkraftwerken


Im 5-km Nahbereich von Atomkraftwerken steigt bei Kindern unter 5 Jahren die Krebsrate um 60% und die Leukämierate auf mehr als das Doppelte an. Das hat die „Epidemiologische Studie zu Kinderkrebs in der Umgebung von Kernkraftwerken“ (KiKK-Studie) zutage gefördert, die Ende 2007 vom Bundesamt für Strahlenschutz veröffentlicht wurde.

 
Die Studie erfasst den Zeitraum von 1980 bis 2003 und beantwortet die Fragen:

• Häufen sich Krebserkrankungen bei Kindern unter 5 Jahren in der Umgebung von Kernkraftwerken?

• Nimmt das Risiko mit der Nähe zum Standort von Kernkraftwerken zu?

jeweils mit einem eindeutigen Ja. (*)


Es hat ähnliche Studien (allerdings mit weniger präzisem Design) gegeben, die zu dem Schluss „statistisch unauffällig“ kamen. Erst durch die Analysen von Dr. Alfred Körblein, Umweltinstitut München e.V., sowie auf Drängen von IPPNW und anderer Umweltorganisationen wurden die Daten des Kinderkrebsregisters mit erneut ausgewertet. 

An der Tatsache der Krebshäufungen ist nicht zu deuteln. Die KiKK-Studie hat viele denkbare andere Ursachen untersucht und alle verworfen.

Umso unverfrorener ist die Behauptung von Stromkonzernen und Politikern, die zusätzliche Strahlenexposition durch Atomkraftwerke sei zu gering, um die gefundene Leukämiehäufung zu erklären.

Vielmehr sind es die ungenügenden Kenntnisse bezüglich der Ausbreitung radioaktiver Stoffe und deren biologischer Wirkung auf Kleinkindern und das ungeborene Leben, die einer direkten Erklärung der Krebshäufung entgegenstehen.

Der Bund Naturschutz ist mit internationalen Gremien wie z.B. dem National Research Council der USA darin einig, dass „die Datenlage zum strahlenbedingten Krebsrisiko bei Kindern für eine Risikoabschätzung unzureichend ist“.

 

Große radioaktive Emissionen kaum untersucht

Atomkraftwerke geben ungefiltert große Mengen an radioaktivem Wasserstoff (Tritium), radioaktivem Kohlenstoff (C14) und an Edelgasen wie Krypton und Xenon ab, jeweils hunderttausende bis Millionen von MBq (Mio. Becquerel) im Jahr.

Im Vergleich dazu nehmen sich die bekannten radioaktiven Substanzen wie Iod 131, Cs137 und andere Schwebstoffe mengenmäßig eher geringfügig aus. Laut Bundesamt für Strahlenschutz sind es nur wenige MBq oder Bruchteile davon. (**)

 _______________________________________

 (*) Die KiKK-Studie ergab, dass ein Zusammenhang besteht zwischen der Nähe der Wohnung zum Kernkraftwerk zum Zeitpunkt der Diagnose und dem Risiko, vor dem 5. Geburtstag an Krebs bzw. Leukämie zu erkranken.

Alle Krebsneuerkrankungen treten im Nahbereich (5-km-Umkreis) um Kernkraftwerke signifikant häufiger auf als in weiter entfernten Regionen.

Die Ergebnisse sind keinem einzelnen Reaktorstandort zuzuordnen, sondern gelten für alle 16 Kernkraftwerksstandorte.
 _______________________________________

(**)

Beispiel         Tritium      C14          Edelgase       Schwebstoffe, Jod131

Isar 1                 95000    340000       1300000                     24        MBq

Isar 2               420000      47000         140000                     < 0,01  MBq

Gundremm.  1000000    800000         640000                     0,3       MBq

Strahlenschutzbericht der Bundesregierung 2004, Emissionen mit der Fortluft

Strontium 89 als Folgeprodukt von Krypton wird als so gefährlich wie Cäsium 137 eingestuft und ist ein Knochensucher, also für das blutbildende System eine große Gefahr.

Tritium und C14 werden direkt in lebendes Gewebe eingebaut. Die Gefahr bei den Edelgasen geht von deren Tochterprodukten wie Strontium und Cäsium aus. Diese spielen in den Ausbreitungsrechnungen so gut wie keine Rolle, was zu einer massiven Unterschätzung ihrer Wirkung führt. 

Etliche dieser Stoffe sind reine Alpha- oder Betastrahler und daher vergleichsweise schwer messbar, weshalb ihre Anreicherung und Verteilung in der Kraftwerksumgebung unbekannt ist. Sie „können in den Umweltmedien Luft und Wasser und in Nahrungsmitteln messtechnisch nicht nachgewiesen werden“ (Strahlenschutzbericht der Bundesregierung 2004)

Die extrem unterschiedlichen Daten der Berichte der Bundesregierung zur Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung deutscher Atomkraftwerke werfen auf die Messmethoden ein ungutes Licht.

 

Wirkung ungenügend erforscht

Ebenso unbekannt ist die Wirkung inkorporierter Radioaktivität beim Kleinkind.

Leukämie kann auch die Folge der Exposition als Embryo im Mutterleib sein, bei dem sich die Entwicklungsphasen sehr schnell ändern. Auch hier steckt die wissenschaftliche Erkenntnis noch in den Kinderschuhen.

Die langjährige Diskussion, ob die biologische Wirkung von Tritium, einem weichen Betastrahler sehr kurzer Reichweite, nicht unterbewertet ist, ist längst nicht abgeschlossen.

Wissenschaftlich strittig ist, ob eine Dauerbestrahlung (wie in der Umgebung von AKWs) stärker wirkt als eine gleichstarke Einmalstrahlung, (wie z.B. nach der Hiroshimabombe) auf die sich die meisten Bewertungen beziehen.


Last not least darf man nicht vergessen, dass das Strahlenschutzrecht vor etlichen Jahrzehnten von der Int. Strahlenschutz-Kommission ICRP so eingerichtet wurde, dass es „einen vernünftigen Spielraum für die Ausweitung der Atomenergieprogramme gewährt“ („provides a reasonable latitude for the expan­sion of atomic energy programs“ ICRP-9, Par.83).

Dies merkt man den aktuellen Regelungen zur Bewertung der Strahlenwirkung noch immer an.

Statt zu behaupten, die radioaktiven Abgaben von Kernkraftwerken könnten als Ursache der erhöhten Leukämieraten bei Kleinkindern im Nahbereich von Kernkraftwerken ausgeschlossen werden, sollten Behörden und Strahlenforscher umgehend darangehen, Antworten auf die vielen offenen Fragen zu suchen.

 

Atomkraftwerke sofort abschalten

Der Weiterbetrieb von Atomkraftwerken erhöht das Risiko eines SuperGAU, schädigt die Menschen im Umkreis und erhöht den Berg nicht entsorgbaren Atommülls. Aber er steigert die Gewinne der Stromkonzerne. 

Atomkraftwerke dienten bis dato auch nicht dem Klimaschutz. Denn weltweit kommen nicht einmal 2,5% der Energie aus dem Uran, das Wachstum der fossilen Energieträger ging ungebremst voran.

Und in den wenigen Ländern, in denen Atomkraftwerke betrieben werden, haben sie aktive Klimaschutzmaßnahmen eher aufgehalten als befördert. Sehr zutreffend bezeichnete schon 1997 die damalige Umweltministerin Angela Merkel die Kernenergie als „ein Haupthemmnis für die zur Erreichung des Klimaschutzziels unabdingbare Effizienzverbesserung“. Das trifft auch heute noch zu.

 

Forderungen des Bund Naturschutz:

Sofortige Stilllegung der Atomkraftwerke

Erforschung von Ausbreitung und Anreicherung radioaktiver Partikel im Umkreis von Atomkraftwerken

Klärung der offenen Fragen zur Wirkung inkorporierter radioaktiver Partikel auf Embryo und Kleinkind

 

Prof. Dr. Hubert Weiger, Landesvorsitzender des Bundes Naturschutz

Dr. Alfred Körblein, Mitglied des Expertengremiums zur Leukämiestudie

Dr. Ludwig Trautmann-Popp, Energiereferent des Bundes Naturschutz

 

Bei Rückfragen:

Tel. 0951/5190609

Fax 0951/5190610

E-Mail: energie@bund-naturschutz.de

Internet: http://www.bund-naturschutz.de