Landesprogramm ökologischer Landbau auf dem Prüfstand
Das von Minister Brunner mehrfach angekündigte Landesprogramm Ökolandbau in Bayern muss sich an seinen konkreten Maßnahmen messen lassen. „Nur wenn es Minister Brunner gelingt, das Landesprogramm Ökolandbau auch mit den Politikfeldern Wirtschaft, Soziales und SchulBildung (Kultusministerium) zu vernetzen, neue qualifizierte Personalstellen für Ökolandbau- und Ernährungswende geschaffen werden, und neue Impulse für die Bioregionalvermarktung gesetzt werden, wird sich ein nachhaltiger Erfolg einstellen“, so Hubert Weiger, BN Landesvorsitzender und weiter: „Biobauern müssen für ihre umweltfreundliche Produktion angemessen entlohnt werden, und dazu muss die Agrarförderung endlich gerechter werden, sowohl auf EU Ebene wie auch im bayerischen Kulturlandschaftsprogramm.“ Der Bund Naturschutz hat einen ausführlichen Forderungskatalog zusammengestellt (siehe Anlage zu dieser PM).
„Minister Brunners Vorhaben ist ein längst überfälliger Schritt, den Ökolandbau in Bayern endlich konkret voranzubringen. „Die Preise müssen die ökologische Wahrheit widerspiegeln, d.h. der Einsatz von umweltbelastenden Betriebsmitteln wie Stickstoffmineraldünger, Pflanzenschutzmittel oder Importfuttermittel und lange Transportwege müssen teurer werden, damit Öko-Lebensmittel konkurrenzfähig bleiben“, ergänzte der Biobauer und BN Sprecher für Landwirtschaft, Stephan Kreppold aus dem Landkreis Aichach Friedberg. Er kritisierte die hohen Folgekosten der konventionellen Landwirtschaft, die von den Verbrauchern z.B. für Trinkwassergewinnung letztendlich bezahlt werden müssen. „Mit Bioanbau müsste man keine Trinkwasseranlagen auf Grund der Belastung mit Pflanzenschutzmitteln schließen, wie das in unserem Landkreis mal wieder passiert ist“, so Kreppold und: „Die Politik ist gefordert, ein klares Bekenntnis zum Gemeinwohlnutzen des Ökolandbaus abzugeben und diesen zum Leitbild zu erklären.“
Für Andreas Walz, Biobauer aus dem Landkreis Amberg und Emmer- und Urgetreideanbauer aus Leidenschaft, stellt sich vor allem die Frage nach einem gesicherten Absatz zu kostendeckenden Preisen. „Ich brauche verlässliche Handelspartner, die partnerschaftlich mit meinem Betrieb zusammenarbeiten, und ermöglichen, dass meine hochwertigen Qualitätserzeugnisse, die durch Verzicht auf Düngemitteleinsatz und durch sorgfältige Fruchtartenfolge erzielt werden, auch entsprechend honoriert werden. Bio-Emmer aus der Region braucht eine noch viel stärkere Markenbewerbung, damit auch Schulen oder Kindergärten und die allgemeine Biokäuferschaft im Naturkostfachhandel auf regionales Bio aufmerksam wird.“
Auch Dieter Wittmann, Betreiber des einzigen reinen Biorestaurants in Nürnberg mit Mittags- und Abendöffnungszeiten, fordert, dass die Bioregionalvermarktung stärker ausgebaut werden muss, um akzeptable Entfernungen für die Belieferung in der Gastronomie zu bekommen. „ In meinem Restaurantbetrieb setze ich auf „Bio“ bevorzugt aus der Region, weil ich meine Lieferanten kennen will und meinen Gästen nur beste Qualität anbiete. Öko-Qualität lässt sich schmecken, das bestätigen mir meine Gäste immer wieder“, so der Restaurantchef.
Bioregio 2020 geplantes Landesprogramm
Minister Brunner hat in seiner Regierungserklärung 2012 eine Verdoppelung des Öko-Erzeugung in Bayern bis 2020 und ein Landesprogramm mit Laufzeit 2014 -2020 angekündigt, das die Schwerpunkte Forschung, Bildung, Beratung und Förderung umfassen soll. Im Fokus sollen laut Regierungserklärung die Bereiche Bioschweine und Geflügelerzeugung, sowie Biogemüse stehen. Laut Brunner sollen in den kommenden zwei Jahren im Doppelhaushalt insgesamt 3,4 Millionen € für das Landesprogramm zur Verfügung stehen.
Für Rückfragen:
Marion Ruppaner, BN Agrarreferentin, Tel. 0911 81878-20;
Mobil am Veranstaltungstag: 0173/4466553
Stephan Kreppold, stellvertr. BN-AK Sprecher, Wilpersberg 1. 86551 Aichach. Telefon: 08258/211
Andreas Walz, Biohof Walz, In der Schäflohe 4, 92224 Amberg
Tel.: (0 96 21) 47 06 80, www.bio-walz.de
Dieter Wittmann, Wittmanns bio essen+trinken, Beckschlagergasse 8,
90403 Nürnberg, Telefon: 0911 - 331088
Internet: http://www.wittmannsbio.de, E-Mail: restaurant@wittmannsbio.de
Anlage zur BN PM vom 4.2.2013
Die 5 wichtigsten BN Forderungen für das Landesprogramm Ökolandbau:
1. Staatliches Bekenntnis zum Ökolandbau und Vernetzung aller relevanten Politikbereiche:
Die Glaubwürdigkeit des Landesprogramms steht und fällt mit einer klaren Zielsetzung der Staatsregierung, ihre gesteckten Ziele auch wirklich zu erreichen und das Stadium der „Lippenbekenntnisse vor der Wahl“ zu verlassen.
Hierzu gehört die Einbindung weiterer Ministerien und nachgeordneter Verwaltungsebenen in das Landesprogramm Ökolandbau:
Kultusministerium: Biobildungsoffensive für alle Schulen
Ausbildungsinhalte und Lehrpläne ergänzen um den Bereich Ökologischer Landbau und nachhaltige Ernährung mit Biolebensmitteln:
In allen allgemeinbildenden Schulen – auch das von Minister Brunner selbst ins Leben gerufene Projekt Erlebnisbauernhof für allgemeine Schulklassen muss um den Besuch beim Biohof erweitert werden.
In allen Lehrplänen der Berufsbegleitenden Schulen und den Ausbildungsinhalten für Ernährungsgewerbe, wie Bäcker, Metzger, Einzelhandel und
Gastronomie.
Schulen müssen auch von Seiten des Kultusministeriums aufgefordert werden, Biolebensmittel einzusetzen, und dafür entsprechende Handreichungen und Vernetzungsinformationen erhalten.
Mit dem Sozialministerium können Fondsmittel für die Übernahme des Mehrpreises bei nachhaltiger Schulverpflegung mit Ökolebensmitteln für Kinder aus Familien mit niedrigem Einkommen bereitgestellt werden.
Wirtschaftsministerium:
Aufklärungsveranstaltungen für das verarbeitende Lebensmittelhandwerk sollten in allen Landkreisen initiiert werden, um auch von dieser Seite das Interesse an einem neuen Staatsziel zu wecken
Ergänzend sollten Investitionsprogramme in regionale Ökokonzepte für das Handwerk und Verarbeitungsunternehmen angeboten und beworben werden.
Justiz und Verbraucherschutzministerium:
Schulungen für die Verbraucherverbände zur nachhaltigen Ernährung und Bioanbau.
Einrichtung für Ernährungsberatung an allen Sozialämtern, inklusive Ernährungsberatung mit Bio für den kleinen Geldbeutel.
Bezirksregierungen, Landkreise und Kommunen
Initiativen zur nachhaltigen Verpflegung und Aufklärung insbesondere in Krankenhäusern, um Wege aus der Falle der ernährungsbedingten Krankheiten aufzuzeigen. Die Verpflegungssätze in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen sind bislang viel zu niedrig, um nachhaltige Verpflegung auf Basis von Ökolebensmitteln sicherzustellen.
2. Umstellungsplan mit jährlicher Erfolgskontrolle
Der Bund Naturschutz hält es für realistisch, einen 20%igen Ökolandbauanteil bis 2020 zu erreichen und nicht nur die Verdoppelung von 6 auf 12%, wenn ein konsequentes Umstellungskonzept erarbeitet wird.
Um in realistischen Schritten voranzukommen, muss zunächst die Umstellungsbereitschaft aller landwirtschaftlichen Betriebe in Bayern abgefragt und der Fortbestand der derzeit bestehenden 6700 Ökobetriebe in Bayern gesichert werden. Dazu müssen Erfolgsrezepte für die Umstellung herausgearbeitet und flächendeckende Veranstaltungen für umstellungsinteressierte Betriebe angeboten werden, und dies in allen Landkreisen.
Daran anschließend müssen Zielvorgaben für die Umstellungsrate in jedem Landkreis festgelegt werden und jährlich Bilanz gezogen werden.
3. Bildung und Forschung: Kompetenzzentrum für ökologischen Landbau und nachhaltige Ernährung einrichten
Es genügt nicht, einige wenige Beamte dem Bereich Ökolandbau neu zuzuordnen, sondern es ist dringend erforderlich, für Bildung und Forschung im Ökolandbau neue zusätzliche Stellen zu schaffen. Das gesamte wissenschaftliche und beratende Personal an den Ämtern für Landwirtschaft, dem Ministerium selbst und den Landesanstalten muss in Richtung Ökolandbau motiviert, überzeugt und fortgebildet werden. Solange die Berater an den Ämtern an ihrer Sichtweise Intensivlandwirtschaft festhalten, kann die ökologische Weiterentwicklung kaum geschafft werden.
Das Gleiche gilt für den Bereich der Ernährungsbildung, in dem bislang Ökolebensmittel einen verschwindend geringen Anteil an den durchgeführten Maßnahmen haben.
Auch der Wissenschaftsbetrieb muss eingebunden werden.
Nur in Form eines neuen Kompetenzzentrums Ökolandbau können alle Forschungs- und Bildungsaktivitäten sinnvoll gebündelt werden. Dieses könnte auf dem Gelände des Hans Eisenmannzentrums in Freising Weihenstephan untergebracht werden oder dieses umbenannt werden. Der Lehrstuhl für ökologischen Landbau an der TU Weihenstephan, inklusive eines Forschungsbereichs nachhaltige Ernährung und Ernährungsbildung, die Fachhochschule mit entsprechenden Lehrstühlen sowie die Ökolandbauforschung der Landesanstalt für Landwirtschaft und Außenstellen des Staatsministeriums sollten dort zusammengefasst werden. Auch die LVÖ und die Erzeugerringe des Ö.L. könnten dort sinnvoll integriert werden. Damit könnte auch der von Praktikern seit langem geforderte Wissenstransfer von der Forschung an die Praxis eine geregelte Praxis erfahren.
Vordringliche Forschungsschwerpunkte aus Sicht des BN sind:
- Stickstoffdynamik in Böden
- Landtechnik für den ökologischen Landbau fortentwickeln
- Betriebswirtschaftliche Optimierung und Naturschutzoptimierung ,z.B artenreiches Grünland und Vernetzung von Lebensräumen
4. Bio - Regionalvermarktung
Für die Weiterentwicklung des Siegels Qualität aus Bayern wird ein Etat von 16,5 Millionen bereitgestellt. Dieser muss auch genutzt werden, um die Ökoregionalvermarktung auszubauen.
Denn die bayerischen Biobauern stehen unter starkem Konkurrenzdruck. Der Pachtflächenmarkt wird von Agrargasanlagenbetreibern dominiert, die durch die hohe Einspeisevergütung beim Anbau nachwachsender Rohstoffe finanziell besser gestellt sind als viele Biobetriebe. Billig Bio aus Importländern dominiert auch die bayerischen Märkte und konkurriert mit der heimischen Bioerzeugung. Die Kennzeichnung Bio aus Bayern ist im Handel bisher zu wenig sichtbar.
Investitionen in Bioregionen sind besonders wichtig für alle Gebiete, die sauberes Trinkwasser erhalten wollen. Denn Biolandbau erbringt besondere gesellschaftliche Leistungen, z.B. beim Wasserschutz. Gutes Beispiel ist das Mangfalltal, aus dem die Stadt München einen Teil ihres Trinkwassers bezieht. Negativbeispiele finden sich allerorts, so z.B. im Landkreis Aichach Friedberg, wo unlängst wieder ein Brunnen auf Grund der Belastung mit Pflanzenschutzmitteln geschlossen werden musste. Die Gemeinde muss jetzt
mindestens eine halbe Million € in einen neuen Brunnen investieren.
Wertschöpfungsketten müssen ausgebaut und aufeinander abgestimmt werden. Dies beinhaltet den Weg von Bauernhof und den Stallungen über die Schlachtung bis hin zur schonenden Verarbeitung.
Auf der anderen Seite ist auch für den konventionellen Bereich dringend eine nachvollziehbare Qualitätsverbesserung bei der Regionalvermarktung nötig. Der BN fordert bereits seit langem, beim Zeichen Qualität aus Bayern die gentechnikfreie Produktion bei Anbau und Fütterung festzuschreiben.
Ergänzend könnte ein Katalog von relevanten Umweltmaßnahmen, aus dem die Betriebe auf ihre Region bezogen Leistungen auswählen können, zur Glaubwürdigkeit des Zeichens beitragen um den vorgesehenen hohen Etatmitteleinsatz zu rechtfertigen. Beispielsweise ist hier an die Wiedereinführung der Weidehaltung und die entsprechende Bewerbung auf den Lebensmitteln zu denken.
Auch das Label „Offene Stalltür“ braucht einen Frühjahrsputz, denn bisher stehen die Verbraucher vor doppelt verriegelten Ställen, die man eher als Schwein- und Hähnchenhochsicherheitstrakte bezeichnen muss.
5. Biolandbau muss sich lohnen und: Biolandbau-Offensive braucht ausreichende Finanzmittel
Um die Potenziale für die Umstellung auf den Ökolandbau auch wirklich ausschöpfen zu können und die gewünschten Prozesse anzuschieben, müssen ausreichend Finanzmittel zur Verfügung stehen. Die vorgesehenen 3,6, Millionen € im Doppelhaushalt 2013/2014 sind zu knapp bemessen und müssen aus anderen Bereichen des Staatsministeriums umgeschichtet werden, um z.B.
- neue Programme für regionales Biomarketing aufzulegen
- Bayerische Ökoregionen gezielt aufzubauen und zu unterstützen (mindestens eine pro Regierungsbezirk)
- ausreichend neues, gut im Ökolandbau ausgebildetes Fachpersonal einsetzen zu können
- ein neues Kompetenzzentrum Ökolandbau einzurichten
- je eine neue, im Ökolandbau ausgebildete Fachkraft an allen über 40 in Bayern bestehenden Ämtern für Landwirtschaft bereitzustellen
- in jedem Regierungsbezirk eine Koordinationsstelle nachhaltige Ernährung für Lehrer, Eltern und Elternschaft aufzubauen und ausreichend mit Fachkräften zu besetzen
- qualifizierten Unterricht an der neuen Fachschule für Ökolandbau in Weilheim anzubieten
- im Kompetenzzentrum für Ernährung (KErn)des Bayerischen Staatsministeriums mindestens 25% der Mitarbeiter für die Umsetzung nachhaltiger Ernährungskonzepte unter Berücksichtung regionaler Ökolebensmittel bereitzustellen. Bislang ist dort nur eine von 23 Stellen für diese Aufgabe ausgewiesen, bis 2015 sollen nach Angaben des Ministeriums insgesamt 40 Stellen eingerichtet sein.
Im Bayerischen Kulturlandschaftsprogramm muss der Ökologische Landbau eine Förderung erhalten, die einen wirklichen Anreiz darstellt. Das heißt, es muss einen merklichen Förderabstand zu Betrieben geben, die weniger umfangreiche Umweltmaßnahmen im Bayerischen Kulturlandschaftsprogramm umsetzen.