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Landshut: Solidarität mit den Opfern der Atomkatastrophe von Fukushima-Daiichi

Menschen aus der Region um Fukushima berichten

24.11.2011

Landshut.Am 11. März 2011 kam es in Japan in Folge eines schweren Erdbebens am AKW-Standort Fukushima-Daiichi zu einem folgenreichen Reaktorunfall.  In Folge dessen kam es zu schweren Unfällen an insgesamt 4 Blöcken der Atomkraftwerke. Riesige Mengen an Radioaktivität wurden freigesetzt. In Landshut berichtetendrei betroffene Menschen aus der Region Fukushima über ihre bitteren Erfahrungen mit den verheerenden Folgen der Atomkatastrophe.

Die Umweltschutzorganisation Friends-of-the-Earth Japan kritisiert massiv die hinhaltende und verschleiernde Informationspolitik der japanischen Behörden. Daten und Fakten zur radioaktiven Belastung werden unzureichend an die Bevölkerung herausgegeben, zudem ist die Evakuierungszone zu klein bemessen. Große Flächen, die stark mit Radioaktivität belastet sind, werden weiterhin bewohnt. Während Umweltschutzorganisationen in Japan die Erweiterung der bestehenden Evakurierungszone fordern, haben die japanischen Behörden bis heute nur eine minimale Zone evakuiert, entsprechend einem Radius von 20 Kilometern, plus einer geplanten Evakuierungszone mit einer Dosisbelastung bis zu 20 Millisievert pro Jahr. Ohne Druck aus dem Ausland wäre die Informationspolitik innerhalb Japans vermutlich noch schlechter. Die Zivilgesellschaft in Japan ist auf die Unterstützung auch durch Umweltschutzorganisationen in Deutschland angewiesen, Unterstützung finanziell aber vor allem auch politisch und organisatorisch. Die Erfahrungen des Bundes Naturschutz und weiteren Anti-Atom-Gruppen in Deutschland zu über 40 Jahren Widerstand gegen die Atomenergie können den Menschen in Japan helfen.

In Deutschland wurde dieser große atomare Unfall, Klassifizierung 7 auf der INES Skala, vor allem als Medienereignis wahrgenommen. Gemeinsam mit Friends-of-the-Earth Japan und dem Bund Für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) organisiert der Bund Naturschutz in Bayern (BN) den Besuch einer Delegation aus der Region Fukushima. Zwei japanische Frauen und ein Mann berichten auf einer Rundreise durch Bayern am 21. 11. in Schweinfurt, am 22.11. in Augsburg und am 23. 11. in Landshut, wie sich in einer modernen Industriegesellschaft ein großer atomarer Unfall auf die betroffenen Menschen auswirkt.  Der Spruch “Atomkraft ist sicher“ wird mit den Erfahrungen und Schicksalen von Menschen konterkariert.

„Wir in Landshut in Nachbarschaft zu den Atomkaftwerken Isar 1 und Isar 2 sowie zu einem Atommüllzwischenlager haben die Nachrichten vom Atomunfall in Fukushima im März als sehr bedrohlich wahrgenommen. Wir begrüßen daher den Besuch der Gäste aus Fukushima bei uns in Landshut und heißen die Besucher herzlich willkommen. Die Landshuter BN-Kreisgruppe verbindet ihre Solidarität mit den Opfern in Fukushima und vor allem mit dem Kampf gegen die Atomenergie in Bayern und in Japan,“ so die Kreisgruppenvorsitzende Kathy Mühlebach-Sturm.

Nach der atomaren Katastrophe in Tschernobyl versteckten sich unsere politisch Verantwortlichen hinter dem Eisernen Vorhang – da hieß es „ein Fehler des kommunistischen Systems“. Die schreckliche Atomkatastrophe in Japan, in Fukushima, im März 2011 zwangen deutsche Politiker zu erkennen, dass ihre Aussage „Atomkraft ist sicher“ ein Trugbild ist. Dieser Schritt ist den regierenden Politikern in Japan noch nicht gelungen. Während die Bevölkerung in Japan den Ausstieg aus der tödlichen Atomtechnologie bereits diskutiert, verharrt die Politik noch im Atomzeitalter. Der Bund Naturschutz und Friends of the Earth Japan kämpfen gemeinsam für den sofortigen Atomausstieg – in Bayern und in Japan, so Mühlebach-Sturm. „Nach dem schrecklichen Unfall in Japan benötigen die Menschen um Fukushima vor allem auch Unterstützung und Solidarität aus Bayern – bis Mai 2011 Atomstaat Bayern, nun auf dem Weg in den Atomausstieg.“ Die Gäste aus Japan, Akiko Yoshida, Masako Hashimoto und Kenichi Hasegawa berichteten aus dem Leben von Menschen, welche Auswirkungen eine solche Katastrophe auf den Menschen hat.

„Atomenergie ist sicher“ hatte uns die bayerische Staatsregierung während 50 Jahren versichert und mit „Atomenergie ist eine Brückentechnologie“ wird der Betrieb von drei Atomkraftwerken in Bayern weiterhin begründet: AKW Grafenrheinfeld bis 2015, AKW Gundremmingen C bis 2021 und AKW Isar 2 bis 2022. Aber der Bericht der Gäste aus der Region Fukushima zeigt uns dramatisch, dass die Atomenergie eine sehr gefährliche Technologie ist, die die Menschen, die lokale Gesellschaft und auch die überregionale Wirtschaft jederzeit tödlich bedrohen kann“, warnte Dr. Herbert Barthel, Referent für Energie und Klimaschutz des Bund Naturschutz in Bayern. „Die atomaren Unfälle in den vier Blöcken des Atomkraftwerks Fukushima lehren uns, nun wiederholt nach Tschernobyl, dass es eine 100-prozentige Sicherheit der Atomenergie nicht geben kann – das sei unüberwindliches Naturgesetz,“ so Dr. Barthel.

Deutschland kann aus der Katastrophe in Japan lernen – der sofortige Ausstieg aus der tödlichen Atomenergie ist aus Sicherheitsgründen zwingend. Japan kann von Deutschland lernen – wie schafft es eine hochindustrialisierte Gesellschaft in einem rohstoffarmen Land binnen eines Jahrzehntes von wenigen Prozenten Strom aus Erneuerbaren Energien auf über 20 Prozent im Jahr 2011 zu kommen. Obwohl in Deutschland auf Grund des enormen Widerstands gegen die Atomenergie und der Atomkatastrophe in Fukushima acht Atomkraftwerke stillgelegt wurden, sind die „Lichter nicht ausgegangen“, stellte stellvertretender BN-Kreisgruppenvorsitzender Paul Riederer fest. Es bestehe sogar die reale Perspektive, dass bis zum Jahr 2050 der gesamte benötigte Strom technisch sicher und wirtschaftlich sinnvoll aus Erneuerbaren Energien erzeugt werden kann. Mit der Atommüll-Produktion muss auch im Hinblick auf die enormen Belastungen späterer Generationen Schluss sein. Jetzt muss es heißen: Atomkraftwerke aus, Sonne an, so Riederer.

Profile der Delegation aus Japan

Herr Kenichi Hasegawa ist ein 58-jähriger Molkereibauer aus dem Dorf Iitate, Fukushima. Er ist Bezirksbürgermeister des Bezirks Maeda und Vorstandsmitglied der Genossenschaft für Milchwirtschaft in Fukushima. Seit der Reaktorkatastrophe von Fukushima dokumentiert er die Situation in Fukushima per Video, um Menschen davon zu berichten. Nach dem atomaren Reaktorunfall nimmt er ein verstärktes Gefahrenbewusstsein in der Bevölkerung wahr, gegenüber der hohen Strahlendosis. Er setzt sich dafür ein, die Einwohner in Fukushima besser zu informieren und auch dafür, an die öffentlichen Behörden zu appellieren, um die einheimischen Kinder zu evakuieren. Am 11. April wurde Iitate als „Geplante Evakuierungszone“ festgelegt, fast alle Bewohner verließen ihr Dorf. Hasegawa kehrt jedoch jeden Tag ins Dorf, zurück, als einer der Wachen, die dort 24 Stunden tätig sind. Hasegawa hält an verschiedenen Orten Vorträge über seine Erfahrungen und den Zustand in Fukushima.

Frau Masako Hashimoto wurde 1957 in Tokio geboren. Seit 1995 ist sie mit ihrer Familie in der Stadt Miharu, Präfektur Fukushima, ansässig. Nach dem Reaktorunglück in Fukushima zog sie mit ihrer 13-jährigen Tochter nach Tokio. Ihr  Mann, Naturheilpraktiker, blieb in Fukushima wohnen und muss nun häufig 300 km zwischen Fukushima und Tokio pendeln, um seine Familie zu sehen. Von 1982 bis 1984 studierte Hashimoto in Tokio Germanistik und absolvierte einen Aufenthalt in Deutschland an der Universität Freiburg. Von 1986 bis 1994 arbeitete sie für das German National Tourist Office in Tokio als Reiseleiterin für deutschsprachige Japan-Besucher. In Miharu erwarb sie Kenntnisse über Makrobiotik und publizierte gemeinsam mit ihrem Mann ein Buch über Naturheilkunde.

Frau Akiko Yoshida ist seit 2002 Mitglied bei Friends-of-the-Earth, Japan. In den Jahren 2003 bis 2004 lebte sie als Austauschstudentin in Bonn. Seit 2007 ist sie als Mitarbeiterin von FoE Japan für Abfall und Klimaschutz zuständig, seit April nun vor allem für die Themen Atom und Energie, wobei der Unfall und die Folgen von Fukushima im Mittelpunkt stehen. Das Anliegen von FoE Japan ist es, vor allem die Kinder in Fukushima vor der Strahlenbelastung zu schützen. Zu diesem Zweck arbeitet FoE Japan in Kooperation mit lokalen Bewohnern und Gruppen für ein besseres Evakurierungsrecht und gerechtere Kompensationen. Vor diesem Hintergrund fordert FoE Japan auch die Realisierung der Energiewende und einen sofortigen Atomausstieg.

 

Für Rückfragen:

Dr. Herbert Barthel, Referent für Energie u. Klimaschutz, Tel. 0911-81878-17