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Tiere und Pflanzen

Nulltoleranz für Gentechnik in Lebensmittel darf nicht fallen

Breites Bündnis protestiert vor der CSU Zentrale: Bündnis fordert CSU Landesleitung und Ministerin Aigner auf, sich für ein Veto in Brüssel einzusetzen

05.06.2012

Das Bündnis Bayern für gentechnikfreie Natur und Landwirtschaft protestierte heute gegen neue Pläne der EU, die Nulltoleranz für in der EU nicht zugelassene gentechnisch veränderte Organismen (GVO) bei Lebensmitteln aufzuheben. „Dies ist ein nicht hinnehmbarer Angriff auf die Wahlfreiheit der Verbraucher für Lebensmittel ohne Gentechnik“, so Dr. Martha Mertens, Gentechnikexpertin des Bund Naturschutz, „und würde bedeuten, dass Verunreinigungen von GVO, die keine abschließende Sicherheitsprüfung durchlaufen haben, bis zu 0,1 Prozent in der Nahrungskette legalisiert würden. Ein solches neues zusätzliches Risiko für die Verbraucher wäre auch ein Verstoß gegen das Vorsorgeprinzip der EU- Gentechnikgesetzgebung.“

Das Bündnis fordert deshalb die CSU Landesleitung und Ministerin Ilse Aigner auf, sich mit Nachdruck in Brüssel mit einem Veto gegen die bekannt gewordenen Pläne der EU-Kommission einzusetzen. „Wenn die CSU sich gegen den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen in Bayern ausspricht, muss sie auch die Wahlfreiheit der Verbraucherinnen und Verbraucher ernst nehmen und einen Verschmutzungsgrenzwert ablehnen, sonst entstehen Zweifel an Ihrer Glaubwürdigkeit“, so Mertens.  

Würde die Nulltoleranz bei Lebensmitteln aufgehoben, dann könnten Verunreinigungen in allen Lebensmitteln auftreten, die Bestandteile von Nahrungspflanzen enthalten, die als GVO in Ländern außerhalb der EU angebaut werden. Neben Mais oder Soja könnte es auch andere Pflanzen betreffen. Die Produktion ökologischer und gentechnikfreier Lebensmittel würde deutlich erschwert und durch zusätzliche Kontroll- und Analysekosten stark verteuert. Hinzu kämen die nach wie vor unkalkulierbaren Risiken durch gentechnisch veränderte Konstrukte in der Nahrung. 

Die Aushebelung des Grenzwerts wird vor allem von den Futtermittelimporteuren und den großen Ölmühlen gefordert, die dann nicht mehr strikt auf Warenstromtrennung bei Importen z.B. von Soja oder Mais achten müssten. Im vergangenen Jahr wurde eine Verschmutzungstoleranz für GVO von 0,1 % in Futtermittel in der EU zugelassen. Viele Ölmühlen stellen neben Futtermitteln jedoch auch Nahrungsmittel, wie z.B. Sojalecithin oder Sojaöl für Speisezwecke her. Sie drängen deshalb auch auf die Aufhebung der Nulltoleranz bei Lebensmitteln. 

Gentechnikfreiheit auch beim Anbau weiter sichern ! 

Das Bündnis fordert zudem ein Nein Deutschlands und der zuständigen Ministerin Ilse Aigner zu den befürchteten neuen Anbauzulassungen in der EU. Berichten aus Brüssel ist zu entnehmen, dass die EU-Kommission die Wiederzulassung der in Deutschland verbotenen insektenresistenten Maislinie MON810 beabsichtigt. 

Außerdem seien Neuzulassungen weiterer Gentech-Maislinien wie Bt11, 1507 und MON88017 geplant. Alle drei Linien sind insektenresistent, d.h., sie tragen ein Toxingen aus dem Bakterium Bacillus thuringiensis. Zusätzlich sind sie resistent gegen den Einsatz von Unkrautvernichtungsmitteln, denn sie tragen auch Resistenzen gegen Totalherbizide: Bt11 und 1507 sind resistent gegen Glufosinat und MON88017 ist resistent gegen Glyphosat, den Wirkstoff von Roundup. Auf  der Zulassungsliste stehen auch die gegen Glyphosat resistente Sojalinie Mon40-3-, die Zuckerrübe H7-1, und die Maislinie NK603. 

Dass der Anbau derartiger GVO die Probleme der Landwirtschaft nicht löst, sondern im Gegenteil verschärft, zeigt sich in Ländern wie USA, Brasilien und Argentinien: Der Herbizideinsatz steigt dramatisch an, die Fruchtbarkeit der Böden wird gefährdet, herbizidresistente Unkräuter nehmen überhand und resistente Schädlinge breiten sich aus. Darüber hinaus wird die Artenvielfalt stark reduziert. Profiteure sind in erster Linie die internationalen Unternehmen, die diese GVO entwickeln und die über eigene Saatgutsparten den Markt beherrschen und über Patente die Landwirte binden. Verlierer sind die bäuerlichen Betriebe und die Umwelt. 

Nicht nur Umwelt- und Verbraucherschutzorganisationen in Europa, auch unabhängige Wissenschaftler, nationale Sicherheitsbehörden und Regierungen haben begründete Zweifel an der Sicherheit von Gentech-Pflanzen“,  Auch die Verbraucherinnen und Verbraucher lehnen Gentechnik im Essen und auf dem Acker nach wie vor ab.  

„Wir akzeptieren keinen Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen“, so Manfred Hederer , der die Interessen der deutschen Erwerbsimker vertritt, „denn Gentechnik führt zur weiteren Ausräumung der Kulturlandschaft und erhöhtem Gifteinsatz , was den Todesstoss für die ohnehin gefährdeten geschwächten Bienen bedeuten würde. Bienen sind ein wichtiger Indikator für die Qualität unserer Lebensräume, diese dürfen nicht den Interessen weniger Gentechnikkonzerne und Lebensmittelmultis geopfert werden.“

Für Rückfragen: 

Marion Ruppaner, BN Agrarreferentin, Fon 0911/81 87 80

Email: marion.ruppaner@bund-naturschutz.de 

Anja Sobczak, Referentin Landwirtschaft/Gentechnik,Umweltinstitut München e.V.

Tel.: 089/30 77 49 14 oder Fax: 089/30 77 49 20

E-mail: as@umweltinstitut.org 

Harald Ulmer,Geschäftsführer, Landesvereinigung für den ökologischen Landbau (LVÖ)

Tel (089) 210 209 98, Fax (089) 210 216 22
Email:info@lvoe.de 

Manfred Hederer, DBIB – Berufsimker, Tel. 0172 82 06 459                                                                                                   

 

www.buendnis-bayern-gentechnikfrei.de 

 

Hintergrund zur Nulltoleranz: 

Für GVO, die keine EU-Zulassung haben, gilt die Nulltoleranz. D.h. nur GVO, die abschließend sicherheitsbewertet sind und grünes Licht sowohl von den Mitgliedstaaten als auch von der EU-Kommission erhalten haben, dürfen auf den EU-Markt kommen. Mit diesem fundamentalen Prinzip der EU-Gentechnikgesetzgebung hat die Kommission im letzten Jahr gebrochen, indem sie für in der EU nicht zugelassene GVO in Futtermitteln einen Grenzwert von 0,1 Prozent festgesetzt hat. Damit hat sie dem Drängen der Futtermittelindustrie und der Hauptanbauländer von gentechnisch veränderten Pflanzen nachgegeben. Statt darauf zu bestehen, dass Handelspartner wie die USA die hiesigen Gesetze einhalten und international agierende Händler von Agrarrohstoffen ihre Logistiksysteme so gestalten, dass sie keine Verunreinigungen mit nicht zugelassenen GVO verursachen, hat sie das Vorsorgeprinzip unterlaufen. 

Jetzt plant sie, auch die Nulltoleranz für in der EU nicht zugelassene GVO in Lebensmitteln aufzuheben und damit die allseits hoch gehaltenen Prinzipien „Transparenz“ und „Wahlfreiheit“ weiter auszuhöhlen: Verbraucherinnen und Verbraucher würden nicht erfahren, dass sie Teile nicht zugelassener GVO ohne jede Kennzeichnung im Essen haben. Die EU-Kommission würde sich in den Dienst der Ölmühlen stellen, die Soja, Mais oder Raps verarbeiten und die verunreinigte Produkte sowohl als Futtermittel wie auch als Lebensmittel verkaufen möchten. 

Für Lebensmittelproduzenten würde das Aufheben der Nulltoleranz zu höheren Kosten führen: Sie hätten einen höheren Analyseaufwand, weil sie mit einer Zunahme von in der EU nicht zugelassenen GVO rechnen müssen und ihre Qualitätssicherungssysteme entsprechend anzupassen hätten.  

Dass Lebensmittelhersteller ihren Kunden keine GVO anbieten wollen, haben sie seit deren Einführung auf den europäischen Markt im Jahr 1996 immer wieder bestätigt. Deshalb verkaufen sie nicht nur keine als Gentech-Produkt gekennzeichneten Waren, sondern haben auch massiv in ihre eigenen Qualitätssicherungssysteme investiert. Diese durch Grenzwerte für nicht zugelassene GVO zu unterlaufen und dabei auch noch die Rückverfolgbarkeit außer Kraft zu setzen, weil die Betreiber von Ölmühlen massiven Lobbydruck ausüben, halten wir für nicht angemessen. 

Um Verunreinigungen zu vermeiden, müssen Agrarexporte aus GVO-Anbauländern standardmäßig auf in der EU nicht zugelassene GVO untersucht und entsprechend zertifiziert werden. Mit anderen Worten: Nur noch als „Frei von in der EU nicht zugelassenen GVO“ deklarierte Agrarexporte dürfen die EU-Grenzen passieren. China als eines der großen Importländer von Gentech-Pflanzen aus Südamerika praktiziert einen ähnlichen Ansatz; die USA, Hauptanbauland gentechnisch veränderter Pflanzen, bestehen ebenfalls auf strengen Einfuhrkontrollen.  

Für den Fall, dass nicht zugelassene GVO trotzdem auf den EU-Markt gelangen und zu Rückrufaktionen führen, muss das Haftungsrecht angepasst werden. Lebensmittelhersteller und – händler dürfen nicht länger auf ihren Schäden sitzen bleiben. Vielmehr müssen diejenigen, die nicht in der Lage sind, illegale GVO aus den Warenströmen herauszuhalten, dafür die finanzielle Verantwortung übernehmen.  

Um in der EU nicht zugelassene GVO zu erfassen, ist eine globale GVO-Datenbank erforderlich. Sie muss sowohl alle in irgendeinem Land zugelassenen GVO enthalten als auch alle in Feldversuchen getesteten und dann entweder der Kommerzialisierung zugeführten oder nicht weiter entwickelten GVO aufführen.