Durchsuchen Sie unser Wissen

Zur Startseite

Eichhörnchen beobachten und melden

Themen

  • Übersicht
  • Klimakrise

Tiere und Pflanzen

Studie des Büros B.A.U. GmbH bestätigt: Fichtelgebirgsautobahn unnötig

Moderater Ausbau der B 303 und Modernisierung der Bahn völlig ausreichend
BN: Intelligente Verkehrslösungen statt Dinosaurierplanungen nötig

18.06.2003

Die aufgeregten Debatten der Befürworterinnen und Befürworter einer Fichtelgebirgsautobahn über die Einstufung des Projektes im Bundesverkehrswegeplan reißen nicht ab. Dabei ist die Einstufung im "weiteren Bedarf" wohl eher ein Geschenk an SPD-Verkehrspolitiker als durch vernünftige Planung begründet. Tatsächlich ist die geplante Autobahn nicht nur unnötig, sondern auch im verkehrspolitischen Sinne schädlich. Knappe Mittel des Bundes für die Organisierung des zukünftigen Verkehrs dürfen nicht fehlinvestiert werden. Der Bund Naturschutz fordert deshalb die Streichung der sog. B 303n aus dem "weiteren Bedarf" des Bundesverkehrswegeplanes und fordert stattdessen die Umsetzung der Ausbaupläne an den Bahnlinien Nürnberg- Marktredwitz - Cheb (Eger)- Prag und Nürnberg - Furth i.W. - Pilsen - Prag sowie die Modernisierung der bestehenden B 303.

"Jetzt müssen intelligente, angepasste Lösungen für den heutigen und zukünftigen Ost-West-Verkehr her. Eine Reißbrettplanung mit dem einzigen Ziel, den Verkehr auf der Straße abzuwickeln und nicht auch die Bahn zu stärken, kann man nur noch als Dinosaurierplanung bezeichnen. Wir liefern die Grundlage für solche angepassten Lösungen", so Richard Mergner, Landesbeauftragter des BN bei der Vorstellung des Gutachtens. "Dass man 14 Jahre nach Grenzöffnung von Nürnberg zur tschechischen Grenze z.T. auf Rumpelgleisen wie zu Weltkriegszeiten fahren muss, während die Strecke Cheb - Prag längst elektrifiziert ist, ist ein verkehrspolitischer Offenbarungseid."

Dies sind Schlussfolgerungen, die der Bund Naturschutz aus dem aktuellen Verkehrsgutachten zieht, das am 17.06.03 in Höchstädt nördlich Marktredwitz erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.

Der Bund Naturschutz bedauert, dass sich selbst EU-Kommissar Günter Verheugen und EU-Behörden von der suggestiven Karte der Staatsregierung beeindrucken ließen und die Fichtelgebirgsautobahn als Projekt des Transeuropäischen Netzes (TEN) betrachten. Wahr ist: Es gibt keine Lücke im europäischen Fernstraßennetz. Wenn die A 6 durchgehend fertiggestellt ist, besteht neben den Bundesstraßen auch eine Autobahnverbindung Nürnberg - Prag, die über die A 93 auch den Verkehr Nord-West-Tschechiens aufnehmen kann. In einer zentralen Karte der Staatsregierung zur Begründung der Fichtelgebirgsautobahn fehlt nicht nur die bereits seit Jahren fertiggestellte A 93, sondern auch die Bundesstraßen durch und um das Fichtelgebirge.

Die Studie mit dem Titel "Bedarfsuntersuchung für eine weitere Bundesfernstraßenquerung des Fichtelgebirges zwischen A 9 und Landesgrenze (Schirnding)" wurde vom Bund Naturschutz bereits vor zwei Jahren beim renommierten und unabhängigen "Büro für angewandten Umweltschutz GmbH" (B.A.U.), Stuttgart, in Auftrag gegeben. Der Planer Hans-Peter Kleemann erarbeitete bereits diverse kritische Gutachten zu großen Verkehrsprojekten wie zur A 8, zur A 71, Bundesstraßen und ICE-Trassen.

Die Finanzierung des Gutachtens erfolgte ausschließlich aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen. Zur Finanzierung trugen der BN-Landesverband, die Kreisgruppen Wunsiedel, Hof und Bayreuth sowie die Bürgerinitiative gegen die Fichtelgebirgsautobahn bei.

Wichtigste Ergebnisse der Studie sind (alle Zitate aus Gutachten B.A.U. 2003):

 Die von der Bay. Straßenbauverwaltung behauptete und per Karte dargestellte Lücke im Fernstraßennetz existiert so nicht. Tatsächlich existiert im Untersuchungsraum mit der A 93 eine neue, leistungsfähige Autobahn in Nord-Süd-Richtung und mit B 303, B 286 und B 22 z.T. hervorragend ausgebaute Fernstraßen in Ost-West-Richtung.
 "Das Datenmaterial der Bay. Straßenbauverwaltung zum Nachweis des verkehrlichen Bedarfes einer Fichtelgebirgsautobahn ist unzureichend erhoben, veraltet und teilweise falsch."
Richtig ist: Bei prognostiziertem Bevölkerungsrückgang in Deutschland, insbesondere in Oberfranken, und bei "weltweit niedrigster PKW-Motorisierungskennziffer" in Deutschland (1,8 Personen/PKW) ist "mittel- und langfristig zumindest eine Stagnation im PKW-Bestand zu erwarten". "Der Motorisierungsgrad in Tschechien ist mit 3,0 Einwohner pro PKW bereits heute relativ hoch."
Seit 1998 verringerte sich die Gesamtfahrleistung im motorisierten Personenverkehr Deutschlands, beim Schwerverkehr halbierte sich der Zuwachs bereits. Die "regionale Erreichbarkeit ist sowohl bzgl. der Fahrzeiten von Pendlern als auch der Erreichbarkeit von Kernzentren, Bahnhöfen oder z.B. der nächsten Bundesautobahn" im Fichtelgebirge gegeben, "die Region ist heute bereits hinsichtlich der Straßenanbindungen der deutschen Spitzengruppe zuzurechnen."
Richtig ist, "dass eine weitgehende Auslastung des Bundesstraßenquerschnitts bestenfalls bei Bad Alexandersbad gegeben ist."
Richtig ist: "In Anbetracht der realen Entwicklung der Verkehrszahlen für die B 303 im Planungsraum lässt sich für den Zeitraum 1995 - 2000 beim gesamten, durchschnittlichen KFZ - Verkehr ein deutlicher und kontinuierlicher Rückgang nachweisen. Im Güterverkehrsbereich ist eine mittlere Zunahme von ca. 5 % festzustellen." Hintergrund ist u.a. die Steigerung von fünf auf fünfzehn Grenzübergänge zwischen Bayern und Tschechien. Die Fortschreibung der Güterverkehrszunahme würde eine Zunahme des Gütertransportes um ca. 18% bis 2020 bedeuten.
Richtig ist: "Der für die B 303 maßgebliche Grenzübergang Schirnding weist in der Tendenz der Jahre 1995 - 2000 eine Abnahme des Verkehrsaufkommens von ca. 24 % (Gesamtverkehr) auf. Beim Güterverkehr trat im genannten Zeitraum quasi eine Stagnation ein."
 "Durch eine weitere Bundesfernstraße treten innerhalb der betroffenen Siedlungsbereiche keine wesentlichen Entlastungseffekte ein."
 "Das vorhandene, gut ausgebaute Straßennetz ist mit einigen Straßenbaumaßnahmen am Bestand in der Lage, das gegenwärtige und künftige Verkehrsaufkommen abzuwickeln."
 "Die Annahme langfristiger wirtschaftlicher Vorteile durch den Bau einer weiteren Bundesfernstraße im Untersuchungsgebiet ist nicht belegt und entbehrt auch der tatsächlichen Grundlage."
 "Ein notwendiges und nachhaltiges Verkehrsentwicklungskonzept muss die vorhandenen Potentiale von Bahn und Bus nutzen und weiter entwickeln."

In zwei Szenarien "Grenzenloser Straßenverkehr" und "Bahn-Zeit" wurden von B.A.U. GmbH die zukünftigen Verkehrströme analysiert und Prognosen abgeleitet:

Lässt man den Straßenverkehr einfach weiter wachsen (Szenario "Grenzenloser Straßenverkehr"), so würde unter Unsicherheiten bei der Beibehaltung der regionalen Wirtschaftsleistung, der Zunahme des Motorisierungsgrades in Tschechien, der regionalen Altersstrukturentwicklung, der Wirkungen der LKW-Maut und der Entwicklung der tschechischen Wirtschaft bis 2020 der Ost-West-Straßenverkehr um 6,7 % zunehmen. Der motorisierte Güterverkehr stiege dabei um ca. 27 % und der Personenverkehr um ca. 3 % an.

Nimmt man das Klimaschutzprogramm und die nationale Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung und das "Aktionsprogramm "Nachhaltige Entwicklung Bayern" der Staatsregierung ernst, gelten als Ziele Verkehrsvermeidung und Verlagerung "eines möglichst großen Teil(s) des Verkehrszuwachses von der Straße auf die umweltverträglichen Verkehrsträger".

Das Szenario "Bahn-Zeit" setzt deshalb auf den Ausbau der Bahn: Unter verstärkter Nutzung und Ausbau der Bahnlinien Nürnberg - Marktredwitz - Cheb (Eger) - Prag und Nürnberg/Regensburg - Furth i.W. - Pilsen - Prag, Verbesserung und Beschleunigung der Grenzabfertigung, Gleisanschlussprogramm für Gewerbegebiete, Einrichtung von Trailerzügen, u.ä. ließe sich nennenswert Verkehr auf die Bahn verlagern. Auf der Straße verbliebe bis 2020 lediglich ein Zuwachs von 1,6 %, ca. 80% davon durch Steigerungen beim Güterverkehr.

Dieser Zuwachs und die heutigen Schwachpunkte im Straßennetz ließen sich durch die Modernisierung der B 303 in Teilbereichen beseitigen, Vorschläge werde dazu unterbreitet.

Im Gegensatz zum Gutachten des Ingenieurbüros Dorsch Consult, das von der Regierung von Oberfranken im sog. Arbeitskreis Ost-West-Verkehr vorgelegt wurde und das als Begründung für eine Autobahn durch das Fichtelgebirge herangezogen wird, berücksichtigt das aktuelle Gutachten von B.A.U. GMBH nicht nur die aktuellen Verkehrsprognosen im Straßenverkehr, sondern auch Verlagerungspotentiale auf die Bahn.

Bund Naturschutz und Bürgerinitiative bemängelten seit Beginn der Planungen für die Fichtelgebirgsautobahn, dass als einziges Verkehrsgutachten bislang die Studie von Dorsch Consult herangezogen wurde und diese offenbar die Potentiale der Bahn zwischen Bayern und Tschechien gar nicht untersuchen sollte. Dorsch Consult hat sich bisher v.a. durch die Planung von Autobahnen, Flughäfen, Stromleitungstrassen u.ä. einen Namen gemacht und würde vermutlich auch bei den weiteren Planungsschritten aus Steuermitteln finanzierte Planungen für den Autobahnbau erstellen dürfen.

Eine im Auftrag des Bay. Wirtschaftsministeriums 1999 erstellte Studie zu den Verlagerungspotentialen des Güterverkehrs auf die Bahn (Prof. Dr. Claus C. Berg; Institut für Logistik und Verkehrsmanagement GMBH, Rohr) wurde offenbar bewusst missachtet. Die durchaus wichtigen Hinweise auf die Möglichkeiten der Verkehrsverlagerung wurden bislang von den Autobahnbefürworterinnen und "befürwortern nicht zur Kenntnis genommen. Erst die Veröffentlichung der Ergebnisse in der örtlichen Presse setzte dem Verschweigen dieser Potentiale durch Regierung und Straßenbauverwaltung ein Ende.

Die Ablehnung einer dezidierten Behandlung und vergleichbarer Planung der Bahnertüchtigung durch den Regierungspräsidenten Hans Angerer führte im Mai 2001 sogar zum Auszug des Bundes Naturschutz und der Bürgerinitiative aus dem Arbeitskreis Ost-West-Verkehr mit der Begründung, die Veranstaltung sei letztlich eine Farce, weil es nur um die Planung einer Autobahn, nicht aber um die Abwicklung des Ost-West-Verkehrs ginge.

Die zentrale Fragestellung der aktuellen Untersuchung lautete entsprechend, ob überhaupt ein Bedarf für eine weitere Ost-West-Straßenverbindung durch das Fichtelgebirge besteht oder nicht. Sie wurde klar mit "Nein" beantwortet