Wilde Wälder in Bayern unverzichtbar für Arten – und Klimaschutz
Waldnutzung und Waldfunktionen
Wald lieferte über Jahrhunderte mit dem Rohstoff Holz eine zentrale Grundlage für unsere kulturelle und wirtschaftliche Entwicklung.
Der weltweit steigende Ressourcenverbrauch und die sich verschärfende Energiekrise haben die Nachfrage nach diesem natürlich nachwachsenden Rohstoff rasant ansteigen lassen. Schon heute werden 40 % unseres Holzes zur Energiegewinnung genutzt.
Der Klimawandel und die politisch beschlossene Energiewende führen dazu, dass Wälder sogar als Standorte für große Windräder dienen sollen.
Diese vielfältigen Nutzungsansprüche und der wachsende Nutzungsdruck sind nicht ohne Risiken für die Schutzfunktionen des Waldes als unverzichtbarer Beitrag zur existentiellen Daseinsvorsorge des Menschen.
Wälder sind unverzichtbar für den Wasser-, Boden- und Klimaschutz ebenso wie für die Sicherung der Artenvielfalt, aber auch unersetzliche Erholungsgebiete.
Auch hier leisten nutzungsfreien Wäldern einen besonders bedeutsamen Beitrag!
Der Wald als Lebensraum
Nutzungsfreie „Urwälder“ können auch heute noch Heimat für viele Tausend tlw. sehr seltene Tier – und Pflanzenarten sein.
In naturfernen Nadelbaumforsten dagegen ist die Artenzahl deutlich geringer. Dort leben v.a. eher weit verbreitete Arten wie Amsel, Haubenmeise oder Misteldrossel.
Selbst in standortheimischen Laubholzbeständen führt die Holznutzung - je nach Art und Intensität – zu negativen Auswirkungen auf die natürliche Artenvielfalt – insbesondere deshalb, weil dort viele Bäume vorzeitig genutzt werden (z. B. Buchen mit 100 - 140 Jahren) und sich deshalb die natürliche Strukturvielfalt nicht voll entwickeln kann.
Anders in nutzungsfreien Wäldern: hier dürfen die Bäume ihr natürliches Alter erreichen, alle Alters- und Zerfallsphasendurchlaufen und können z. B. Buchen über 400 Jahre alt werden.
Beim Verzicht auf menschliche Eingriffe kann sich im Wald eine immense Struktur- und Lebensraumvielfalt entwickeln – u. a. durch Faulstellen, Baumhöhlen oder Schürfwunden.
Ob Mittelspecht oder Raufußkauz, ob Fledermaus oder Haselhuhn, ob Hirschkäfer oder Hornissen – sie alle sind auf richtig alte und dicke (Methusalem-) Bäume und Totholz angewiesen.
Baumhöhlen sind Kinderstuben und Überwinterungsquartiere. Vermoderndes Holz dient zudem als Unterschlupf für Salamander und Kröten, für Eidechsen und Ringelnattern. In abgebrochenen und hohlen Baumstrünken kann sogar die scheue Wildkatze ein sicheres Versteck finden und ihre Jungen aufziehen!
Wälder und Klimawandel
Auch unsere heimischen Wälder sind vom Klimawandel betroffen – sie nehmen aber auch selbst Einfluss auf das Klima. Durch Kohlenstoff-Bindung im Holz und im Waldboden, durch Speicherung von Niederschlagswasser im Boden, erhöhte Wasserverdunstung oder Frischluftbildung tragen Sie dazu bei, die negativen Auswirkungen des Klimawandels abzumildern. Weil Bäume langlebige, aber an ihren Standort gebundene Lebewesen sind, können sie sich den Auswirkungen des Klimawandels (z. B. Massenvermehrung von Schadinsekten, Zunahme von Orkanen) nicht entziehen.
Viele der standortheimischen Laubbaumarten, aber auch die Tanne, sind auch bei steigenden Temperaturen (bis maximal 2 Grad) in der Lage, stabile Wälder zu bilden.
Nicht standortheimische Waldbestände (z. B. die weit verbreiteten Fichtenforste) müssen dagegen schnellstmöglich durch gezielten Waldumbau mit Baumarten verjüngt werden, die den sich immer schneller ändernden Standort- und Klimabedingungen standhalten können.
Wälder ohne Nutzung – wofür und warum?
Weniger als 1 % unserer Wälder werden nicht vom Menschen bewirtschaftet und zur Holzerzeugung genutzt.
In den ca. 10,5 Millionen Hektar Wirtschaftswald hat aber ein nicht unerheblicher Teil des natürlichen Artenspektrums und der natürlichen Waldlebensräume kaum Chancen, sich zu entwickeln bzw. zu überleben!
Deutschland hat sich als einer von weltweit 193 Staaten zur Umsetzung des schon 1992 beschlossenen Übereinkommens über die Biologische Vielfalt verpflichtet, um den Arten- und Lebensraumschwund zu stoppen – auch im Wald.
Ziel der 2007 vom Kabinett verabschiedeten Nationalen Biodiversitätsstrategie ist es deshalb, bis 2020 10% der Waldfläche im öffentlichen Eigentum einer natürlichen Entwicklung zu überlassen.
Nutzungsfreie Waldbestände sind aber auch unersetzliche Anschauungs- undForschungsobjekte für eine klimaangepasste Bewirtschaftung der regulär genutzen Waldflächen.
Erfahrungen der Vergangenheit haben gezeigt, dass sich waldbauliche Eingriffe umso weniger störend auswirken, je mehr sich die Nutzung an natürlichen Abläufen orientiert und je mehr dabei eine waldtypische Dynamik zugelassen wird.
Hierfür braucht es aber Waldareale, in denen beobachtet werden kann, wie sich der Wald ohne menschlichen Einfluss entwickelt.
Forderungen
Zur Sicherung der natürlichen Biodiversität und als „Lernorte“ für eine klimaangepasste Waldbewirtschaftung brauchen wir deutlich mehr und größere Waldbestände als bisher, in denen sich Wälder ungestört von menschlichen Eingriffen entwickeln können.
Mittelfristig sind deshalb in Deutschland mindestens 10% des öffentlichen Waldes als „Urwälder von morgen“ auf Dauer einer natürlichen Entwicklung zu überlassen.
Von diesen 10 Prozent soll mindestens die Hälfte als große, zusammenhängende Waldschutzgebiete ausgewiesen werden – z.B. als Buchennationalpark im Steigerwald.
Die andere Hälfte ist als Naturwaldreservate mit einer Mindestgröße von 200 ha und durch kleinere, ökologisch bedeutsame Waldschutzgebiete als Biotoptrittsteine zu sichern.
Nur ein solches „Netz des Lebens“ kann die natürliche Artenvielfalt unserer Wälder auf Dauer sichern und auch seltenen Arten (z.B. Wildkatze) geeignete Lebensräume und Wanderkorridore bieten.
für Rückfragen:
Dr. Ralf Straussberger, Waldreferent
Telefon 0911/81 87 8-22, Email: ralf.straussberger@bund-naturschutz.de
Helmut Schultheiß, Regionalreferent für Unterfranken/Oberpfalz
Telefon 0911/81 87 8-13, Email: helmut.schultheiss@bund-naturschutz.de