Agrarreform – EU-Parlamentarier in der Pflicht
In den kommenden Monaten wird im EU Parlament eine Abstimmung über die EU Agrarpolitik in den nächsten sieben Jahren von 2014 – 2020 erfolgen. Derzeit laufen die Kompromissverhandlungen in den Ausschüssen des EU Parlaments sowohl zu den künftigen Direktzahlungen, als auch zur Ausgestaltung der ländlichen Entwicklung und der Marktordnungen. Das Agrarbündnis befürchtet, dass die positiven Ansätze von Agrarkommissar Ciolos für eine gerechtere und auf ökologischen Leistungen beruhende Agrarpolitik, die die EU Kommission im September 2011 vorgelegt hat, nicht weiter verbessert sondern eher ausgehebelt werden. Dies ergibt sich aus Verlautbarungen von MdEP Albert Deß und spiegelt sich derzeit auch im Bericht des EU Agrarausschusses.
Im Rahmen eines „EU-Abgeordneten-Checks“ von „Meine Landwirtschaft“ wurden die bayerischen Europa-Abgeordneten aufgefordert, Position zur bevorstehenden EU-Agrarreform zu beziehen, um Transparenz auch für die Wählerinnen und Wähler zu schaffen.
Das Agrarbündnis Bayern setzt sich dafür ein, dass mit den Maßnahmen der EU Agrarpolitik bäuerliche Betriebe statt große Agrarfabriken unterstützt werden. Die EU Zahlungen müssen an ökologische Leistungen gebunden werden. Außerdem muss die EU ihre internationale Verantwortung für die Länder des Südens endlich ernst nehmen.
Eingeladen zum öffentlichen Dialog in Neumarkt waren die regionalen EU-Abgeordnete von allen im EU Parlament vertretenen Parteien aus Bayern, wie u.a. Albert Deß von der CSU, Manuela Hirsch von der FDP, Ismail Ertug von der SPD, Barbara Lochbihler von den Grünen und Thomas Händel von den Linken. Der Einladung folgte allerdings nur Ismail Ertug von der SPD. Der Europa-Abgeordnete erteilte einer weiteren Unterstützung der industriellen Landwirtschaft eine Absage. Damit vertritt er eine ähnliche klare Position wie sie von den Parteien der Grünen und der Linken auf EU Parlamentsebene vertreten wird.
Weiter wie bisher ist keine Option: Wie kann der Wachstumsdruck von den Betrieben genommen werden ?
Das Agrarbündnis Bayern fordert, dass die EU-Zahlungen den Faktor Arbeit (Arbeitskräfte bzw. Arbeitsaufwand) berücksichtigen, damit arbeitsaufwändige Produktions- und Tierhaltungsformen, wie z.B. die standortgerechte Tierhaltung in kleinen Beständen nicht benachteiligt werden und damit der Intensivierungsdruck verringert wird. Die Unterstützung von Agrarkonzernen und Großbetrieben über unbegrenzt anzurechnende Flächenprämien muss gestoppt werden.
Dem Bündnis ist es auch wichtig, dass einseitige Marktkonzentrationen und Preisverfall über neue, erzeugerbasierte Marktregeln, die auf den EU Binnenmarkt ausgerichtet sind, verhindert werden.
Herr Deß von der CSU hat auf den EU Abgeordnetencheck von Meine Landwirtschaft leider nicht inhaltlich geantwortet. In der von ihm maßgeblich verfassten und am 23.6.2011 im EU Parlament auch mehrheitlich verabschiedeten Entschließung wird u.a. „erwogen“, eine degressive Gestaltung der Direktzahlungen nach der Betriebsgröße, bei der die objektiven Kriterien der Beschäftigung berücksichtigt werden, umzusetzen.(siehe Anlage 1).
Leider hat Herr Deß diesbezüglich nichts weiter unternommen.
Eine Einführung von Obergrenzen lehnt die CDU auf Bundesebene ab, die Schaffung neuer Marktregeln erachtet sie als schwierig.
Die SPD befürwortet sowohl die Berücksichtigung des Faktors Arbeit bei der Kappung und Degression der Direktzahlungen, als auch die Schaffung von fairen Markt und Verhandlungsbedingungen für die Erzeuger.
FDP Position orientiert sich rein auf den Markt ohne Berücksichtigung von Größenstrukturen oder Arbeitszeit, während Grüne und Linke sich für die Berücksichtigung des Faktors Arbeit aussprechen.
Die Partei der Grünen spricht sich auf Bundesebene darüber hinaus für Obergrenzen der Zahlungen ab 100.000 € aus und die Beibehaltung der Milchquote aus.
Neue Begründung für die Direktzahlungen
Ökologische Vorrangflächen sind keine Flächenstilllegung !
Die EU-Kommission hatte in ihrer Mitteilung vom November 2010 klar gemacht, dass sie einen Paradigmenwechsel bei der Agrarförderung anstrebt. Dieser besteht darin, dass die Bauern nur noch dann in den Genuss von Zahlungen kommen sollen, wenn sie Leistungen – besonders im ökologischen Bereich – erbringen, die oberhalb der gesetzlichen Auflagen liegen.
Diese beinhalten drei verpflichtende Komponenten, nämlich die Erhaltung von Wiesen und Weiden (Grünlandumbruchverbot) am jeweiligen Betrieb, die Einschränkung von Monokulturanbau durch einen verbindlichen Fruchtartenwechsel auf dem Acker und die Pflicht, 7 % der Ackerfläche als ökologische Vorrangfläche zu bewirtschaften. Allein Gesetze einzuhalten wird nicht länger als Subventionierungstatbestand anerkannt.
Das Agrarbündnis hält diese Umorientierung für überfällig, und weist darauf hin, dass es sich bei den ökologischen Vorrangflächen nicht um eine Flächenstilllegung handelt, wie es der Bauernverband und ihm nahestehende Kreise immer wieder behaupten, sondern um eine Nutzung mit dem Ziel, die Biodiversität zu fördern. Hunger wird nach Auffassung des Agrarbündnis Bayern durch die Exportorientierung der EU und Lebensmittellieferung eher verstärkt als bekämpft. Deswegen ist das Hungerargument gegen Ökologische Vorrangflächen nach Auffassung des Agrarbündnis Bayern nichts weiter als billige Polemik, um an den veralteten Förderungsbedingungen festzuhalten.
Der CSU Abgeordnete Alfred Deß hält die Begrünungsvorschläge der EU Kommission für unverantwortlich und begründet dies u.a. mit der weltweit steigenden Nachfrage nach Lebensmitteln (Anlage 2). Die CDU möchte auch den Grünlandschutz nur gegen Vergütung und setzt sich für keine verbesserte Fruchtfolgeregelung ein.
Die SPD begrüßt ökologischen Vorrangflächen mit extensiver Nutzung und das Umbruchverbot für Grünland, während die FDP der Auffassung ist, dass keine weiteren Flächen für die ökologische Bewirtschaftung bereit gestellt werden müssten.
Grüne und Linke positionieren sich klar für den Vorschlag der EU Kommission, verbindliche Standards für ökologische Vorrangflächen und Grünlandschutz festzulegen. Die Grünen fordern auch, den Leguminosenanbau als ein Fruchtfolgeglied verbindlich festzulegen.
Internationale Verantwortung der EU Agrarpolitik ernst nehmen - Es muss mehr passieren als bisher angedacht wurde
Negative Auswirkungen der europäischen Agrarpolitik auf Bauern und Bäuerinnen in den Ländern des Südens spielen im Kommissionsentwurf keine Rolle. Von verschiedenen Ausschüssen gab es Änderungsanträge um diese Thematik einzubeziehen.
Daher wurden die Abgeordneten gebeten, zu folgenden Forderungen Stellung zu beziehen:
• einen regelmäßigen Bericht über die Auswirkungen der GAP auf die weltweite Ernährungssicherheit vorzulegen, um darauf aufbauend Abhilfemaßnahmen einleiten zu können,
• den heimischen Anbau von Eiweißpflanzen im Rahmen einer Eiweißfutterstrategie zu forcieren, um die Abhängigkeit der EU von Importsoja zu reduzieren, sowie
• die Exportsubventionen und Maßnahmen mit ähnlicher Wirkung abzuschaffen, damit EU-Exporte nicht länger die lokalen Märkte in den Ländern des Südens zerstören.
Die EU hat die Exportsubventionen in den letzten Jahren zwar erheblich reduziert, will am Instrument der Ausfuhrerstattungen jedoch entgegen anderslautender Ankündigungen festhalten.
Die bayerischen Abgeordneten haben zu diesen Punkten ganz unterschiedlich Stellung genommen:
Herr Deß und Frau Weisgerber (CSU) gaben keine Antworten auf diese Fragen. Herr Kreissl-Dörfler (SPD) unterstützte die Forderungen ohne Einschränkung. Frau Hirsch (FDP) sprach sich gegen verpflichtenden Leguminosenanbau aus.
Von Vertretern der Linken und der Grünen gab es keine Antworten aus Bayern, auf Bundesebene jedoch die volle Unterstützung unserer Forderungen.
Zusätzlich zu den genannten Punkten ist uns wichtig, dass die internationale Verantwortung und das Menschenrecht auf Nahrung zentrale Kriterien der GAP werden. Sie sollten als handlungsleitendes Prinzip in die Präambel und ein eigenes Kapitel der GAP aufgenommen werden.
Weitere Infos:
http://www.meine-landwirtschaft.de/aktionen/eu-abgeordneten-check.html
http://www.bund-naturschutz.de/fakten/landwirtschaft/agrarwende.html
http://www.misereor.de/ueber-uns/auftrag-struktur/arbeitsstelle-bayern.html
http://www.mission-einewelt.de
Für Rückfragen:
Marion Ruppaner, BN, 0911- 81878 20 oder am 16.11. mobil: 0173 44 66 55 3
Josef Schmid, AbL: 08742 8039
Fritz Wienert, BdM:0171 88 30 405
Eva-Maria Heerde-Hinojosa, Misereor: 089 598279