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Bund Naturschutz: AKW Temelin endlich stillegen

Sicherheitsrisiko und Wirtschaftsdebakel

06.03.2002

Am 7. Februar 2002 haben Fehler in der Steuerung des Atom-Reaktors Temelin zu einer Vielzahl von Funktionsstörungen im Innern des Reaktors geführt. Sogar die Notkühlung im sogenannten Primärkreislauf musste aktiviert werden. Entscheidende Sicherheitsventile funktionierten nicht. Erstmals zeigte sich auch die tschechische Atomaufsichtsbehörde SUJB, die bisher alle Störfälle akzeptiert hatte, aufgerüttelt und drohte mit Strafen angesichts der Fahrlässigkeit des Personals. Der Störfall bestätigt den vom Bund Naturschutz (BN) von Anfang an gehegten Verdacht, dass der Technologie-Mix aus russischem Reaktorbau und amerikanischer Steuertechnik neue Risiken birgt, statt alte Sicherheitsprobleme zu lösen. Wie die vom Bund Naturschutz in Auftrag gegebene Sicherheitsstudie des Reaktorexperten Helmut Hirsch ergab, sind viele Sicherheitsmängel nicht behoben: "In Temelin besteht eine große Zahl offener Sicherheitsfragen. Zu deren Klärung sind zum Teil umfangreiche Untersuchungen erforderlich, deren Dauer eher in Jahren als in Monaten zu messen ist. Es ist nicht anzunehmen, dass ein nennenswerter Teil der Probleme" schnell " gelöst werden kann".Der BN kritisiert, dass die Erbauer und zukünftigen Betreiber des AKWs Temelin nach wie vor wichtige Unterlagen verheimlichen, sich weigern, an einer öffentlichen Debatte teilzunehmen aber ohne Aufschub die Inbetriebnahme des Reaktors vorantreiben. Es gab bisher kein öffentliches Genehmigungsverfahren. Milliarden Euro in den Sand gesetztDer Bau des Atomkraftwerks Temelin hat bisher nahezu 3 Mrd. € verschlungen, eine für die tschechische Wirtschaft unglaublich hohe Summe. Schon bisher haben die tschechischen Privatkunden diese Kostenexplosion über die Strompreise schmerzlich zu spüren bekommen: Seit der Wende sind sie aufs vierfache gestiegen. Im amtlichen Kaufkraft-Standard der EU liegt der Strompreis mittlerweile bei fast 20 Ct, Tendenz weiter steigend.Nach Angaben von CEZ belaufen sich die variablen Kosten beim Betriebdes Atomkraftwerks (Mitarbeitergehälter, Uranbrennstoff, Betriebsmittel) auf 700 Kronen je MWh Strom. Dabei sind die Kosten für eine Unfallversicherung, für die Entsorgung von Atomkraftwerk und Atommüll, sowie für die Stromleitung bis zur Grenzübergabestation nicht mitgerechnet. Der Strom aus Temelin wird in Tschechien nicht gebraucht und ist auch in Deutschland nur zu extrem niedrigen Dumpingpreisen zu verkaufen. Die Erlöse von derzeit 590 Kronen pro MWh liegen niedriger als die Kosten für den Betrieb des Atomkraftwerks. Die Investition kann damit nie mehr erwirtschaftet werden, im Gegenteil: die Verluste für CEZ steigen mit dem Betrieb von Temelin noch an. Angesichts der riesigen Überkapazitäten am europäischen Strommarkt (allein in Deutschland gibt es rund 10mal mehr stillliegende Kraftwerksleistung als Temelin aufbringen würde) wird sich an den Strombörsen auf absehbare Zeit nichts an den Importpreisen ändern. CEZ muss sich nach Ansicht des BN endlich damit abfinden, dass das AKW Temelin am Markt vorbeigeplant wurde und die drei Milliarden - in den Sand gesetzt sind. Privatisierung: ein dreifacher FlopBereits dreimal sind in den letzten Monaten die Versuche der Tschechischen Regierung gescheitert, CEZ zu privatisieren. Kein Bieter war bereit, die hohen Forderungen des tschechischen Regierungschefs Zeman zu erfüllen. Was das Branchenblatt "Energiewirtschaftliche Tagesfragen" schon vor gut 2 Jahren monierte, dass in Tschechien "noch große Anstrengungen erforderlich sind, um die notwendigen Anpassungsprozesse an die neuen marktwirtschaftlichen Erfordernisse zu vollziehen", gilt offenbar auch heute noch.CEZ ist aufgrund seiner seit der Wende falschen Energiepolitik (Weiterbau des AKW Temelin, Subventionierter Ausbau der Stromheizung) finanziell ruiniert.Bund Naturschutz, Bayerische und oberösterreichische Plattform fordern daher nach wie vor die sofortige Stilllegung des Reaktors in Temelin, nicht nur wegen der offenen Sicherheitsfragen, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen. Stillegung erspart viele KostenDie sofortige Stilllegung des AKW Temelin würde weitere Kosten ersparen: Inbetriebnahme und Fertigstellung ca. 10 Mrd. Kronen, Sicherheitsnachrüstung weitere 10 Mrd. Kronen, Abriss und Entsorgungskosten von noch größerem Umfang. Müsste überdies der Temelinstrom innerhalb Tschechiens verkauft werden, würden Folgekosten in Höhe von 35 Mrd. Kronen zur Entschädigung der Arbeiter in den Kohlekraftwerken hinzu kommen. Ein schleuniges Ende der Inbetriebnahmeversuche und ein Abbau der Anlage wäre billiger als die Entsorgung der verseuchten Anlage nach einigen Betriebsjahren. Mit der noch aus Monopolzeiten überkommenen Meinung, mit dem Betrieb des Reaktors von Temelin lasse sich wenigstens ein Teil der Fehlinvestitionen wieder hereinholen, ist CEZ wie die tschechische Regierung auf dem Holzweg. Die schmerzliche Erkenntnis, dass 100 Mrd. Kronen verloren sind, wurde durch das Bieterverhalten der potentiellen CEZ-Käufer aufs deutlichste unterstrichen. Ein etwaiger Betrieb des AKW würde den Schuldenberg noch größer machen. Es ist kein Zufall, dass in ganz Westeuropa seit Jahren kein einziges Atomkraftwerk mehr im Bau ist. Mit der 1998 von der EU durchgesetzten Liberalisierung am Strommarkt wurden Bau und Planung von Atomkraftwerken unwirtschaftlich. Finanzielle UmbauhilfeEndlich hat nun auch das Bayerische Kabinett die Stillegung von Temelin gefordert, wie schon die Bundesregierung im Juni 2001. Bund Naturschutz, Bayerische und oberösterreichische Plattform fordern den bayerischen Umweltminister Dr. Schnappauf und den Bundesumweltminister Trittin auf, nach den markigen Worten zur Stilllegung von Temelin auch Taten folgen zu lassen. Ähnlich wie in Litauen, Bulgarien und der Slowakei müssen Bayern, Deutschland, Österreich und die EU namhafte Summen zur Verfügung stellen um mitzuhelfen, die tschechische Energieversorgung umzubauen: Investitionen in die Sanierung der Fernwärmenetze, die Errichtung von Kraftwärmekopplungsanlagen und die Erneuerbaren Energien sind dringend nötig, um die tschechische Energieversorgung zukunftsfähig zu machen. Damit würde Tschechien auch wirtschaftlich der Eintritt in die EU erleichtert. Reaktor Temelin 2 nicht beladen!Der Bund Naturschutz warnt CEZ eindringlich davor, mit der Beladung des zweiten Reaktors in Temelin weitere vollendete Tatsachen zu schaffen. Die Kosten für Abriss und Entsorgung werden damit nur unnötig erhöht. Ein Unfall in Temelin würde ganz Mitteleuropa von Prag bis München, von Wien bis Frankfurt in Mitleidenschaft ziehen. Gegen diese Unfallfolgen, die sich auf bis zu 5000 Mrd. € belaufen werden, ist Temelin ebenso wenig versichert wie Ohu oder Brunsbüttel. Gemeinsame Petition an EU-ParlamentBund Naturschutz, Bayerische- und Oberösterreichische Plattform werden sich mit einer Petition an das EU-Parlament wenden.Sie fordern darin, die vom EU-Parlament bereits am 9.7.2001 beschlossene Internationale Konferenz zum Ausstieg aus Temelin endlich einzuberufen und Tschechien mit finanziellen Ausstiegshilfen den Eintritt in die EU zu erleichtern. gez. Dana Kuchtova, Südböhmische Mütter gegen Atomkraft, Budweisgez. Mathilde Halla, Vorsitzende der Überparteilichen oberösterreichischen Plattform gegen Atomgefahr, Linzgez. Bernd Scheibner, Stellvertretender Vorsitzender der Überparteilichen bayerischen Plattform gegen Atomgefahr insbesondere aus Temelin e.V., Passaugez. Prof. Dr. Hubert Weiger, Landesbeauftragter des Bund Naturschutz in Bayern e. V.gez. Dr. Ludwig Trautmann-Popp, Energiereferent des Bund Naturschutz in Bayern e. V.Bei Rückfragen: Tel. 0951 - 5190 609