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Hochwasserschutz beginnt im Bergwald!

Bund Naturschutz kämpft für intakte Bergwälder

03.11.2005

Der Bund Naturschutz (BN) appelliert an die Staatsregierung, verstärkt auf einen vorbeugenden Hochwasserschutz zu setzen. Anläßlich einer Pressefahrt zur Schutzwaldsanierungsfläche "Kanzel" bei Oberjoch im Landkreis Oberallgäu fordert der BN deshalb deutlich mehr staatliche Mittel für den Erhalt und die Schaffung intakter Schutzwälder. Vorrangiges Ziel muss die Pflege der Schutzwälder durch eine kleinflächige, naturnahe Waldbewirtschaftung sein. Daneben muss auch das Schutzwaldsanierungsprogramm weiter fortgeführt und entsprechend finanziert werden. Diese Investitionen und die konsequente Umsetzung des Grundsatzes "Wald vor Wild" sind die günstigsten und effektivsten Maßnahmen, um Hochwasserschäden zu vermeiden bzw. verringern. Intakte Bergmischwälder in den bayerischen Alpen können den Wasserabfluß deutlich vermindern und dadurch Hochwassersituationen deutlich entschärfen. Dies ist eine entscheidende Voraussetzung dafür, dass der Alpenraum bewohnbar und für den Tourismus als bedeutender Wirtschaftsfaktor attraktiv bleibt.

Die Bilder der Zerstörung in den Allgäuer Gebirgstälern sind noch in bester Erinnerung, die Schäden gehen in die Millionen. Nur mit einem Bündel an Maßnahmen bleiben die Talräume bewohnbar und Hochwasserschäden tragbar. Dabei stößt der technische Hochwasserschutz immer mehr an seine Grenzen. Wesentlich kostengünstiger und effektiver dagegen ist es, die Niederschläge möglichst lange dort zurückzuhalten, wo sie auf den Boden fallen. Dazu ist ein intakter, naturnaher Bergwald unerlässlich, weil er wie keine andere Landnutzungsform den Boden festhält und Niederschläge zurückhält. Doch mittlerweile können große Teile der Schutzwälder ihre Funktion nicht mehr erfüllen. Über 12.000 ha Schutzwälder sind in Bayern sogar so geschädigt, dass sie aufwändig saniert werden müssen.

Klaus Dinser, Abteilungsleiter für Schutzwaldmanagement am Amt für Landwirtschaft und Forsten in Kempten, erläutert den Ablauf und die Kosten der Schutzwaldsanierung am Beispiel der Sanierungsfläche "Kanzel". Die Kosten sind, je nachdem wie intensiv der steile Hang mit Holz-, Stahl oder Betonbauwerke verbaut und gesichert werden muss, immens hoch und können bis zu 500.000 € pro Hektar Sanierungsfläche erreichen. Diese Verbauungen werden notwendig, wenn der Bergwald seine unerlässlichen Schutzfunktionen, wie den Hochwasserschutz oder den Schutz der Tallagen vor Lawinen und Steinschlag, durch ausbleibende Verjüngung und Überalterung nicht mehr erfüllen kann. Im Schutze der Verbauungen werden junge Bäumchen gepflanzt, die über einen sehr langen Zeitraum von 30 - 50 Jahren Schutz vor Schneedruck und vor allem vor Wildverbiss brauchen. Erst wenn sie diesen langen Zeitraum überleben, ist der nachwachsende Bergwald in der nächsten Generation gesichert.

Doch vielerorts kann kein gemischter Wald nachwachsen, weil die jungen Laubbäume und Tannen oft von zu hohen Beständen an Gams, Reh oder Hirsch verbissen werden. Der Bergwald wird dann immer lückiger und verliert seine Schutzfunktion. Als Folge dieser Fehlentwicklungen verursachen die häufiger auftretenden Wetterextreme immer höhere Schäden, weil immer mehr Niederschläge immer schneller abfließen. Eine weitere Folge der überhöhten Wildbestände ist es, dass die dringend sanierungsnotwendigen Flächen trotz 20 Jahren Schutzwaldsanierung nicht ab-, sondern zugenommen haben. Der entscheidende Faktor für das Gelingen der Schutzwaldsanierung und für intakte Bergwälder ist deshalb der Abbau überhöhter Schalenwildbestände, die oftmals verhindern, dass ein intakter Bergmischwald nachwächst. Der Jagd kommt hier eine entscheidende Rolle zu. Der BN fordert deswegen, dass die verantwortlichen Jäger und Förster überhöhte Wildbestände auf ein waldverträgliches Maß absenken. Nur dann kann ein intakter Bergmischwald nachwachsen und die 250.000 ha Bergwälder in Bayern können ihre für die Bevölkerung lebenswichtigen Schutzfunktionen erfüllen. Nur wenn die Jäger ihre Hausaufgaben machen, kann die Schutzwaldsanierung gelingen und die 50 Mio. €, die bayernweit bislang investiert wurden, können als Zukunftsinvestitionen und nicht als teures Wildfutter verbucht werden.

Die Mittel für die Schutzwaldsanierung wurden zudem in den letzten Jahren deutlich reduziert, obwohl die sanierungsbedürftigen Flächen zugenommen haben. Der BN fordert deshalb, dass die Staatsregierung und der Bayerische Landtag umgehend wesentlich mehr Geld in die vorbeugende Pflege noch intakter Bergwälder sowie in die Sanierung geschädigter Bergwälder und damit in die Sicherheit des Alpenraumes investieren müssen. Ansonsten drohen immense Schäden und Milliarden schwere Folgekosten für den Steuerzahler, wenn man die Sanierungskosten von bis zu 500.000 € pro Hektar auf die 150.000 Hektar Schutzwälder in den bayerischen Alpen hoch rechnet.


Eine zusätzliche Brisanz bekommt die Bergwald-Problematik, weil Klimawandel und Borkenkäfer zunehmend den vielen Fichtenbeständen auch im Bergwald ein Garaus machen. Wenn unter den absterbenden Altfichten dann keine jungen Bäume nachgewachsen sind, weil zuviel Gams, Reh oder Hirsch diese weggefressen haben, dann droht dem bayerischen Alpenraum eine Katastrophe.

Das Sanierungsgebiet "Kanzel" ist inzwischen durchaus ein positives Beispiel für eine erfolgreiche Schutzwaldsanierung, weil alle Verantwortlichen vor Ort sich für dieses Ziel eingesetzt haben. Der Bund Naturschutz und die anderen Verbände im Wald Bündnis Bayern sehen es deshalb als zentrale Aufgabe, dass derartig positive Beispiele der Bevölkerung nahegebracht werden, um sie als Steuerzahler davon überzeugen zu können, dass diese Investitionen in einen intakten Bergwald zwingend notwendig sind.