Kernstück der EU Agrarreform nicht verwässern – Bund Naturschutz fordert Umdenken zugunsten von „Greeningmaßnahmen“ für die Intensivlandwirtschaft
Die Vorschläge der EU Kommission zur Neuordnung der Agrarpolitik gehen in den nächsten Wochen im Europaparlament in die entscheidende Diskussionsphase. Über 7000 Änderungsanträge für die mehrere 100 Seiten umfassenden Neuregelungen liegen vor. Das EU Parlament kann in diesem Prozess der EU Agrarpolitik zum ersten Mal mit entscheiden.
Ein Kernstück des von der EU Kommission vorgelegten Entwurfs sind neue Kriterien für die Verteilung der ca. 55 € EU-Agrarmilliarden, von denen für Deutschland ca. 6,5 Mrd. € erwartet werden. (5,8 Md € für Direktzahlungen und 0,7 Mrd. € für die ländliche Entwicklung).
„Ohne verbindliche Faktoren für die Sicherung der Vielfalt von Pflanzen und Tieren in der Agrarlandschaft werden sich die Agrarzahlungen künftig nicht mehr begründen lassen“, so Hubert Weiger, Bund Naturschutz Vorsitzender, und weiter: „Die verantwortlichen Politiker und der Bauernverband müssen endlich aufhören, von Flächenstilllegung zu sprechen, wenn es um ökologische Vorrangflächen geht.“ Diese sollen nach den Vorstellungen von Agrarkommissar Dacian Ciolos 7% umfassen und verpflichtend für die Gewährung von Direktzahlungen werden. „Keinesfalls darf die vorgesehene Bindung von 30% Anteil der derzeit diskutierten Direktzahlungsprämie von 300 € in Deutschland freiwillig sein“, so Weiger, „denn dann würden Landwirte in den Intensivgebieten, dort wo die massivsten Defizite für die Artenvielfalt vorliegen, keine „Greeningmaßnahmen“ umsetzen. Dies wäre dann eine Steilvorlage zur weiteren Industrialisierung der Agrarproduktion in Europa.“
Anders als die „Sofabauern“, die in der Vergangenheit Subventionen abschöpfen konnten, wenn Sie die Flächen lediglich einmal im Jahr gemulcht oder gemäht haben, soll es künftig einen Auswahlkatalog für Wildnisflächen mit gezielter Ansaat, Blühstreifen oder Erosionsschutzstreifen zum Schutz von Boden und Gewässern geben. „Es muss ein erkennbarer Nutzen von diesen Flächen für die Biodiverstät ausgehen, und sie müssen vor allem in den Problemgebieten der Artenvielfalt, in unseren ausgeräumten Ackerlandschaften angelegt werden“, so Marion Ruppaner, BN Agrarreferentin. Vorhandene Landschaftsstrukturen, wie Hecken oder Feldraine sollen auf die vorgesehene 7% ökologische Vorrangflächen angerechnet werden können. Der Bund Naturschutz hat eine Vorschlagsliste mit geeigneten Maßnahmen vorgelegt, in der auch Kleegras- und Leguminosenkulturen enthalten sind, soweit sie erst ab Juli genutzt werden. Sie sollen als sogenannte „hellgrüne“ Maßnahmen jedoch nur bis zur Hälfte der derzeit vorgeschlagenen 7 % angerechnet werden können.
Der BN ist Mitunterzeichner des Positionspapiers der Gemeinsamen Plattform von Verbänden aus Umwelt- und Naturschutz, Landwirtschaft, Entwicklungspolitik, Verbraucherschutz und Tierschutz vom August 2012, das heute bundesweit der Presse vorgestellt wird.
<link fakten landwirtschaft agrarwende.html>www.bund-naturschutz.de/fakten/landwirtschaft/agrarwende.html
oder
http://www.die-bessere-agrarpolitik.de/
Für Rückfragen:
Marion Ruppaner, Agrarreferentin Bund Naturschutz in Bayern
0911 8187820,marion.ruppaner@bund-naturschutz.de
Anlage:
Vorschlag des BN zur Ausgestaltung des „Greenings“ der Direktzahlungen
Mit ihren Legislativvorschlägen zur EU-Agrarreform vom Herbst 2011 hat die EU-Kommission die Weichen bezüglich der Verteilung der Agrarzahlungen ab 2014 ein Stückchen mehr in Richtung Erhaltung der Kulturlandschaft, Schutz der Biodiversität und Stärkung von bäuerlichen Betrieben gegenüber der Agrarindustrie gestellt.Agrarkommissar Dacian Ciolos möchte die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU "grüner, gerechter und effektiver“ machen.
Für den BN wichtige Themen wie Verhinderung industrieller Tierhaltung, gentechnikfreie Lebensmittelproduktion oder Abkehr von der Export-orientierung sind in den Legislativvorschlägen jedoch leider nicht enthalten.
Der BN setzt sich für eine weitere Ökologisierung der Agrarpolitik ein, wie sie auch der “Wissenschaftliche Beirat Biodiversität und genetische Ressourcen“ beim Bundeslandwirtschaftsministerium einfordert.
Um die Maßnahmen für die Landwirte attraktiv zu machen, müssen gezielt Gelder aus Säule 1 für besonders aufwändige Greeningauflagen bereit gestellt werden.
Ökologische Vorrangflächen: Künftig sollen nach den Vorschlägen der EU Kommission die Direktzahlungen an die Erhaltung von Wiesen und Weiden (Grünlandumbruchverbot), Fruchtfolgeregelungen und einen sieben prozentigen Anteil ökologischer Vorrangflächen gekoppelt werden.
Der BN fordert einen Anteil von 10% ökologischer Vorrangflächen am Acker und 10% extensiv bewirtschafteten Grünlands. Um die Akzeptanz dieser Maßnahmen in der Landwirtschaft zu erhöhen, muss es für die Maßnahmen eine Sonderfinanzierung aus Säule 1 geben.
Die ökologischen Vorrangflächen müssen klar nachweisbare Effekte für die Biodiversität bieten, das heißt Lebens- und Nahrungsangebot für gefährdete Tiere und Pflanzenarten bieten. Dies ist am besten zu bewerkstelligen, wenn eine Naturschutzberatung für die Gestaltung und Vernetzung der ökologischen Vorrangflächen erfolgt. Angesichts immer stärker umkämpfter Haushaltsansprüche in der EU ist dies auch die Chance der Landwirtschaft, die Akzeptanz von Finanztransfers bei der Bevölkerung zu erhöhen.
Um ausreichend Finanzmittel für die Vernetzung und Optimierung der Naturschutzmaßnahmen zur Verfügung zu haben, fordert der BN eine Umwidmung von Direktzahlung aus Säule 1 über Art. 14 der Verordnung oder eine Festlegung in Art. 33 der Direktzahlungsverordnung.
Fruchtfolgeregelung: Die von der EU vorgeschlagene Regelung muss dringend nachgebessert werden. Wenn es weiterhin möglich ist, auf 70% der Fläche die gleiche Kultur anzubauen, führt dies zu weiteren Umweltbelastungen, Monotonisierung der Landschaft und zum weiteren Artensterben. Der BN fordert seit langem die Begrenzung einer Kultur auf ein Drittel der Ackerfläche, auch um der weiteren Vermaisung der Landschaft Einhalt zu gebieten, und die Festlegung eines verbindlichen Anteils (20%) von Leguminosen oder Kleegras in der Fruchtfolge. Dies dient der Energieeinsparung, weil Stickstoff im Boden gebunden wird und heimisches Eiweißfutter im größeren Stil vor Ort erzeugt werden könnte, anstatt importiert zu werden.
Grünlandumbruchverbot: Wiesen und Weiden haben eine besondere Bedeutung für den Naturschutz und das Landschaftsbild. Sie erfüllen wichtige ökologische Funktionen, wie Boden-, Hochwasser- und Trinkwasserschutz, sind Lebensraum für viele Tier- und Pflanzenarten und bieten eine gute Futtergrundlage für die regionale Erzeugung hochwertiger Milch- und Fleischerzeugnisse. Durch Umbruch und Nutzungsaufgabe ist der Grünlandanteil in Bayern in den letzten dreißig Jahren um mehr als 30 % zurückgegangen. Die Arten- und Standortvielfalt der verbliebenen Wiesen und Weiden ist durch die Nutzungsintensivierung immer stärker bedroht.
Deswegen ist die Sicherung des noch vorhandenen Grünlands sehr wichtig. Die EU Vorgabe Grünland zu erhalten, ist der richtige Schritt. Bei der Ausgestaltung darf es keine pauschale 95%-Regelung geben, es braucht einzelbetriebliche Schutzstrategien und die Pflicht zur Wiedereinsaat.
Warum wir ökologische Vorrangflächen brauchen
Die ökologischen Vorrangflächen sollen noch vorhandene Landschaftsstrukturen und extensive artenreiche Nutzungen sichern und wieder vermehren. Der BN fordert seit langem, 10% der Flächen in der Agrarlandschaft für Hecken und Ackerraine, Streuobstwiesen, Blüh- und Brachflächen bzw. extensive und artenreiche Nutzung.
Denn Raine, Blühflächen oder Hecken gehören genauso zur landwirtschaftlichen Nutzung wie Kleegras und Weizen. Landschaftselemente als Lebensräume helfen, Kulturschädlinge und Krankheitserreger zu regulieren. Hecken können die Erträge erhöhen und der Winderosion einen Riegel vorschieben. Blühflächen bieten Futter für Insekten und Bienen, die zur Bestäubung beitragen. Damit können die Erträge von Raps oder Obstbäumen gesichert und erhöht werden. Gewässerrandstreifen dienen dem Schutz von Kleinlebewesen und der Selbstreinigungskraft der Gewässer.
Der Wissenschaftliche Beirat für Biodiversität und genetische Ressourcen beim Bundeslandwirtschaftsministerium hat im Oktober 2011 bestätigt, dass Vorrangflächen höchst wichtig für Bestäubung und Selbstregulation im Pflanzenschutz sind und 10 Schlüsselbereiche identifiziert.
Detail-Positionierung des BN zu Artikel 32 der Ökokomponente im Rahmen des EU Kommissionsvorschlags zur neuen DirektzahlungsVO
Der Bund Naturschutz hat im Vorfeld der Veröffentlichung der Legislativvorschläge der Kommission sich klar zur Ökologisierung der GAP positioniert. Er hatte sich u.a. für einen Anteil von 10% an Ökologischen Vorrangflächen auf allen Betriebsflächen Acker und Grünland ausgesprochen, entsprechend der Empfehlungen des Wissenschaftlichen Beirats.
Der Bund Naturschutz spricht sich dafür aus, die drei von der Kommission vorgeschlagenen Greening-Komponenten grundsätzlich ohne Einschränkung anzuwenden als Voraussetzung für den Erhalt von Direktzahlungen. Das heißt, dass es nicht möglich sein darf, auf die 30% der Direktzahlungen, die an das Greening gebunden sind zu verzichten, und Greening dann nicht erfüllen zu müssen. Wer Greening nicht umsetzt, muss auch von den anderen Direktzahlungen ausgeschlossen werden.
Teil 1: 10% Ökologische Vorrangfläche
(von der Kommission vorgeschlagen: 7 %)
Im Rahmen der Regelung muss sichergestellt werden:
- Die Verpflichtung für Ökologische Vorrangflächen muss der Antragsteller auf von ihm bewirtschafteten Flächen in der jeweiligen Gemeindegemarkung erfüllen.
- Vertragsabschlüsse für ökologische Vorrangflächen außerhalb der Reichweite der Bewirtschaftung des jeweiligen Betriebes sind unzulässig.
Zupacht oder Flächenkauf in ohnehin reich strukturierten Gebieten außerhalb der bewirtschafteten Gemarkung sind auszuschließen.
Ausnahmen von der Verpflichtung für Vorrangflächen sollen gelten für:
- Betriebe, die nach den Kriterien des ökologischen Landbaus wirtschaften
- Betriebe mit weniger als 10 Hektar Gesamtackerfläche
Ackerflächen in NATURA 2000 Gebieten können aus der Verpflichtungsfläche herausgerechnet werden, wenn die Art der Bewirtschaftung zur Erreichung der Erhaltungs- und Entwicklungsziele des NATURA 2000 Gebietes dient.
Mögliche ökologische Vorrangflächen (unvollständige Vorschlagsliste)
- Hecken und Einzelgehölze
Artenreiche Kurzumtriebsplantagen als Gehölzstreifen außerhalb von Schutzgebieten mit einer Maximalbreite von 10 Metern oder als Kleinflächen bis maximal 0,1 ha Größe - Sonstige Landschaftselemente, Uferstreifen an Gräben mit Mindestbreite von 5 m ohne Düngung und Pflanzenschutz, Pufferstreifen und kartierte Biotope
- Ackerraine, die nach der Blüte, frühestens zum 1. Juli gemäht werden
Streuobstbestände (gepflegt und bewirtschaftet).
Zu 50% anrechenbar sollen sein: (Auswahlliste, keine Anwendung von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln)
- Blühflächen und Blühstreifen (auch inklusive Kleegras oder Luzerne bei frühester Schnittnutzung nach der Blüte)
- Umwandlung von Ackerflächen in artenreiches Dauergrünland (für fünf Jahre als „Ökologische Vorrangfläche“ anrechenbar)
- Mischkulturen mit mindestens drei Kulturen (mindestens aus zwei Pflanzenfamilien, und Mindestanteil 10% pro Art, zu 50% anrechenbar)
Wünschenswert für den BN ist auch, dass Betriebe auf ihren Grünlandflächen 10% extensiv bewirtschaften. Eine Aufstockung der Agrarumweltprogramme ist dafür ebenso geeignet, soweit die Honorierung nach Leitarten gestaffelt erfolgt.
In Dauerkulturen (Obst, Wein, Hopfen): Sollten diese Kulturen künftig in die Direktzahlungsregelung eingebunden werden, soll für diese Flächen (analog der Vorrangflächenregelung in der Schweiz) die Verpflichtung für ökologische Vorrangflächen auf die Hälfte des für Acker und Grünland vorgeschriebenen Flächenanteils angesetzt werden.
Als Elemente sollen angerechnet werden können:
- Streuobstflächen und Hochstammobstbäume
- Artenreich begrünte Rebgassen
- Blühmischungen / Blühstreifen in Obst- und Hopfenkulturen
Teil 2: Fruchtartendiversifizierung
- Fruchtartendiversifizierung mit der Vorgabe, dass eine Frucht maximal 33 % der Ackerfläche einnehmen darf.
- Ein Anteil von 20% Leguminosen in der Fruchtfolge.
Teil 3. Erhaltung von Dauergrünland
Der BN fordert zu 100 % die weitere Erhaltung von Dauergrünlandflächen, statt, wie von der EU vorgesehen, eine weitere Abnahme um 5% auf 95% hinzunehmen.
Als Stichtag darf nicht der 1.1.2014 gelten, sondern muss ein Termin in der Vergangenheit gewählt werden, nach Möglichkeit der 1.1.2011.