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Vom „Umweltnotruf Nordbayern“ zum Kompetenzzentrum im Natur- und Umweltschutz

Meilensteine aus 50 Jahren Naturschutzarbeit in Franken:

Seit 50 Jahren hat der BUND Naturschutz (BN) eine professionelle Niederlassung in Nordbayern. Viele entscheidende Impulse gingen von hier für die bayerische Natur- und Umweltpolitik aus. Es wurden viele Erfolge erzielt, aber es gibt noch viel zu tun.

07.03.2023

Anlässlich des Jubiläums „50 Jahre Landesfachgeschäftsstelle des BUND Naturschutz in Nürnberg“ zieht der Ehrenvorsitzende des BUND Naturschutz, Hubert Weiger, eine positive Bilanz: „Ohne den BN gäbe es heute in Nordbayern Atomkraftwerke in Viereth bei Bamberg und in Kahl am Main, eine Raffinerie bei Forchheim, ein neues Kohlekraftwerk in Erlangen und 5 weitere Müllverbrennungsanlagen allein in den fränkischen Regierungsbezirken. Die Geschäftsstelle Nordbayern hat in den 1980ern und 90ern einen zentralen Beitrag zur Verbreitung der ökologischen Landwirtschaft geleistet. Auch die Rettung des Grünen Bandes und seine Entwicklung zum längsten Biotopverbund Deutschlands wären ohne den engagierten Einsatz des BN nicht möglich gewesen. Die ersten Bürgerwindkraftanlagen Bayerns im Landkreis Hof und Bamberg gehen auf die Initiative der Geschäftsstelle Nordbayern des BN zurück. Die Zusammenlegung der bis dahin getrennten Geschäftsstellen in Nürnberg und München zur Landesfachgeschäftsstelle in Nürnberg 1991 hat dem Gesamtanliegen des Natur- und Umweltschutzes in Bayern einen neuen Schub verliehen. Unser Einsatz hat sich gelohnt, auch wenn viele qualitative Fortschritte durch das exorbitante, quantitative Wachstum, an dem unser Wirtschaftssystem krankt, zunichte gemacht wurden. Neben der globalen Klima- und Biodiversitätskrise ist nach wie vor in Bayern insbesondere der Flächenverbrauch das größte ungelöste Umweltproblem. Der BN konnte zwar einige Landschaften vor zerstörerischen Bauprojekten retten, aber insgesamt ist die Inanspruchnahme des nicht vermehrbaren Bodens nach wie vor fast ungebremst.“

Der BN-Landesvorsitzende Richard Mergner erklärt: „Die kongeniale Zusammenarbeit zwischen den Aktiven in den nordbayerischen Kreis- und Ortsgruppen und den Hauptamtlichen in der Landesfachgeschäftsstelle ist eine Erfolgsgeschichte. Hubert Weiger hat als hauptamtlicher Mitarbeiter der ersten Stunde und späterer Landesbeauftragter entscheidend dazu beigetragen.“

Bis in die 1970er Jahre hinein war der BN in Nord- und Ostbayern eher schwach vertreten gewesen. 1973 eröffnete er in Stein bei Nürnberg die Geschäftsstelle für Nordbayern (seit 1976 in Nürnberg) und bestellte Hubert Weiger – anfangs noch als erster Zivildienstleistender im Natur- und Umweltschutz in Deutschland – zum hauptamtlichen Beauftragten für Nordbayern. Fortan wurde von hier aus die bayerische Natur- und Umweltpolitik entscheidend geprägt:

Eine der ersten Aktionen war die Einrichtung eines Umweltnotrufes, in dessen ersten acht Monaten seines Bestehens über 1000 Anrufe eingingen.

Man arbeitete intensiv mit Bürgerinitiativen zusammen. In fast allen Landkreisen Nordbayerns wird in den folgenden drei bis vier Jahren eine Kreisgruppe des BUND Naturschutz gegründet. Mitte der 1980er Jahre folgte die Gründung von Ortsgruppen auf Gemeindeebene.

Die Region Nürnberg-Fürth-Erlangen wird zu einem neuen Aktionsschwerpunkt des BN, so zum Beispiel das Engagement für die Erhaltung des Reichswalds. Verhindert werden konnte beispielsweise der Neubau des Rangierbahnhofs, ein Autobahnkreuz am Tiergarten, ebenso wie das Großkraftwerk Franken III bei Erlangen oder die Ostspange zum Flughafen Nürnberg. Auch heute noch muss der Reichswald Jahr für Jahr gegen zahleiche Bauvorhaben verteidigt werden und der Naturschutz musste auch so manche Niederlage verbuchen: Zwischen 2005 und 2011 wurden zahlreiche Bauprojekte durchgesetzt und rund 22 Hektar Bannwald gerodet – viele weitere Vorhaben sind in Planung. Seit 1973 feiert der BN das Reichswaldfest, das sich heuer ebenfalls zum 50. Mal jährt, um die Erfolge zu feiern, auf die Bedrohungen aufmerksam zu machen und die Bedeutung des Waldes für die Stadt und die Bürger zu verdeutlichen.

1979verabschiedet der BN in Hof das erste umfassende Grundsatzprogramm für alle Bereiche des Natur- und Umweltschutzes. Der Kernenergie erteilt er darin eine klare Absage. Auch wenn das Atomkraftwerk Grafenrheinfeld gebaut wurde, konnten jedoch AKWs in Kahl und Viereth verhindert werden. Ebenso stand der BN bei der erfolgreichen Verhinderung der WAA in Wackersdorf in der ersten Reihe. Viele Aktionen und Strategien im WAA-Widerstand wurden in der Landesfachgeschäftsstelle in Nürnberg geplant. Außerdem konnte das Kohlekraftwerk Franken 3 sowie bayernweit 16 Müllverbrennungsanlagen verhindert und stattdessen ein System der Abfallvorsortierung durchgesetzt werden.

Die Delegiertenversammlung in Hof spricht sich auch gegen den Ausbau des Rhein-Main-Donau-Kanals aus. Die Kanalbauarbeiten zwischen Nürnberg und Kelheim, vor allem die Zerstörung des Altmühltals, sowie die weitere Kanalisierung zwischen Straubing und Degendorf rufen seit Mitte der 1970er Jahre immer stärkere Kritik hervor. Bundesdeutsche und österreichische Naturschutzverbände sammeln unter Federführung des BN 1982 fast eine Million Unterschriften gegen den Weiterbau – eine der größten Umweltpetitionen in Deutschland überhaupt. Dennoch einigt sich die schwarz-gelbe Bundesregierung Ende 1982 mit dem Land Bayern auf die Fertigstellung des Projekts. Trotz fortgesetzter Proteste und Gerichtsklagen wird 1992 das letzte Teilstück des Rhein-Main-Donau-Kanals eröffnet. Seitdem engagierte sich der BN für die Erhaltung des letzten frei fließenden Donauabschnitts innerhalb Deutschlands zwischen Straubing und Vilshofen, was 2013 mit einem Kompromiss zu einem sanften Ausbau ohne Staustufen zu einem Erfolg geführt werden konnte.

Erbitterte Auseinandersetzungen gab es um Straßenbau und Autobahnprojekte. Oftmals musste man dabei wie bei der B4 (Blaukehlchentrasse Erlangen), Westumfahrung Würzburg & Nürnberg, Spange Feucht, der A70, A60, A73 oder A71 Rückschläge einstecken. Oftmals war man aber auch erfolgreich, wie bei der B303 (Fichtelgebirgsautobahn), der B2-Süd in Nürnberg oder dem Autobahnzubringer Nürnberg Ost.

Weitere erfolgreiche Kampagnen, die das Gesicht Bayerns verändert haben, waren die gegen das Waldsterben, für die Erhaltung der innerdeutschen Grenze als das „Grüne Band“ und gegen die grüne Gentechnik, weshalb Bayern heute immer noch gentechnikfrei ist. Erfolgreiche Initiativen wurden für den ökologischen Landbau, für naturnahe Wälder, für den Garten als Lebensraum und für die Bürgerenergie von der Landefachgeschäftsstelle aus koordiniert.

Heute arbeiten fast 40 Mitarbeiter*innen in der Landesfachgeschäftsstelle Nürnberg.

Für Rückfragen:
Stefan Schäffer, Referent der Landes- und Ehrenvorsitzenden
Tel.: 0911-81878-10,  Mail: buero.landesvorsitzender@bund-naturschutz.de