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Tiere und Pflanzen

Wie sich die "Gorlebenbrüder" für das Steinachtal einsetzten

Im Interview: Tom Konopka, Jahrgang 1960, ist Diplom-Biologe und arbeitet seit 1990 hauptamtlich beim BUND Naturschutz. Als Regionalreferent betreut und unterstützt er die BN-Kreisgruppen in Mittel- und Oberfranken. Er ist in Stadtsteinach geboren und aufgewachsen und hat die Auseinandersetzung um das Steinachtal als Jugendlicher miterlebt.

Redaktion: Tom, Du hast uns erzählt, dass der Kampf für die Erhaltung des Steinachtals Dein Einstieg in die aktive Naturschutzarbeit war. Wie hast Du davon erfahren, und wie ging es dann weiter?

Tom Konopka: Meine Eltern hatten die Frankenpost abonniert, und da gab es einen kurzen Bericht. Und "Stanich" war und ist eine kleine Kleinstadt, da spricht sich sowas schnell rum. Ein „Einstieg in die Naturschutzarbeit“ war es aber noch nicht wirklich ...

Du warst damals, wenn ich richtig rechne, 13 Jahre alt. Normalerweise haben pubertierende Jungs in diesem Alter ja andere Sorgen und Interessen. Warum lag Dir das Steinachtal so am Herzen? Gab es noch andere in Deiner Altersgruppe, die das interessiert hat?

Das Steinachtal war mein Streifgebiet als Jugendlicher, meine Freundinnen und Freunde und ich badeten dort im Fluss, mit der Familie machten wir Sonntagsausflüge zur Waldschänke und auf die Burgruine Nordeck. Die Nachricht, dass die Straße ausgebaut werden soll, war für uns wie ein Schock.

Was hast Du damals unternommen, um das Tal vor dem Straßenbau zu schützen? Und wie ging es danach weiter?

Zunächst blieb ich inaktiv, weil unerfahren und uninformiert. Die Planungen verzögerten sich ja auch.

Du hast erzählt, Du bist in dieser Zeit einigen Personen begegnet, die für Dein Denken und Deine Entwicklung wichtig waren. Wer waren diese Personen, und wie haben sie Dich beeinflusst?

Meine Mutter kam ursprünglich aus einem kleinen Dorf in Tschechien. Sie hatte eine sehr enge Beziehung zur Natur und hat mir vieles beigebracht. Schon damals wusste ich, dass Steinkrebse im Bach oder Feuersalamander nicht mehr selbstverständlich sind. Und mein damaliger Volksschullehrer Günter Hess, er war im BN aktiv, hatte meine Begeisterung für die Natur sehr gefördert. Aber es war auch der ganze politische Aufbruch der 1970er-Jahre, der mich und meine Freund*innen prägte. Plötzlich war die Natur etwas Bedrohtes, das man retten musste.

Oft macht man bei solchen Auseinandersetzungen ja auch die Erfahrung, dass man nicht allein steht mit seinen Vorstellungen, sondern dass sich um die Aktiven der ersten Stunde bald Gleichgesinnte scharen. Wie hat sich das entwickelt?

Alle Freund*innen, meine beiden Brüder und ich entwickelten sich „dorfuntypisch“. Wir rebellierten gegen alles, ließen uns die Haare wachsen und gerieten in die Anti-Atomkraft-Bewegung. Im Ort wurden wir dann nur noch als „Gorlebenbrüder“ tituliert. Für uns war das eher eine Ehrenbezeichnung. Die Dorfpolizei schikanierte uns, das förderte unser kritisches Denken umso mehr.

In diesem Zusammenhang ist auch Freiherr Enoch zu Guttenberg zu nennen, dessen Stammsitz sozusagen im Nachbartal liegt und der 1975 zu einem Mitbegründer des BUND wurde. Er hat den Widerstand gegen den Straßenbau ebenfalls unterstützt. Wie hast Du ihn erlebt, was war seine Rolle in der Auseinandersetzung?

Wir hatten als Jugendliche ein zwiespältiges Verhältnis zu ihm. Meine Mutter und eine Tante hatten nach 1945 im Schloss Guttenberg gearbeitet und waren für die dortige Aufnahme lebenslang dankbar. Wir Jugendliche sahen ihn sehr kritisch, denn Enoch zu Guttenberg war halt auch ein Abkömmling von Feudalherren, Großgrundbesitzer, sein Vater ein „großes Tier“ in der CSU. Da ging sein Einsatz für den Naturschutz bei uns eher unter. Aber dass er sich zum Beispiel gegen weitere Steinbrüche im Frankenwald einsetzte, fanden wir schon gut. Es irritierte unsere Haltung. Dass er den Straßenbau im Steinachtal aktiv verhindern wollte, habe ich erst Jahrzehnte später im Archiv des BN-Landesverbandes herausgefunden.

Der Ausbau der Straße schien schon gestorben, da tauchte er 1977 plötzlich wieder aus der Versenkung auf, und zwar auf ziemlich kuriose Weise …

Ja, es gibt Zeitungsberichte vom Mai 1977, wonach in einer Stadtratssitzung der damalige Sägewerksbesitzer und Kreisrat Hermann Thor (CSU) außerhalb jeglicher Tagesordnung einen Antrag stellte, die Planungen wieder aufzunehmen. Er wäre der größte Nutznießer des Ausbaus gewesen, weil seine Langholz-LKW dann leichter ins Tal gekommen wären. Die Planungen waren eingeschlafen, weil nach der Gebietsreform der Landkreis Kulmbach nun zuständig war. Der Stadtrat beschloss sogar, dass ein Büro beauftragt wurde, die Planungen anzupassen, weil Thor mitteilte, er habe 90 Prozent Zuschuss des Freistaates in Aussicht. Dies dürfe man doch „nicht ungenutzt verstreichen lassen“.

Die Art der Beschlussfassung und Auftragsvergabe mutet aus heutiger Sicht ziemlich befremdlich an: Ohne Ankündigung, ohne Beschlussvorlage und unter dem Tagesordnungspunkt "Sonstiges", auf Wunsch eines einzelnen Zuhörers. Das klingt anrüchig, wenn nicht gar rechtswidrig: Die Spezln spielen sich gegenseitig die Bälle zu. War das damals einfach so, oder wurde das auch damals schon als anstößig empfunden?

Wir kriegten das bei der Straßenplanung nicht so mit, aber unsere Haltung zu den immer in der Mehrheit agierenden CSU-Stadträt*innen war sowieso sehr ablehnend. Da hatten der Steinbruchbesitzer, die Gastronomen, die Lederwarengeschäftsfrau und ähnliche Leute das Sagen und wir empfanden es immer als deren gemeinsames Streben, sich privat zu versorgen.

Was habt Ihr, die Naturschützer und Aktiven, damals gegen den bereits eingeleiteten Ausbau unternommen?

Erst als ich 17 war, habe ich festgestellt, dass an Felsen plötzlich Bohrlöcher auftauchten, und das alarmierte mich und Freunde. Ich machte dann Fotos davon und sprach mit allen möglichen Bekannten über das aus unserer Sicht unmögliche Vorhaben. Kritische Haltungen zu solchen Planungen nahmen damals deutlich zu. Bei den sogenannten „Volkswandertagen“ trafen sich immer mehr Leute, die wandernd politisierten. Mein Vater war da auch dabei. Und natürlich Günter Hess und seine Frau Rosi, die auch Lehrerin war.

Wie kam es, dass der von einzelnen Nutznießern heißbegehrte Ausbau der Straße schließlich doch nicht stattfand, trotz 90-Prozent-Bezuschussung? Wer oder was hat den Ausschlag gegeben?

Die öffentliche Wahrnehmung des neuen Naturparks Frankenwald nahm zu und mit ihr die Debatte, ob man das schönste und am wenigsten verbaute Tal opfern dürfe. Letztlich war es wohl auch ein Streit zwischen den Kommunen Presseck und Stadtsteinach, die sich nicht über die Finanzierung der Eigenanteile einigen konnten, dass das Projekt starb. Ohne Proteste wäre das nicht passiert.

Fast zeitgleich zur Auseinandersetzung um das Steinachtal fand in und um Stadtsteinach auch der Kampf gegen eine von Motorsportfans geplante, ganzjährig betriebene Rennstrecke am Stadtrand statt. Warst Du daran auch beteiligt, und waren die Initiativen, die diese beiden Vorhaben bekämpften, untereinander verflochten, oder waren das zwei weitgehend getrennte Themen?

Bis wir richtig merkten, dass da noch so eine irrsinnige Planung im Hintergrund lief, verging etliche Zeit. Zum Glück hatte sich unter den älteren Naturschützer*innen eine Bürgerinitiative gegründet. Da waren wir Freund*innen aber schon auf dem Absprung in Studium und Ausbildung.

Seit 1990 bist Du hauptamtlich beim BN. Als Regionalreferent hast Du unzählige Konflikte um die drohende Zerstörung wertvoller Landschaften und Lebensräume begleitet, unterstützt und mitbestritten. Auf unserer Liste der bayerischen Naturschutzerfolge steht bei einer großen Zahl von Einträgen in Mittel- und Oberfranken Dein Name – aber sicher gab es auch viele bittere Niederlagen. Was sind im Rückblick die größten Erfolge, auf die Du stolz bist, und was die schmerzlichsten Niederlagen?

Als Mitarbeiter des BN habe ich vor allem Ehrenamtliche unterstützt, die die Arbeit vor Ort machten und Gesicht zeigten. Insofern ist mein Beitrag zu den BN-Erfolgen nur ein bescheidener, vielleicht bei strategischer Beratung und bei der Pressearbeit. Mitwirken durfte ich bei letztlich erfolgreichen Kämpfen um die Fichtelgebirgsautobahn, den geplanten Flughafenneubau in Hof und den in Coburg, auch so manches Gewerbegebiet konnten wir verhindern wie im Hauptsmoorwald bei Bamberg oder im Nürnberger Reichswald. Über Niederlagen sprechen wir besser nicht, die sieht man beim Reisen durch Nordbayern als hässliche „Gewerberümpel“ und Straßenschneisen schon genug.

Gibt es, außer dem heimatlichen Steinachtal, eine Landschaft, die Dir im Laufe der Jahre besonders ans Herz gewachsen ist?

Zu den Sandgebieten um Nürnberg habe ich eine große Sympathie entwickelt und ich verbringe viele glückliche Stunden im Naturschutzgebiet Tennenloher Forst, einem Kerngebiet der SandAchse Franken.

Du hast im Laufe der Jahre eine umfangreiche Sammlung innovativer Aktionsformen, Methoden und Veranstaltungskonzepte zusammengetragen, etliche davon auch selbst entwickelt. Welche Rolle spielen nach Deiner Einschätzung innovative Ideen für die Durchsetzung von Naturschutzzielen?

Unsere Gesellschaft wird zunehmend von Hypes getrieben. Da reicht es nicht, Positionspapiere zu beschließen. Wir müssen Emotionen wecken und mit Bildbotschaften in den Medien unsere Themen setzen, zunehmend auch mit Filmen und spektakulären Aktionen. Da wir aber nicht wie Greenpeace Tausende Euro für eine Aktion ausgeben können, kommt es darauf an, eher witzig und mit einfachen Mitteln zu arbeiten und vor allem Menschen zu präsentieren, die glaubhaft für ihre Landschaft einstehen. Das gelingt uns immer wieder ganz gut.

Wenn Du nun heute, bald 50 Jahre nach Deinem aktiven Einstieg in den Naturschutz, durch das Steinachtal wanderst, mit welchen Gefühlen tust Du das?

Ich freue mich, dass es eines der wenigen Täler Nordbayerns ohne Asphaltstraße ist, dass die Bauern die Wiesen immer noch bewirtschaften und der Feuersalamander bei Regen rauskommt. Und ich bin all denen unendlich dankbar, die viel mehr als ich dazu beigetragen haben, dass es gerettet wurde.