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Erhaltung des Saaletals statt Bockletspeicher
Seit den 1960er-Jahren spukte immer wieder die Idee von einem "Bockletspeicher" durch Köpfe und Planungen. Gemeint war damit ein rund 9 Kilometer langer und 130 Hektar großen Speichersee am oberen Ortsrand von Bad Bocklet. Dadurch hätte nicht nur der “schönste Kurpark Frankens” erheblich an Attraktivität einbüßen müssen, auch für die Bockleter Heilquellen gingen von der Aufstauung schwer einschätzbare Gefahren aus.

In weitem Bogen umfließt die Fränkische Saale den Kurort Bad Bocklet, ruhig und friedlich. Doch das Flüsschen kann auch anders: Bei Hochwasser setzt es nicht nur den weiten Talgrund samt dem Kurgarten unter Wasser, sondern auch viele Gebäude. Ähnlich ergeht es dem wenige Kilometer talabwärts gelegenen Heilbad Kissingen.
Seit die Saale in den 1920er-Jahren begradigt wurde, um die Flößerei zu fördern, sind die Hochwässer schlimmer geworden. Deshalb spukt seit den 1960er-Jahren immer wieder die Idee von einer "Hochwasserfreilegung Bad Kissingen" samt einem "Bockletspeicher" durch Köpfe und Planungen. Gemeint war damit ein rund 9 km langer und 130 Hektar großen Speichersee am oberen Ortsrand von Bad Bocklet, der zugleich auch die Marktgemeinde schützen sollte.
Das Märchen von einem Freizeit- und Badesee
Um den gutgläubigen Eingeborenen die Sache schmackhaft zu machen, wurde das Projekt in den 1970er Jahren zu einem Freizeit- und Badesee hochgejubelt. Eine grobe und vorsätzliche Irreführung: In Wirklichkeit sind solche Speicherseen immer von einem breiten, hässlichen Schlammkragen umgeben, der es ziemlich unattraktiv macht, dort zu baden oder unnötig Zeit zu verbringen.
Denn um plötzlich auftretende Hochwässer aufnehmen zu können, dürfen sie ja wenig Wasser enthalten: Wären sie voll, wären sie für den Hochwasserschutz nutzlos. Zudem würde der "Bockleter See" durch die von Saale mitgeführten Nährstoffe derart übersättigt, dass er fast jeden Sommer eine Algenblüte erlebte und sich in eine stinkende Brühe verwandelte.
Auch die Aussicht auf eine 13,5 Meter hohe und gut zweihundert Meter lange Staumauer direkt am oberen Ortsrand schien den meisten Bockletern nicht verlockend. Als es 1979 wieder einmal mit einem Raumordnungsverfahren ernst wurde, gründete sich daher die "Aktionsgemeinschaft zur Rettung und Erhaltung des Saaletals" (ARES), tatkräftig unterstützt vom BN.
Auch die Kreisgruppe Bad Kissingen schaltete sich mit Stellungnahmen und Wortmeldungen in die Debatte ein. Gemeinsam mit der ARES protestierte sie vehement gegen die Pläne, die die Talauen zwischen der kleinen Marktgemeinde und Bad Kissingen zerstört und möglicherweise die Bad Kissinger Heilquellen beeinträchtigt hätten.

Im September 1979 erbracht eine vom Marktgemeinderat Bad Bocklet organisierte geheime Bürgerbefragung ein klares Nein hatte: Zwei Drittel, nämlich 672 Wahlberechtigte stimmten gegen den Speichersee, nur 334 dafür. Trotzdem votierte der Marktgemeinderat nur eine Woche später mit 9:8 Stimmen für den Speicher, sodass er zunächst weiterverfolgt wurde.
Dabei hatten die Gegner gute Argumente. Nicht nur, dass der "schönste Kurpark Frankens" durch in Sichtweite liegende eine Staumauer erheblich an Attraktivität einbüßen würde, auch für die Bockleter Heilquellen gingen von der Aufstauung schwer einschätzbare Gefahren aus.
In den Orten an dem zeitweise übel riechenden Stausee hätten die Häuser mit Sicherheit an Wert verloren, von möglichen Schäden an Gebäuden und Fluren durch den veränderten Grundwasserspiegel gar nicht zu reden. Aus ökologischer Sicht wäre die Aufstauung der bislang frei fließenden Saale und die Überflutung ihrer Aue ein beträchtlicher Schaden. Der Nutzen für den Hochwasserschutz für Bad Bocklet und Bad Kissingen hingegen war längst nicht so eindeutig.
Ein Zombiethema kehrt – nicht mehr wieder
Nach einer heftigen Kontroverse verfügte der damalige bayerische Innenminister Gerold Tandler 1981 die Einstellung der Planungen – wie durchsickerte, gegen den Willen der nachgeordneten Behörden. Schon in einer Landtagsfragestunde Ende Oktober 1980 hatte er erklärt, der Freistaat Bayern werde nur dann Millionen in den Bau eines Speichersees investieren, "wenn alle Beteiligten daran interessiert sind".
Doch wie ein Zombie tauchte das Vorhaben in den Folgejahren immer wieder auf – im Grunde nach jedem größeren Hochwasser. So wurden in den neunziger Jahren im Rahmen von Hochwasserschutzplanungen Polder, Rückhaltebecken und zeitweise auch Stausee-ähnliche Varianten diskutiert – wurden aber stets wegen ökologischer, finanzieller und sozialer Bedenken verworfen.
Noch 2007 wird der Bockletspeicher in einer Präsentation des Wasserwirtschaftsamt Bad Kissingen detailliert untersucht – allerdings mit negativem Ergebnis: Die Investition wird darin als ökonomisch unrentabel verworfen; die Schäden durch die Hochwässer lägen bei einem verschwindenden Bruchteil der Baukosten.
In den 2010er Jahren erfolgte endlich der Schwenk: Das Wasserwirtschaftsamt setzt endlich, wie von Umweltschützern gefordert, auf dezentralen, naturverträglichen Hochwasserschutz, etwa auf die Renaturierung von Gewässerläufen, auf die Wiederherstellung von Flussschleifen und auf das Bereitstellen lokaler Rückhalteflächen gemäß dem alten Grundsatz "Breitwasser statt Hochwasser".
So wurden von Herbst 2018 bis 2020 mehrere Maßnahmen im Bereich des Kurparks umgesetzt, darunter die Öffnung der Flussufer, die Anpassung von Sohlschwellen und die Wiederbelebung von Altarmen. Heute ist der Zombie Bockletspeicher, so scheint es, gebannt.
Den Kurpark erleben – und vergleichen
Wer sich selbst ein Bild möchte, ob Bad Bocklet tatsächlich den schönsten Kurpark Frankens besitzt und wie eine 13,5 Meter hohe Staumauer dort hineingepasst hätte, betritt den gärtnerisch angelegten und von Kuranlagen umrahmten Park am besten ganz traditionell von der Kurhausstraße her. Nachdem wir ihn gemessenen Schritts durchwandelt haben, verlassen wir ihn in südlicher Richtung in den romantischen Kurgarten, durch den wir im Uhrzeigersinn, also zunächst nach links, gehen.
So erreichen wir die Saale und folgen ihr flussaufwärts auf der Dr.-Gengler-Promenade bis zur Aschacher Straße. Auf der gegenüberliegenden Seite, nur etwa 150 Meter saaleaufwärts, wäre nach den damaligen Plänen der Staudamm errichtet worden. Von dort führt unser Weg in den Kurpark zurück.
Wer nach dem kurzen Spaziergang durch Kurpark und Kurgarten noch Lust auf mehr hat, findet auf der Website der Marktgemeinde mehrere Wandervorschläge unterschiedlicher Länge. Oder sie fährt (oder wandert) die neun Kilometer nach Bad Kissingen und erkundet zum Vergleich die Schönheit des dortigen Kurparks, dem die damaligen wasserbaulichen Pläne ebenfalls schlecht bekommen wären.