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CO2-Emissionen beim Straßenbau deutlich höher als angenommen

Die Angaben der CO2-Emissionen für Fernstraßenprojekte im Bundesverkehrswegeplan sind schöngerechnet. Ein vom BUND Naturschutz (BN) beauftragtes Gutachten weist eklatante Versäumnisse und methodische Fehler nach. Der BN fordert Nachberechnung, um tatsächliche Emissionen zu ermitteln sowie Moratorium sämtlicher bayerischer Straßenbauprojekte.

09.02.2023

Zusätzlicher Straßenbau in Deutschland und Bayern würde sich auf die ohnehin sehr schlechte Klimabilanz des Verkehrssektors noch stärker negativ auswirken als bisher angenommen. Das zeigt ein Gutachten, welches der BN bei der renommierten Fachagentur für Stadt- und Verkehrsplanung RegioConsult in Marburg in Auftrag gegeben hat. RegioConsult hat exemplarisch vier Straßenbauprojekte in Bayern untersucht (B26n bei Würzburg, B13 Ortsumfahrung Merkendorf, B16 Ortsumfahrung Ichenhausen/Kötz, B12 Kempten-Buchloe). Demnach werden im Bundesverkehrswegeplan (BVWP) systematisch deutlich zu niedrige CO2-Emmissionen angegeben; die tatsächlichen Emissionen liegen wohl um ein Vielfaches höher.

Der BN-Vorsitzende Richard Mergner erklärt: „Bundesverkehrsminister Dr. Volker Wissing macht keinerlei Anstalten, die dramatisch schlechte Klimabilanz seines Ressorts in den Griff zu bekommen. Ganz im Gegenteil, er beharrt auf noch mehr und schnelleren Straßenbau. Mit Ministerpräsident Dr. Markus Söder hat er einen Bruder im Geiste, der nicht müde wird, Bayern als Autoland zu preisen. Wichtige Schienenprojekte im Freistaat werden seit Jahrzehnten von der Staatsregierung blockiert, dem Straßenbau alles andere untergeordnet. Wie das Gutachten zeigt, ist diese rückwärtsgewandte Politik sogar noch schädlicher als bisher angenommen. Wir fordern die Bayerische Staatsregierung daher auf, sämtliche Straßenbauprojekte in Bayern auf den Prüfstand zu stellen und den tatsächlichen CO2-Ausstoß zu ermitteln.“

Das Gutachten kommt zu drei Hauptergebnissen (für Details siehe Anhang):

  1. Die betriebsbedingten Emissionen, also der Ausstoß der Fahrzeuge, werden viel zu niedrig angesetzt, die verwendeten Rechenmodelle sind nicht plausibel. So wird teilweise ein niedrigerer Ausstoß angenommen, obwohl ein höheres Verkehrsaufkommen prognostiziert wird.
  2. Die baubedingten Emissionen sind zu niedrig angesetzt, also der Ausstoß, der durch die Baumaterialien anfällt (graue Energie). So wurden teilweise Brücken nicht mit aufgeführt. Zudem werden die Baumaterialien klimafreundlicher dargestellt als sie es sind.
  3. Die anlagenbedingten Emissionen, also das CO2, welches durch den Verlust von Kohlenstoffsenken (Wälder, Moore, Böden) anfällt, wird nur zu einem extrem geringen Teil berücksichtigt.

„Insbesondere die anlagenbedingten Emissionen haben einen nicht unerheblichen Anteil an der CO2-Bilanz einer Straße. Dass diese im Bundesverkehrswegeplan unzureichend berücksichtigt werden, hat uns schon sehr überrascht. Das ist alles andere als seriös“, so Dr. Ralf Hoppe von RegioConsult.

Das Gutachten zeigt außerdem, dass die Klimakosten bei den Straßenbauprojekten im BVWP massiv unterbewertet sind. So werden beispielsweise die betriebsbedingten CO2-Emissionen zu niedrig angesetzt. Die bau- und anlagebedingten Kosten fließen in die Klimakosten nur unvollständig ein. Das beeinflusst den sogenannten Nutzen-Kosten-Faktor, der bei jedem Straßenbauprojekt errechnet wird und letztlich über die Umsetzung entscheidet. Durch die vermeintlich niedrigeren Klimakosten verschiebt sich der Faktor so zu Gunsten des Nutzens; Straßenbauprojekte können dann leichter genehmigt werden.
 
Werner Reh, Arbeitskreissprecher des BN-Bundesverbandes BUND betont: „Das Ziel, die CO2-Emissionen im Verkehrssektor bis 2030 um knapp 50 Prozent zu reduzieren, ist mit der derzeitigen Verkehrspolitik in Berlin und speziell auch in Bayern nicht zu erreichen. Die Emissionen durch weiteren Straßenaus- und neubau erhöhen jedes Jahr das Treibhausgasbudget zusätzlich. Die Investitionen des Bundesverkehrswegeplanes müssen deshalb bei der laufenden Bedarfsplanüberprüfung neu priorisiert und auf den Erhalt der Brücken und Straßen sowie auf umweltfreundliche Schienenprojekte konzentriert werden!“

In Bayern sollen bis 2030 für 155 Fernstraßenprojekte (alte Projekt des BVWP 2003 und vordringliche Projekte des BVWP 2030) 12,4 Milliarden Euro ausgegeben werden. Nach den offiziellen Berechnungen im BVWP 2030 bedeuten allein die 127 vordringlichen Projekte den Aus- und Neubau von 900 Kilometern Fernstraßen und den Verbrauch von über 2.000 Hektar Fläche. 44 Natura-2000-Gebiete würden „erheblich beeinträchtigt“. „Dieses maximale Straßenbauprogramm ist weder finanzierbar noch klima- und naturverträglich. Wenn es tatsächlich so umgesetzt wird, wäre das ein absolutes Desaster für Mensch, Natur und Klima“, so Mergner abschließend.