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Müllverbrennungsanlage Eschenlohe: Einsatz gegen einen „Schandpfahl“

In den 1970er Jahren soll nach dem Willen des damaligen Landrats, unterstützt vom Minister für Umweltfragen, am Rand des Murnauer Mooses eine Müllverbrennungsanlage gebaut werden. Kritiker sprechen wegen des hohen Kamins von einem  „Schandpfahl“, der BUND Naturschutz protestiert aufs Schärfste gegen das Projekt und das Vorgehen der Befürworter. Mit Erfolg: Die Anlage wird nicht gebaut, das Murnauer Moos bei Eschenlohe bleibt erhalten.

Der Garmisch-Partenkirchner Landrat Wilhelm Nau (CSU) zeigt sich am 30. August 1971 zuversichtlich: „Mit den Bauarbeiten (...) wird in aller Kürze begonnen“, teilt er dem Bayerischen Ministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen mit. Da täuscht sich der Kommunalpolitiker. Mit den Bauarbeiten für eine Müllverbrennungsanlage (MVA) an der Bundesstraße 2 bei Eschenlohe wird nie begonnen. Das Projekt – Kritiker sprechen wegen des hohen Kamins von einem  „Schandpfahl“ – scheitert. 

Die Geschichte der MVA ist bisher nicht erforscht. Der Autor zog für diesen Beitrag vor allem Bestände des Bayerischen Hauptstaatsarchivs heran sowie in geringerem Umfang Unterlagen, die sich im Staatsarchiv München und im Marktarchiv Murnau befinden. Zudem wertete er Ausgaben des Garmisch-Partenkirchner Tagblatts aus.

Die Ausgangslage

Das Problem mit der Müllbeseitigung besteht im Landkreis Garmisch-Partenkirchen, der 1970 insgesamt 16 Gemeinden und rund 64 000 Einwohner zählt, schon seit dem Ende der 1950er Jahre. Eine gemeinsame Lösung mit benachbarten Landkreisen klappt nicht. Eine Deponie in Spatzenhausen lehnen die Regierung und alle Fachstellen aus wasserwirtschaftlichen Gründen ab. Mülltransporte in eine entferntere Gegend kommen nicht in Betracht. Der Status Quo ist Anfang der 1970er Jahre, dass jeder Ort seine eigene Müllkippe hat. Die Müllbeseitigung „vollzieht sich auf fünfundzwanzig Tag und Nacht in Augenhöhe rauchenden und stinkenden Halden, die das Landschaftsbild erheblich stören und unser Erholungsgebiet entwerten. Ratten und Krähen, bekannt als Überträger von Krankheitskeimen, nehmen überhand. Das Grundwasser wird verseucht.“ So beschreibt Nau 1973 die Lage, um für die MVA in Eschenlohe zu werben.

Bereits 1971 beschließt der Kreistag dieses Projekt. Voraussetzung ist, dass „mit den Firmen Koppers-Wistra in Düsseldorf, Jakob Altvater & Co. in Bad Wurzach und der Gemeinde Eschenlohe annehmbare Vertragsbedingungen ausgehandelt werden können“. Die Anlage soll auch Randgemeinden der angrenzenden Landkreise zur Verfügung stehen. 
Mit Erlass des Abfallbeseitigungsgesetzes vom Juni 1972 wurde die erste bundeseinheitliche Regelung auf diesem Gebiet geschaffen. „Dieses Gesetz schrieb vor, dass eine Beseitigung von Abfällen nur in besonders zugelassenen Abfallbeseitigungsanlagen behandelt werden durfte. Für die Beseitigung von Hausmüll war die nach Landesrecht zuständige Körperschaft zuständig (Kommune).“ In Bayern wurde die Abfallentsorgung erstmals mit dem Bayerischen Abfallgesetz vom Juni 1973 spezialgesetzlich geregelt. Darin wurden die Landkreise als beseitigungspflichtige Körperschaften bestimmt. Der Garmisch-Partenkirchner Kreistag beschloss also bereits zwei Jahre vor Inkrafttreten des Bayerischen Abfallgesetzes, eine zentrale MVA zu errichten. Möglicherweise deswegen, „weil in Kürze ohnehin eine gesetzliche Regelung zu erwarten sei“, wie es im Juni 1971 hieß.

Die Planung

Die MVA, in der man Hausmüll, Sperrmüll und Industriemüll verbrennen will, soll auf einem Industriegelände nördlich von Eschenlohe entstehen. Der Landkreis kauft dafür von der Gemeinde Eschenlohe für 250 000 D-Mark ein 10 000 Quadratmeter großes Grundstück. Zudem erwirbt er eine weitere Fläche (8000 Quadratmeter) für 160 000 D-Mark, wo Verbrennungsrückstände gelagert werden sollen. Die Firma Koppers-Wistra erstellt die Anlage nach dem System Volund, Kopenhagen. Die Bauzeit soll 18 Monate betragen. Die Kosten werden, Stand September 1971, auf insgesamt 8,2 Millionen D-Mark beziffert. Als Betreiber soll die Firma Jakob Altvater einsteigen. Der Landkreis hofft auf staatliche Zuschüsse. Es heißt, dass sich die Müllabfuhrkosten für die Haushalte etwa verdoppeln. 

Die Kommunalpolitiker gehen sogar auf Reisen: Im Juni 1971 findet auf Einladung von Koppers-Wistra eine Informationsfahrt nach Dänemark statt. Daran nimmt ein Großteil der Bürgermeister und der Kreisausschuss-Mitglieder teil. Die Gruppe besichtigt Müllverbrennungsanlagen. 

In der MVA Eschenlohe sind, wie die Lokalzeitung schreibt, nur ein, zwei Techniker erforderlich, „um von einem Steuerpult aus, das per Fernsehbild stetigen Einblick in den Verbrennungsvorgang gibt, die Anlage zu ,fahren'. Zwei Verbrennungsöfen, von denen einer pro Stunde drei Tonnen Müll schlucken kann, werden in kürzester Frist den Müll in anorganische Schlacke verwandeln, die nur noch zehn Prozent der per Fließband angelieferten Menge ausmacht. Nicht ganz hübsch dürfte nur der Kamin der Maschinerie sein, der mit seiner Höhe von 50 bis 70 Metern (!) ein neues ,Wahrzeichen' von Werdenfels wird.“  Mit einer Rauchgaswäsche sollen Abgasstoffe auf einen Bruchteil der zulässigen Werte reduziert werden. 

Träger der Anlage wird der Landkreis oder ein noch zu gründender Zweckverband. Nur dann gibt es staatliche Fördergelder.

Erfolgreicher Widerstand

Gegen diese Pläne regt sich erheblicher Widerstand. Unter den Gegners sind viele Bürger, der BUND Naturschutz, der Deutsche Naturschutzring, das Kuratorium Bad Murnau, die als „Mooshex“ bekannte Naturschützerin Ingeborg Haeckel, die das Murnauer Moos mehr als einmal gerettet hat, und der Deutsche Rat für Landespflege.

Die MVA erhält die Baugenehmigung, doch dagegen werden mehr als 80 Klagen erhoben. Es kommt zu einem Vergleich, dann wird der Standort Eschenlohe ganz fallen gelassen und stattdessen an einem anderen Standort errichtet.