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Tiere und Pflanzen

Antibiotikaeinsatz im Obstbau zur Feuerbrandbekämpfung begrenzt genehmigt

Bund Naturschutz (BN) lehnt Großversuche mit Plantomycin ab und fordert verstärkte Forschung sowie einen Entschädigungsfonds für betroffene Obstbauern

22.04.2002

In den nächsten Tagen ist mit Witterungsbedingungen zu rechnen, die den Befallsdruck für den Feuerbranderreger, ein Bakterium, das große Schäden an Obstbäumen anrichten kann, erhöhen. Die Biologische Bundesanstalt hat dafür den Einsatz von Plantomycin genehmigt, welches das Antibiotikum Streptomycin als Wirkstoff enthält. Streptomycin ist ein Reserve-Antibiotikum, das in der Humanmedizin zur Tuberkulosebekämpfung vorgesehen ist. Es kommt seit 1994 im Obstbau zum Einsatz, wurde im Jahr 2000 von der Biologischen Bundesanstalt (BBA) befristet regulär zugelassen. Im Jahr 2001 wurde die Zulassung nach Rückstandsfunden im Honig wieder ausgesetzt.

Der Bund Naturschutz spricht sich aus Gründen des vorbeugenden Verbraucherschutzes strikt gegen den Einsatz von Plantomycin aus. Der BN befürchtet, dass die im Gebiet lebende Bevölkerung auf Grund des dichten Nebeneinanders von Siedlung und Landwirtschaft durch Abdrift gefährdet ist. Durch den Antibiotikaeinsatz besteht die Gefahr, dass sich gegen Antibiotika resistente Krankheitserreger entwickeln.

Zur Eindämmung des Feuerbrands fordert der BN , dass für die Forschung an alternativen Mitteln und die Resistenzzüchtung mehr Gelder als bisher zur Verfügung gestellt werden, dass die Beratung ausgebaut wird und für die betroffenen Obstbauern ein Entschädigungsfonds eingerichtet wird, der die Kosten für die Anpflanzung resistenter Sorten zu 80% übernimmt.
Über Landschaftspflegegelder soll in gefährdeten Gebieten eine Befallskontrolle an Streuobstbeständen durchgeführt und nötigenfalls ein sachgerechter Pflegeschnitt finanziert werden. Diese Vorsorge- und Beratungsmaßnahmen dürfen an der Ländergrenze nicht halt machen.

Was ist Feuerbrand?

Feuerbrand ist eine Bakterienkrankheit (Erreger: Erwinia amylovora) an Obst- und Ziergehölzen der apfelfruchtigen Rosengewächse wie Apfel, Birne, Quitte, Feuerdorn, Mehlbeere, Eberesche, Weiß- und Rotdorn. Nicht befallen werden Stein- und Beerenobst, Wal- und Haselnüsse oder andere Laubgehölze.
Der Befall wird durch welke Blüten, Triebe und Früchte sichtbar, die Befallsstellen sind zunächst braun, dann schwarz und von dort kann sich die Krankheit auf benachbarte Triebe, Äste und den Stamm ausbreiten. Bei anfälligen Sorten sehen die Pflanzen dann wie verbrannt oder verdörrt aus.
Der Erreger überwintert in erkrankten Rindenteilen und wird im Frühjahr und Sommer mittels Regentropfen, Wind und saugenden bzw. Blüten besuchenden Insekten übertragen. Meist beginnt die Krankheit mit einer Blüteninfektion. Hohe Infektionsgefahr besteht bei schwül-warmen Witterungsperioden bei Temperaturen über 18 °C und einer relativen Luftfeuchte von mehr als 70 %.
Die Krankheit tauchte 1957 erstmals in Europa in Großbritannien auf. In Baden-Württemberg wurde erstmals 1981 ein Befall nachgewiesen. 1993 und 1994 breitete sich die Krankheit stark aus, auch im Bodenseegebiet.


Risiken des Plantomycineinsatzes

Derzeit stehen zur Bekämpfung des Feuerbrandes neben Plantomycin weitere Mittel zur Verfügung, deren Wirkungsgrad allerdings nicht so hoch wie der des Antibiotikums ist. Trotz seines hohen Wirkungsgrades, konnte mit dem Plantomycineinsatz in den Jahren 1994 bis 2000 die Ausbreitung des Feuerbrandes nicht eingedämmt werden. Bei häufiger Anwendung treten sehr rasch streptomycinresistente Feuerbranderreger auf, wie das Beispiel USA zeigt.
Streptomycin ist ein Antibiotikum, das in der Humanmedizin zur Tuberkulosebekämpfung vorgesehen ist und auch als Tierarzneimittel bei Rind, Schwein, Schaf und Geflügel zulässig ist.
Der Bund Naturschutz spricht sich auch in anderen Bereichen für ein Verbot des Antibiotikaeinsatzes aus, so z.B. für ein sofortiges Antibiotikaverbot bei Leistungsförderern in Futtermitteln im Bereich der Tierproduktion sowie für ein Verbot der Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen, die Antibiotikaresistenzgene enthalten.

Durch den Einsatz von Streptomycin können Krankheitserreger, die mit dem Antibiotikum in Berührung kommen, Resistenzen ausbilden, so dass dieses dann in der Humanmedizin und Tiermedizin seine Wirkung verliert. Im letzten Jahr wurden Rückstände im Honig gefunden, die über dem neu festgesetzten Vorsorgegrenzwert von 0,02 mg/kg lagen.

Obstbauern nicht im Regen stehen lassen

Vorbeugende Maßnahmen sind die einzig dauerhaft wirksamen Möglichkeiten den Feuerbrand zu stoppen. Nur mit der Anpflanzung robuster Obst-Sorten wird es gelingen, mittel- bis langfristig die Feuerbrandproblematik zu entschärfen. Für die betroffenen Obstbauern muss es einen Entschädigungsfonds geben, durch den die Ertragsverluste und Ausfälle hinreichend entschädigt werden und zwar bis zu 80 % , wenn sich der Obstbauer bereit erklärt, robuste Sorten zu pflanzen.
Darüber hinaus bedarf es eines Markteinführungsprogramms, um Abnehmer und Verbraucher zum Kauf solcher neuen Apfelsorten zu bewegen.
Da keineswegs nur Obstplantagen betroffen sind, müssen resistente Sorten auch für die Verwendung im Streuobstbau als Hochstämme herangezogen werden.

Verstärkte Forschung nach Alternativen

Die bayerische Staatsregierung ist gefordert, mehr Forschungsgelder für die weitere Prüfung und Neuentwicklung von Mitteln zur Vorbeugung und direkten Bekämpfung des Feuerbranderregers bereit zu stellen. Dazu zählen z.B. biotaugliche Präparate wie Ton-Erde-Produkte, kupferhaltige Mittel, resistenzinduzierende Substanzen oder antagonistische Mikroorganismen. Gegenwärtig sind durch die Biologische Bundesanstalt bereits die Pflanzenstärkungsmittel Myco-Sin und Bio-Pro zur Anwendung bei Feuerbrand empfohlen.
Auch das Bundeslandwirtschaftsministerium ist gefordert mehr als die bisher vorgesehenen 300.000 € zur Verfügung zu stellen, mit denen an der Universität Heidelberg Versuche für Alternativen zu Feuerbrandmitteln finanziert werden sollen.

Neue Pflegekonzepte

In den Befallsgebieten sind neben den Wildsträuchern auch Streuobstbäume, die nicht gepflegt werden, ein Verbreitungsfaktor für den Feuerbrand. Streuobstbestände mit Hochstämmen sind wertvolle Biotope in unserer Kulturlandschaft, die auch das Landschaftsbild entscheidend prägen. Es wäre deshalb fatal, wenn jetzt in einer überstürzten Aktion alle Streuobstbestände beseitigt würden. Die Verbreitung des Feuerbranderregers kann ebenso durch einen qualifizierten Pflegeschnitt eingedämmt werden, zumal dies aus Landschaftspflegemitteln finanziert werden könnte.
Der Bund Naturschutz regt deshalb an, in den Befallsgebieten unter Regie des Obstbaufachberaters am Landratsamt alle Streuobstbäume einer eingehenden Untersuchung auf Feuerbrandbefall zu unterziehen und einen sachgerechten Pflegeschnitt vorzunehmen. Von der Notwendigkeit dieser Maßnahmen müssen die Besitzer durch gezielte Informationen umgehend überzeugt werden, da in Befallsgebieten nur durch rasches Handeln eine weitere Ausbreitung des Feuerbrandes zu verhindern ist.
Ebenso sind die Eigentümer von Streuobstbeständen über den speziell bei Feuerbrandbefall notwendigen Rückschnitt und die unumgängliche Desinfektion der eingesetzten Werkzeuge zu informieren. Sie können dann auch selbst aktiv zur Feuerbrandbekämpfung beitragen, ohne den Erreger ungewollt weiter zu verbreiten.

Für Rückfragen:

Marion Ruppaner
Referentin für Landwirtschaft
Tel. 0911/81 87 8-20
Fax 0911/86 95 68

Isolde Miller
BN-Kreisgruppe Lindau
Tel. 08382/88 75 64
oder privat Tel. 08382/53 28



Anlage

Sachstand zum Streptomycin-Einsatz gegen Feuerbrand

Der begrenzte Einsatz von Plantomycin wurde nach Angaben des BStMLF erstmals 1994 in Süd-Westdeutschland von der Biologischen Bundesanstalt (BBA) nach starken Schäden im Kernobstanbau genehmigt. Weitere Ausnahmegenehmigungen erfolgten in den Folgejahren.

Im März 2000 ließ die BBA Plantomycin befristet für drei Jahre zu, die Zulassung war nur nach Warnaufruf des amtlichen Pflanzenschutzwarndienstes möglich. Als im Januar 2001 der Verdacht auf Überschreitungen der Höchstmengen von Rückständen in Honig aufkam, ließ die BBA die Zulassung zunächst bis 15. März 2001 ruhen und forderte Daten aus Bayern und Baden Württemberg an. Diese neueren Daten zeigten, dass unter ungünstigen Bedingungen auch bei sachgemäßer Anwendung Streptomycin in den Honig gelangt, weil viele Imker den Blütenreichtum der Bäume und blühenden Wiesen als Bienenweide nutzen. Deshalb hat die Biologische Bundesanstalt die Zulassung von Plantomycin für 2002 und 2003 ganz ruhen lassen.

Die BBA hat am 19.04.2002 den Einsatz von Plantomycin innerhalb von Großversuchen genehmigt, bei denen der Umfang der Plantomycin-Rückstände im Honig festgestellt werden soll. Die Anträge dazu hatten die Pflanzenschutzämter in Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen gestellt. Das Bayerische Landwirtschaftsministerium sieht den Einsatz in Kernobst-Intensiv-Erwerbsanlage nach erfolgten amtlichen Pflanzenschutzdienstwarnruf im Landkreis Lindau sowie im Regierungsbezirk Unterfranken vor.
Die Landwirte erhalten Plantomycin nur gegen Vorlage eines Berechtigungsscheins, der von den Landwirtschaftsämtern Lindau bzw. Würzburg ausgestellt wird.
Alle Imker, die ihre Bienen im Umkreis von 3 km zu der Behandlungsfläche stehen haben, müssen 24 Stunden vor Anwendung verständigt werden. Honig der ersten Schleuderung aus Behandlungsgebieten darf nur nach einer Rückstandsuntersuchung in den Verkehr gebracht werden; Honig mit Rückständen über 0,02 mg/kg wird aus dem Verkehr gezogen.

Laut Pressemitteilung des MLR Baden Württemberg vom 26.01.2001 wurden im Frühjahr 2000 bei Honigen aus Gebieten, in denen eine Feuerbrandbekämpfung durchgeführt wurde, folgende Werte ermittelt: Von 88 Proben bei 48 verschiedenen Imkern war in 19 Fällen Streptomycin in einer Größenordnung von über 10 Mikrogramm (=µg) pro kg Honig nachweisbar, davon in 4 Fällen über 20 bis maximal 64 µg. Der Vorsorgegrenzwert, die Höchstmenge von 20 µg pro kg Honig, die seit Juni 2000 gilt (vorher 200 µg) wurde damit überschritten.

Die Obstbaubetriebe haben deswegen auf herkömmliche Bekämpfungsmaßnahmen, nämlich die befallenen Triebe auszubrechen, zurückgegriffen. Nach Angaben des Bayerischen Landwirtschaftsministerium führt der erforderliche Rückschnitt bis 30 cm in das gesunde Holz bei den im Plantagenanbau vorherrschenden Formen Spindelbusch, Spindel und Ballerina dazu, dass die Pflanzen ihre Seitentriebe mit den Blütenknospen für das nächste Jahr vollständig verlieren und somit hohe Ertragseinbußen im laufenden und kommenden Jahr zu befürchten sind.
Bei erforderlicher Rodung und Neuanpflanzung entsteht ein Schaden von ca. 25.000 €/Hektar. Das Landwirtschaftsministerium bietet eine Notstandsbeihilfe mit dem üblichen Satz von 25 % an. Starke Feuerbrandschäden traten in 2001 vor allem bei Intensivobstanlagen in den höheren Lagen der Bodenseeregion auf.
Bei dem jetzt vom Bayerischen Landwirtschaftsministerium beantragten Großversuch mit Plantomycin werden neben den Gesundheitsgefahren und dem Imageschaden für die Landwirtschaft auch erhebliche Kosten für den Verwaltungsaufwand und erforderliche Rückstandsuntersuchungen am Honig entstehen.