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Tiere und Pflanzen

Bund Naturschutz gegen die Freisetzung gentechnisch veränderter Kartoffeln

Geplante Versuche der TU München auf Gut Roggenstein bei Olching sind nicht zu rechtfertigen

05.02.2003

Die geplanten Versuche der Technischen Universität München (TUM) zur Freisetzung gentechnisch veränderter Kartoffeln sind angesichts der potentiellen Risiken sowie der naheliegenden Alternativen für eine ausgewogene, gesunde Ernährung, nicht zu rechtfertigen, unnötig und sinnlos.

Das mit Steuergeldern finanzierte Vorhaben wird vom BN aber auch aus grundsätzlichen Erwägungen strikt abgelehnt. Es handelt sich ganz offensichtlich primär um den Versuch, die Akzeptanz der so genannten Grünen Gentechnik in der Bevölkerung zu fördern, indem ein zusätzlicher gesundheitlicher Nutzen in Aussicht gestellt wird.

Die genmanipulierten Kartoffeln sollen in den Knollen einen höheren Gehalt eines bestimmten Karotins (Zeaxanthin) anreichern, um damit Krankheiten vorzubeugen. Die TU will mit dem Versuch das notwendige Material für die weiteren Untersuchungen bereitstellen, die dann von den am Gesamtvorhaben beteiligten Firmen durchgeführt werden. Dazu gehören Lebensmittelkonzerne wie die Frosta AG, die Langnese-Iglo GmbH oder Unilever. Das Vorhaben dient somit der weiteren Etablierung von so genannten funktionellen Lebensmitteln (functional food), die eine gesundheitsfördernde Wirkung versprechen. Der Nutzen und die Auswirkungen von functional food sind jedoch nach wie vor äußerst fragwürdig und umstritten. Auch das Grundproblem des vielfach falschen Ernährungsverhaltens kann mit dem eindimensionalen Ansatz von punktuellen gentechnischen Veränderungen, die noch dazu erhebliche Risken bergen, nicht gelöst werden. Ziel muss es dagegen sein, durch verstärkte Aufklärung und die Schaffung der notwendigen politischen Rahmenbedingungen eine gesunde, ausgewogene Ernährung der Bevölkerung mit möglichst naturbelassenen Nahrungsmitteln zu erreichen. Die Gentechnik erweist sich dagegen auch in diesem Zusammenhang als Reparaturtechnolgie die nur an Symptomen herumkuriert und nicht zur Lösung der eigentlichen Ursachen beiträgt.

Als keineswegs so unbedenklich, wie in den Antragsunterlagen dargestellt, bewertet der BN die möglichen Risken des Versuchs für die Umwelt und die menschliche Gesundheit. So kann beispielsweise nicht ausgeschlossen werden, dass durch den ungezielten gentechnischen Eingriff in den komplexen Sekundärstoffwechsel der Pflanzen und dessen Regulationsprozesse, schädliche Zwischenprodukte entstehen, die u.U. nicht erkannt werden. Auch die Alkaloidsynthese, wie z.B. das toxische Solanin, könnte unbeabsichtigt und ungewollt verändert sein. Unverständlich ist jedoch vor allem, dass die Gentech-Kartoffeln auch im vorliegenden Fall eine Antibiotikaresistenz gegen Kanamycin, das in der Human- und Tiermedizin eingesetzt wird, enthalten. Bei der Transformation wurde zusätzlich sogar ein Resistenzgen gegen das Reserveantibiotikum Amikacin verwendet, das in den genmanipulierten Kartoffeln angeblich nicht mehr vorhanden ist. Die Methodik, Antibiotikaresistenzen als Marker zu verwenden, ist veraltet und birgt erhebliche Risiken durch die mögliche Übertragung der Resistenzen auf Krankheitserreger. Nach geltendem EU-Recht ist deshalb die kommerzielle Nutzung von gentechnisch veränderten Organismen mit Antibiotikaresistenzen ab 2005, bzw. für Versuchszwecke ab 2009 verboten. Angesichts dessen überrascht es sehr, dass eine öffentlich geförderte wissenschaftliche Einrichtung nicht von sich aus bereits jetzt die neuesten Techniken anwendet, um nur die absolut notwendigen und erwünschten Gene zu übertragen.

Der beantragte Versuch der TUM zielt letztendlich auf einen späteren kommerziellen Anbau der genmanipulierten Kartoffeln ab. Der BN kritisiert daher auch, dass eine großflächige Ausbringung von gentechnisch veränderten Pflanzen (GVP) grundsätzlich im Widerspruch steht zum erklärten Ziel der Bundesregierung, im Rahmen der Agrarwende flächendeckend eine nachhaltige, natur- und umweltverträgliche Landwirtschaft zu etablieren sowie den ökologischen Landbau verstärkt zu fördern. Die zahlreichen direkten und indirekten Risiken, die der Anbau von GVP für Natur, Umwelt und die menschliche Gesundheit zur Folge haben kann, sind bisher keineswegs widerlegt und nicht ausreichend erforscht. Weiterhin sind durch den Einsatz genmanipulierter Pflanzen nachteilige, sekundäre Auswirkungen für die landwirtschaftliche Praxis vorprogrammiert und insbesondere der Öko-Landbau existentiell bedroht. Die aktuellen Gesetzgebungsverfahren auf EU-Ebene, beispielsweise zur Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit von gentechnisch veränderten Organismen und daraus hergestellten Produkten, sind noch nicht abgeschlossen. Heftig diskutiert und nicht abschließend geregelt sind dabei die besonders kritischen Aspekte, wie z.B. die Schwellenwerte oder die Haftung bei gentechnischen Verunreinigungen. Auch hinsichtlich der Koexistenz-Problematik, gibt es bisher keine Lösungsansätze, sondern es zeigt sich immer mehr, dass das Nebeneinander einer Landwirtschaft mit und ohne Gentechnik in der Praxis kaum möglich ist.

Die Ignorierung von Bedenken gegen das Vorhaben und die Sorglosigkeit mit der die Antragstellerin den Freisetzungsversuch betreibt, zeigt sich auch darin, dass in der amtlichen Bekanntmachung als Freisetzungsstandort die Gemeinde Emmering angegeben ist. Das genannte Flurstück befindet sich jedoch in der Gemeinde Olching, was an der Zuverlässigkeit der Antragstellerin zweifeln lässt. Es liegt somit ein erheblicher formaler Verfahrensfehler vor, der eine Wiederholung des Beteiligungsverfahrens notwendig macht. Dies ist nach Ansicht des BN zwangsläufig schon allein deshalb erforderlich, weil die Öffentlichkeit getäuscht und möglicherweise direkt betroffene Bürgerinnen und Bürger, insbesondere in der Gemeinde Olching, nicht richtig informiert wurden.

gez. Kurt Schmid
Regionalreferent