Seminar „Artenvielfalt und Weltnaturerbe“
Die Befürworter eines großen Staatswaldschutzgebietes im nördlichen Steigerwald wollen gemeinsam mit dem Verein „Unser Steigerwald“, der einen Nationalpark ablehnt, die Fachdiskussion um die Zukunft der Region führen. Dies ist das Ergebnis der vierten Fachkonferenz in Ebrach zum Thema Naturerbe Buchenwälder mit 100 Teilnehmern aus ganz Deutschland. In der abschließenden Podiumsdiskussion betonten der Bamberger Landrat Dr. Günther Denzler, der BN-Vorsitzende Prof. Dr. Hubert Weiger und Bürgermeister Oskar Ebert, stellvertretender Vorsitzenderdes Vereins „Unser Steigerwald“, die Notwendigkeit, „den Blick noch Vorne zu richten“ und wollen sich bei Achtung der unterschiedlichen Positionen für eine bessere Gesprächskultur einsetzen. Für Hubert Weiger wird ein zukünftiger Nationalpark Steigewald Thema im Landtagswahlkampf 2013 werden. Landrat Denzler verwies auf den Auftrag im Kreistagsbeschluss des Landkreises Bamberg, die Voraussetzungen für die Ausweisung als Weltnaturerbe zu schaffen, was ein großes Waldschutzgebiet mit eigener Verwaltung erfordere. Bürgermeister Ebert unterstrich seine Position, dass bei einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung Schutzgebiete unnötig seien.
Bei goldenem Sonnenschein führte der ehemalige Forstbeamte Hartmut Strunz schon am Freitag 40 Teilnehmer ins Naturwaldreservat Waldhaus bei Ebrach. Hier darf die Natur seit einigen Jahrzehnten wieder walten, wie sie möchte. Das Ergebnis überzeugt: dies ist eines der Gebiete, die 2007 den Nördlichen Steigerwald bei der Bewertung deutscher Waldgebiete für das Weltnaturerbe in die vordersten Ränge brachten.
Eine Vielzahl kleinster Lebensräume, wie abstehende Rinde, Baumhöhlen oder Totholz, ist wichtig zum Erhalt des gesamten Spektrums heimischer Waldarten. Je älter ein Wald ist und je geringer er bewirtschaftet wird, desto mehr dieser Strukturen sind vorhanden und umso größer ist seine Artenvielfalt. Dies ergaben Untersuchungen der Forstwissenschaftlerin Dr. Susanne Winter von der Technischen Universität in München. „Unbewirtschaftete Wälder sind mindestens genauso wichtig, wie die naturnahe Nutzung der Wirtschaftswälder.“ Ein großflächiges nutzungsfreies Schutzgebiet wäre ganz im Sinne der Bechsteinfledermaus, die alle 2-3 Tage ihr Wochenstubenquartier wechselt und auf ein ausreichendes Höhlenangebot angewiesen ist. Eng an alte Laubwälder gebunden, gilt sie als „Urwaldfledermaus“ unter den 15 hier lebenden Arten, so der aus dem Steigerwald stammende Fledermausforscher Georg Schlapp.
Über die vielfältigen Aufgaben der Pilze im Naturkreislauf berichtete Dr. Christoph Hahn, Präsident der Bayerischen Mykologischen Gesellschaft. Fast alle Pflanzen leben in Gemeinschaft mit Pilzen, die für eine verbesserte Wasser- und Nährstoffaufnahme sorgen und im Gegenzug Zucker erhalten. Einige Pilzarten, wie der Austernseitling, jagen kleine Lebewesen um ihren Eiweiß-Haushalt aufzubessern, wieder andere beteiligen sich an der Umsetzung von Holz zu fruchtbarem Humus. Das faszinierende Reich der Pilze ist noch weitgehend unerforscht.
Anhand der jeweiligen Anzahl brütender Waldvogelarten verdeutlichte Dr. Georg Sperber den Unterschied zwischen Wirtschaftswald und unbewirtschafteten Naturwaldreservaten. „Der liebe Gott zeigt im Naturwaldreservat, was Champions League ist. Wir können uns das nicht überall leisten, aber in den besten Gebieten.“ Deutschland könnte sich diesen Artenschutz leisten, denn es ist ein Holz-Exportland.
Sorge bereitete den Fachleuten der zunehmende Nutzungsdruck auf die Wälder, der Holzeinschlag soll stark erhöht werden. Norbert Panek, Buchenwaldexperte aus Hessen: „Der deutsche Wald ist ein intensiv und zunehmend maschinell genutzter Wald. 15- 25 % der Waldbodenfläche sind durch Holzerntemaschinen-freundliche Rückegassen zerstört.“ Die 5 % nutzungsfreie Waldfläche, die in der „Nationalen Strategie zum Erhalt der Biologischen Vielfalt“ angestrebt ist, macht sich dagegen klein aus -momentan sind es noch weniger als 2%. Zur Diskussion, ob Deutschland großflächige Schutzgebiete braucht, oder kleine flächig verteilte ausreichen, war man sich einig: „Kein „Entweder oder“ sondern ein „Sowohl aus auch“. Nur in großflächigen Waldgebieten kann der Wald sich an Veränderungen anpassen und späteren Generationen als Lernfläche für die Waldbewirtschaftung dienen. Außerdem können einige Waldarten nur unter diesen Bedingungen dauerhaft stabile Populationen ausbilden.
Prof. Dr. Hans Knapp, Leiter der der Außenstellen des Bundesamtes für Naturschutz auf der Insel Vilm, engagierte sich sehr für die fünf deutschen Buchenwaldgebiete, die 2011 von der UNESCO als Weltnaturerbestätten anerkannt wurden. Der Nördliche Steigerwald hatte übrigens eine bessere Bewertung, als ein Teil der stolzen Gewinner – allein das Schutzgebiet mit eigenem Management fehlte, zum Beispiel in Form eines Nationalparks. In den jetzt weltweit geadelten Regionen hat die Ausweisung neue Impulse gebracht. Sie wurden an die Serie europäischer Buchenwälder angehängt, die bisher aus ukrainischen und slowakischen Wäldern der Karpaten bestand. Für die Nachmeldung weiterer deutscher Buchenwälder gilt es nun, einen Mehrwert für diese Serie vorhandener Weltnaturerbestätten zu beweisen. Dies könnte im Steigerwald zum Beispiel über die andere und sehr vielfältige Bodenart gelingen. Keinesfalls ausreichen würde das Ebracher Trittsteinkonzept „Schützen Nützen“. Dr. Günter Denzler, Landrat des Landkreises Bamberg, blickt vorwärts: „Wir sollten jetzt weiter gehen und das Ziel Weltnaturerbe nicht aus den Augen verlieren.“ Eines ist klar: ohne ein größeres Schutzgebiet kein Weltnaturerbe - deshalb soll das vom Kreistag angestrebte Schutzgebiet voran getrieben werden. Die Wähler im Landkreis sieht der Landrat hinter sich stehen. „Wer keinen Mut zum träumen hat, hat keine Kraft zu kämpfen.“
Auf die wirtschaftliche Bedeutung von Schutzgebieten mit der Prädikatsauszeichnung „Nationalpark“ ging Professor Hubert Weiger ein. 30 Nationalparkregionen liegen innerhalb der ersten 50 Plätze in einem Ranking der Gäste-Übernachtungen bezogen auf die Bevölkerungszahl. Im Nationalpark Bayerischer Wald gab es in einige Gemeinden vor der Ausweisung gar keinen Tourismus, nun liegt die Zahl der Übernachtungen 10mal so hoch, wie im Naturpark Steigerwald.
Die Sorgen der Menschen im Steigerwald müssen ernst genommen werden. „Im Nationalpark könnte man die heimische Holzverwertung stärken. Holz aus der noch bearbeiteten Fläche sollte vorrangig der Rohstoff- oder Brennholzversorgung der Bevölkerung in der Region dienen und nicht an zum Beispiel Großsägewerke in Aschaffenburg oder anderswo gehen.“ Dass man etwas erreichen könne, zeige der Erfolg mit der VGN Linie. Ein Betretungsverbot soll es nicht geben und auch Jagd wird weiterhin statt finden, evtl. sogar in effektiverer Form. Tatsache ist, dass der Wald ohne Schutz nicht so bleiben wird, denn die Forstwirtschaft ändert sich radikal.
Den Nationalpark halten Bund Naturschutz und die anderen Verbände im Freundeskreis Nationalpark Steigerwald nach wie vor für die beste Lösung, auch zur Regionalentwicklung. Schon aus der Ferne hat er einiges bewegt, so Bürgermeister Schneider aus Ebrach: „ Durch die Diskussion ist ein schlafendes Dornröschen wach geküsst worden. Eine Gegend, die in Deutschland kaum bekannt war, ist nun in aller Munde.“ Deutlich mehr Touristen hatte Ebrach dadurch zu verzeichnen. Auch die aktuell vom Kabinett beschlossenen Förderungen für den Steigerwald in Form eines Nachhaltigkeitszentrums wären ohne die Debatte sicher nicht in der Region gelandet. Als Zusatzeffekt werden die regionalen Wälder wesentlich schonender bewirtschaftet als die meisten anderen Forsten.
In der abschließenden Podiumsdiskussion unter Leitung des Bayerischen Fernsehjournalisten Ulrich Detsch waren sich Weiger, Denzler und Ebert einig, dass in moderierten Fachdiskussionen mit der Bürgerschaft beste Lösungen für die Region gefunden werden müssen und alle Argumente sachlich diskutiert werden sollen.
Beide Seiten wollen nach vorn blicken und die Regionalförderung voran treiben. Norbert Noppenberger, Gemeinderat aus Burgwindheim, forderte neben anderen eine ergebnisoffene Diskussion über Schutzzonen und die Chance Weltnaturerbe.
Landrat Dr. Denzler sprach davon, das Thema Nationalpark zurück zu stellen und Arbeitskreise zum Thema zu bilden. Zuletzt meldeten sich noch einige unzufriedene Handthaler Bürger zu Wort. Touristen habe der Sackgassen-Ort wahrlich schon genug und die Handthaler seien bei der Entscheidung, das Nachhaltigkeitszentrum dort zu bauen, übergangen worden.
Vom bayerischen Bauernverband war trotz frühzeitiger Einladung kein Vertreter zur Podiumsdiskussion gekommen.
Richard Mergner
Landesbeauftragter
Bund Naturschutz in Bayern e.V.
Tel. 09 55 3/ 98 90 42