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Tiere und Pflanzen

Droht Unterfranken zum Gentechnik-Eldorado in Bayern zu werden ?

Breites regionales Bündnis klärt zu Risiken auf und lehnt den Anbau ab. Neuer Freisetzungsversuch von herbizidresistentem, gentechnisch veränderten Pioneer- Mais ebenfalls scharf kritisiert

28.01.2008

Von den in Bayern derzeit angemeldeten 123 ha Fläche für den kommerziellen Anbau von insektenresistentem Bt-Mais MON810 befinden sich über 100 Hektar  in den Landkreisen Kitzingen und Würzburg. Parallel sind im Landkreis Kitzingen Freisetzungsversuche weiterer gentechnisch veränderter Maispflanzen der Firmen Monsanto und Pioneer geplant bzw. sollen fortgeführt werden.

Der Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN) lehnt Anbau und Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen ab, da damit vielfältige Risiken für die Gesundheit, die Umwelt sowie die bäuerliche Landwirtschaft und die gentechnikfreie Produktion verbunden sind. Auch die Verbraucher lehnen Gentech-Lebensmittel klar ab, wie aus zahlreichen Umfragen abzulesen ist.

Mit dem jetzt vom  Bundestag verabschiedeten Gentechnikgesetz kann die gentechnikfreie Landwirtschaft nicht dauerhaft gesichert werden. Der BN kritisiert, dass die vorgeschriebenen Abstände zu anderen konventionellen Maisfeldern mit 150 Metern zu gering bemessen sind und wertet es als völlig verfehlte Vorschrift, dass diese Abstandsregelung auch noch durch nachbarschaftsrechtliche Regelungen außer Kraft gesetzt werden kann. „Dies fördert eine schleichende gentechnische Verunreinigung von Mais, und ist nicht hinnehmbar“, so Martha Mertens, Sprecherin der Arbeitskreise Gentechnik des BN und des BUND. Ob Landwirte entschädigt werden, wenn die gentechnische Verunreinigung ihrer Ernten weniger als 0,9 Prozent beträgt, ist weiterhin offen, eine Klärung dieser Frage werde deshalb vor Gericht ausgefochten werden müssen, was möglicherweise zu Unfrieden in den Dörfern führen wird. Der BN fordert deshalb Bundesminister Seehofer auf, sich am Beispiel anderer EU-Länder zu orientieren (z. B. Frankreich, Österreich, Ungarn, Griechenland) und die Zulassung dieser Maislinie zurück zu nehmen, zumal der Schädling Maiszünsler sehr gut mit alternativen, risikolosen Verfahren zu beherrschen ist.

Neue Freisetzung abgelehnt

 

Aktuell wendet sich der BN mit einer Einwendung gegen die Freisetzung einer herbizidresistenten Maislinie durch die Firma Pioneer HiBred Northern Europe, die Teil des Chemieriesen DuPont ist. Der Anbau ist bundesweit auf mehreren Standorten und auch im Landkreis Kitzingen, in Hohenfeld, geplant. Die Maislinie DPO9814O-6 trägt eine doppelte Herbizidresistenz: zum einen gegen das Herbizid Glyphosat und zum anderen gegen die Gruppe der ALS-Inhibitoren (z. B. Sulfonamide).

 

In einer Einwendungsschrift legt der BN die Gründe dar, die gegen die Freisetzung dieser Maislinie sprechen.

 

1. Gentechnisch veränderter Mais führt zur Kontamination von benachbarten Maisflächen

 

Die Firma Pioneer argumentiert, ein 200 m breiter Isolationsabstand plus 4 Reihen konventioneller Mais reichten aus, um eine Auskreuzung in benachbarte Maisbestände zu verhindern. Die Realität und zahlreiche Studien belegen aber, dass Maispollen über wesentlich größere Distanzen als 200 m verbreitet wird und so zur gentechnischen Kontamination in weiter entfernten Maisflächen führen kann. Der BN hat seit langem darauf hingewiesen, dass die nunmehr vom Gesetzgeber beschlossenen 150 m Mindestabstand zu konventionellen und 300 m zu biologisch bewirtschafteten Maisflächen nicht ausreichen, um eine Einkreuzung zu verhindern.

 

2. Herbizidresistenz führt zu erhöhtem Herbizideinsatz

 

Die Nutzung herbizidresistenter Kulturpflanzen ist notwendigerweise mit dem breiten Einsatz der entsprechenden Herbizide verknüpft. Intensiver Herbizideinsatz führt aber nach aller Erfahrung zur raschen Entwicklung herbizidresistenter Unkraut-Biotypen, denen in der Regel mit dem vermehrten Einsatz des gleichen Wirkstoffs oder weiterer Herbizide begegnet wird. Unter den weltweit 315 verschiedenen Unkraut-Biotypen, die Resistenzen gegen eines oder mehrere Herbizide tragen, haben allein 95 Arten eine Resistenz gegen ALS-Inhibitoren, die Herbizidgruppe, gegen die die Pioneer-Maislinie resistent sein soll. Zudem gibt es mindestens 13 Unkrautarten, die gegen das zweite Herbizid, Roundup mit dem Wirkstoff Glyphosat, resistent sind. Mit dem verbreiteten Auftreten herbizidresistenter Unkräuter ist das Konzept Herbizidresistenz aber bereits jetzt zum Scheitern verurteilt. Denn die Versprechungen, mit dieser Technik würden weniger Pestizide eingesetzt, der Anbau von HR-Pflanzen sei folglich umweltverträglich, haben sich längst als PR-Maßnahme entpuppt: Der Herbizideinsatz wird durch den Anbau herbizidresistenter Pflanzen erheblich gesteigert, wie Daten aus den wichtigsten Anbauländern von Roundup-resistenten (RR) Pflanzen belegen.

 

3. Herbizidresistenter Mais gefährdet die biologische Vielfalt

 

Glyphosat bzw. Roundup ist keineswegs so umweltverträglich, wie gerne behauptet. Es wird aus Böden ausgewaschen und gelangt ins Wasser. Der Wirkstoff bindet Spurenelemente im Boden und verhindert deren Aufnahme durch die Pflanzen. Ertragsrückgang und möglicherweise eine erhöhte Anfälligkeit gegen Krankheiten sind damit verknüpft. Da das Zielenzym von Glyphosat auch für den Stoffwechsel von Mikroorganismen wichtig ist, wirkt das Herbizid auf viele im Boden lebende Organismen negativ und gefährdet so die Bodenfruchtbarkeit. Roundup ist zudem toxisch für diverse Tierarten, insbesondere für Amphibien. Auch ALS-Inhibitoren sind toxisch für Nichtziel-Organismen.

 

Die Ergebnisse mehrjähriger Studien in England haben gezeigt, dass die Nutzung herbizidresistenter Pflanzen Zahl und Vielfalt der Wildpflanzen auf und neben den Ackerflächen und der von diesen Pflanzen lebenden Tiere erheblich reduziert. Negative Effekte auf die von Insekten und anderen Kleintieren lebenden Säuger und Vögel sind zu erwarten. Im Umkreis von 1000 m um die Freisetzungsfläche Kitzingen-Hohenfeld befinden sich wertvolle Schutzgebiete, die zum Schutz stark bedrohter Tierarten ausgewiesen wurden. Ein Vogelschutzgebiet liegt nur 285 m entfernt, das Naturschutzgebiet „Marktstefter Tänning“ etwa 750 m. Wertvolle Hecken- und Feuchtbiotope befinden sich in nur 130 m bzw. 50 m Entfernung. Von einer Gefährdung dieser Schutzgebiete ist auszugehen. Da der Freisetzungsversuch über 4 Jahre laufen soll, bleibt es nicht bei einem einmaligen negativen Effekt.

 

4. Gesundheitliche Effekte

 

Der Öffentlichkeit werden wichtige Daten zu den verwendeten Genen, der gentechnischen Veränderung und den durchgeführten Tierversuchen vorenthalten. Die Fütterungsstudien wurden nur kurze Zeit mit wenigen Mäusen durchgeführt - Langzeitstudien zu möglichen chronischen Effekten fehlen. Ein Datenbank-Vergleich mit bekannten Proteinen ist nicht hinreichend, um eine Allergenität oder chronische Toxizität auszuschließen. In den Tests wurden zudem nur in Bakterien produzierte Eiweiße verfüttert,  nicht die transgene, mit Herbiziden behandelte Pflanze.

 

Für Rückfragen:

Dr. Martha Mertens, Diplombiologin, Tel. 089 – 580 76 93

Marion Ruppaner, BN Referentin für Landwirtschaft ,Tel. 0911/81 87 8-20
E-Mail: marion.ruppaner@bund-naturschutz.de