Reichswaldbilanz 2011
Die Menschen in der Metropolregion müssen sich auch im Internationalen Jahr der Wälder 2011 um den Schutz ihrer grünen Lunge, dem Reichswald sorgen. Zahlreiche Planungen drohen den Erholungsraum vor den Toren der Städte zu zerschneiden und zu zerstückeln. Dazu zählen Planungen wie die zur Nordspange zum Flughafen, zur Südumfahrung von Buckenhof, Uttenreuth und Weiher, gigantische Ausbaumaßnahmen an den Autobahnen A6 und A9 bei Fischbach, zu Parkplätzen wie bei Moosbach, Gewerbegebieten wie im Eibacher Forst am Nürnberger Hafen oder am Leimbühl bei Feucht u.v.a..
Zum Glück gelang es dem Bund Naturschutz zur jährlichen Kundgebung für den Schutz des Reichswaldes, dem Reichswaldfest 2011, den zuständigen Minister für den Reichswald, Staatsminister Helmut Brunner als Festredner zu gewinnen.
"Minister Brunner hat ja erst im Frühjahr in Tennenlohe anlässlich der Eröffnung des Internationalen Jahrs der Wälder in Bayern in Aussicht gestellt, dass er die 'nicht unerheblichen Projekte für Infrastruktur in seinem Ministerium überprüfen lassen' wolle. Gemeinsam mit den Bürgerinitiativen setzt der BN große Hoffnungen auf diese Prüfungen“, so Hubert Weiger, Vorsitzender des Bundes Naturschutz.
"Das wird natürlich nicht ohne heftige Debatten zwischen den Ministerien abgehen, wir sind also sehr gespannt, was die Prüfungen ergeben haben. Wir appellieren an den Waldminister, für den Wald in seiner Gänze zu streiten und sind gern bereit, ihn zu unterstützen, damit der Vorrang des Bannwaldschutzes vor anderen Nutzungen durchgesetzt wird."
Am Samstag, 16. Juli und Sonntag, 17. Juli 2011 findet zum 39. Mal das Reichswaldfest des Bundes Naturschutz gemeinsam mit dem Forstbetrieb Nürnberg, dem Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Fürth und befreundeten Natur- und Umweltschutzverbänden am Schmausenbuck östlich des Nürnberger Tiergartens statt. Der Bund Naturschutz lädt dazu alle Freundinnen und Freunde des Waldes herzlich ein.
Die Hauptforderungen des BN zum Reichwaldfest 2011 sind:
"Beendigung der Planungen zur Südumfahrung bei Erlangen und zur Nordspange am Flughafen. Kein Staatswaldverkauf und keine Verpachtung für Gewerbegebiete im Bannwald".
Immerhin ist die Staatsregierung mit dem Innenministerium für alle Autobahn-, Bundes- und Staatsstraßenplanungen incl. Rastanlagen zuständig. Sie ist auch verantwortlich, wenn die Autobahndirektion Diflubenzuron entlang der Autobahnen gegen den Eichenprozessionsspinner spritzen lässt und damit die Insektenfauna empfindlich dezimiert. Sie trägt Mitverantwortung für die Planungen der Stadt Nürnberg für ein Gewerbegebiet im Eibacher Forst und die des Marktes Feucht für ein Gewerbegebiet am Leimbühl. Die Regierung von Mittelfranken hat alle genannten Planungsverfahren zu beurteilen.
Minister Brunner ist nicht nur staatlicher Vertreter der Waldbesitzer im Reichswald, aller BürgerInnen Bayerns, und sollte deren Willen zum Walderhalt umsetzen. Er ist als Waldminister auch verantwortlich, wenn Staatsforst für die genannten Vorhaben veräußert oder verpachtet wird. In Feucht soll der Betrieb bayerische Staatsforsten sogar den Wald als Gewerbefläche selbst vermarkten, wenn es nach den Planungen geht. Als Minister ist er der oberste Zuständige für die korrekte Umsetzung des Bayerischen Waldgesetzes, das hier mit dem Bannwald als höchste Schutzkategorie für Wälder betroffen ist. Sollte der Flughafen Nürnberg aus Kostenersparnisgründen eine weitere Rodungserlaubnis in der Einflugschneise erhalten, so wäre das ihm unterstellte Amt für Land- und Forstwirtschaft Fürth die bewilligende Behörde. Und der ihm unterstellte Betrieb bayerische Staatsforsten ist für die Waldpflege und -nutzung im Reichswald verantwortlich. Sie muss den Vorgaben des Vogelschutzgebietes gerecht werden. Der BN freut sich deshalb, dass der Bayerische Waldminister Helmut Brunner Hauptredner des Reichswaldfestes 2011 ist und hofft, dass er sich klar pro Walderhaltung positionieren wird, denn der Reichswald ist gefährdeter denn je.
Dank gebührt den Aktiven in Bürgerinitiativen, Bündnissen und Aktionsgruppen, die ihre Freizeit opfern, um der Allgemeinheit nicht nur einen der größten und schönsten Wälder an einer deutschen Großstadt, sondern auch den Garant für saubere Luft, Abkühlung der überhitzten Städte und Naturerlebnisraum zu erhalten. Sie wurden und werden dankenswerterweise unterstützt durch Unterschriften und Einwendungen von 14.000 BürgerInnen (Nordspange), 8.000 (Südumfahrung), 1.000 (Gewerbegebiet Feucht und Südanbindung), 1.000 (Sportplatz Tennenlohe), 500 (PWC-Anlage Moosbach). Online-Umfragen der Zeitungen Nürnberger Nachrichten, Nürnberger Zeitung und Abendzeitung ergaben zu Eingriffsprojekten, dass die Mehrheit mehr Schutz des Reichswaldes wünscht.
Derzeit plant und organisiert die Autobahndirektion Nordbayern mit Sitz in Nürnberg folgende Eingriffe in den Reichswald: Sechsspuriger Ausbau der A6 Nürnberg-Heilbronn von der Anschlussstelle Roth bis zum Kreuz Nürnberg-Süd, eine Zusammenlegung des Autobahnkreuzes Nürnberg-Süd mit der Anschlussstelle Fischbach (Waldverbrauch ca. 30 Hektar) und sechsspuriger Ausbau bis zum Kreuz Nürnberg-Ost, Neubau einer PWC-Anlage an der A6 bei Moosbach (ca. 5 ha), Ausbau der PWC-Anlage bei Brunn (ca. 1 ha).
Das Staatliche Bauamt Nürnberg betreibt folgende Eingriffe: Neubau der Nordspange zum Flughafen B 4f (ca. 40 ha), Ausbau der Staatsstraße Feucht-Penzenhofen St 2239 (ca. 5 ha), Neubau der Südumfahrung Buckenhof-Uttenreuth-Weiher St 2240 (ca. 20 ha).
Die Stadt Nürnberg plant und betreibt aktuell ebenfalls gravierende Eingriffe: Ausweisung eines Industriegebietes im Eibacher Forst (südlich der Wiener Straße südlich des Hafens; ca. 30 ha), Ausweisung einer Industriefläche für eine Asphaltmischanlage an der Breslauer Straße (ca. 1 ha), Neubau einer Lände am Hafen, Südanbindung des Gewerbeparkes Nürnberg-Feucht über die Beteiligung am Zweckverband (ca. 8 ha), geplante Hochwasserfreilegung Ziegelstein (ca. 2 ha) und Neubau eines Radweges vom Zollhaus nach Wendelstein, Bau einer Abwasserleitung von Kalchreuth nach Nürnberg.
Die Stadt Erlangen betreibt die Rodung von Reichswald im Rahmen der Erweiterung des Universitäts-Südgeländes und Ausweisung eines Sportplatzes bei Tennenlohe (ca. 1 ha).
Der Markt Feucht plant Großes im Reichswald: Ausweisung eines Gewerbegebietes am Leimbühl (ca. 16 ha), Südanbindung des Gewerbeparkes Nürnberg-Feucht über die Beteiligung am Zweckverband.
Der Markt Wendelstein plant im Reichswald die Südanbindung des Gewerbeparks Nürnberg-Feucht über die Beteiligung am Zweckverband und hat Rodungen für einen Radweg von Wendelstein nach Röthenbach b. St. Wolfgang vorgenommen.
Der Markt Heroldsberg plant im Reichswald eine Erweiterung einer Sportanlage.
Der Diehl-Konzern will ein Industriegebiet Röthenbach an der Pegnitz (ca. 50 ha) durchsetzen.
Die Flughafen Nürnberg GMBH will den Reichswald kappen mit Rodungen zur sog. Hindernisbereinigung am Flughafen (ca. 35 ha, knapp 5 ha wurden bereits zur Kosteneinsparung bei Buchenbühl gerodet).
Der Betrieb Bayerische Staatsforsten die Säge anlegen z.B. für ein geplantes Sandabbaugebiet Herrnau an der Röthenbachklamm bei Altdorf (40 ha), ein geplantes Sandabbaugebiet bei Ungelstetten (49 ha) oder eine Erweiterung des Sandabbaugebietes nördlich Gsteinach bei Schwarzenbruck (41 ha).
Die Firma AW Faber-Castell Sandverwertung GmbH & Co. KG plant Rodungen für ein geplantes Sandabbaugebiet südlich Schwarzenbruck (83 ha) und ein geplantes Sandabbaugebiet bei Pyrbaum (84 ha). Die Firma Stefan Schlüssel GMBH u. Co. KG beantragte 2011 einen Quarzsandtagebau Abbaubereich West in der Gemeinde Schwarzenbruck auf 10,8 Hektar Fläche im Reichswald.
Seit Anfang 2011 läuft ein Planfeststellungsverfahren für den Neubau einer 110-kV Freileitung Umspannwerk-Wiener Straße in der Stadt Nürnberg.
Erst 2011 wurde öffentlich das ganze Ausmaß der seit Jahren laufenden Gifteinsätze an den Autobahnen um Nürnberg bekannt: Die Autobahndirektion Nürnberg setzte aufgrund der Biozid-Verordnung Diflubenzuron "aus hygienischen Gründen" gegen den Eichenprozessionsspinner entlang der Autobahnen ein, "um Verkehrsteilnehmer zu schützen." 2010 wurden allein an den Autobahnen A3, A6, A9, A73 um Nürnberg und an der A70 bei Bamberg 500.000 Liter Spritzbrühe entlang der Autobahnen "incl. Parkplätze" gesprüht.
Nur wenige Eingriffe sind gut begründet und wurden z.B. wie die geplante Hochwasserfreilegung Ziegelstein nach Vorschlägen zum Waldschutz optimiert, um den Eingriff gering zu halten (Waldverbrauch ca. 2 Hektar).
Ein Reihe geplanter Eingriffe konnte bisher kräftig aufgehalten werden. Derzeit muss die Regierung von Mittelfranken praktisch in allen Genehmigungsverfahren nacharbeiten lassen, weil die Summationswirkung aller Vorhaben auf das internationale Vogelschutzgebiet nicht adäquat untersucht worden war. Hier ist im Herbst mit ersten Ergebnissen zu rechnen. Die Diflubenzuron-Einsätze wurden nach Presseaktionen des BN 2011 vermutlich nur noch in Unterfranken durchgeführt.
Reichswaldfest mit vielen Unterstützern
Erfreulich ist die große Zahl der Unterstützerverbände und die Präsentation der Behörden beim 39. Reichswaldfest:
Erstmals dabei sind die Insektenabteilung der Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg e.V. und das Bündnis gegen den Frankenschnellweg. Wie schon in den letzten Jahren präsentieren sich: BN-Landesverband, Forstbetrieb Nürnberg, Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Fürth, Aktionsgemeinschaft gegen die Nordanbindung, Bannwaldbündnis Feucht-Wendelstein, BI Moosbach, Jugendorganisation Bund Naturschutz, BN-Kreisgruppe Nürnberg-Stadt, Landesbund für Vogelschutz, Zeidlerverein Nürnberg und Umgebung e.V., Umweltamt der Stadt Nürnberg, Waldkindergarten Waldwichtel, Pilzabteilung der Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg e.V., Fränkischer Albverein, Touristenverein Die Naturfreunde, Allgemeine Deutsche Fahrrad Club ADFC, Verkehrsclub Deutschland VCD, Sozialforum Nürnberg, Naturschutz- und Jugendzentrum Wartaweil, Schäferei Imsch und Waldprojekt der Drogenhilfe MUDRA.
Für Kinder und Jugendliche gibt es die Möglichkeit, unter fachkundiger Betreuung der BN-Jugendbildungsstätte Wartaweil mit Helm und Seilen riesige Eichen zu erklettern. Unter dem Motto "Hat der Wald Töne?" werden bei der Jugendorganisation Waldorgeln, Klopfhölzer, Rasseln und Pfeifen gebaut und Waldmusik gemacht. Im Märchenzelt gibt’s spannende Geschichten. Beim Imker kann man lebende Bienen im Bienenstock bei ihrer Arbeit zugucken. Es gibt Schafe aus der Nähe zu beobachten, Terrarien mit Pflanzen und Tieren aus dem Reichswald und die Möglichkeit, den Schmausenbuckturm zu bezwingen. Und natürlich den Reichswald als größtes Abenteuergelände.
für Rückfragen: Tom Konopka, Regionalreferent des Bundes Naturschutz
Fon. 0911/81 87 8-24, Mail tom.konopka@bund-naturschutz.de